Kapitel 14

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Verschlafen massierte ich mir meine Schläfen. Mal wieder plagten mich Kopfschmerzen. Lustlos blieb ich im Bett liegen. Es waren Ferien, wieso sollte ich mir die Mühe machen aufzustehen, wenn es keinen Grund dafür gab? Ruby war bei Tyler und meine Tante war auch unterwegs. Somit konnte mich keiner stören oder etwas dagegen sagen.

Gedankenverloren starrte ich an die Decke und dachte über an die vergangenen Wochen nach.

Es war erstaunlich, wie schnell die Zeit verging. Inzwischen war ich schon fast zwei Wochen bei meiner Tante. Angefühlt hatte es sich wie drei Tage.

In den letzten Tagen hatte ich mich ein paar Mal mit Bryan getroffen. Wir hatten viel Spaß zusammen und die gemeinsame Zeit mit ihm war wirklich schön. Allerdings waren mir Bryans Blicke, die er mir immer wieder zuwarf, keinesfalls entgangen. Ich befürchtete, dass Bryan mehr als Freundschaft wollen würde. Doch auch wenn mich Bryans Nähe verrückt werden ließ, konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Freundschaft vorstellen.
Ruby hatte ich in letzter Zeit eher selten gesehen. Sie war ziemlich oft mit Tyler unterwegs, weshalb ich sie kaum zu Hause antraf. So viel zum Thema, dass sie nichts für ihn empfindet. Natürlich freute ich mich für meine beste Freundin. Doch seitdem sie sich mit Tyler traf, unternahmen wir kaum noch etwas gemeinsam.

Genervt atmete ich aus. Mit jeder Minute wurden meine Kopfschmerzen unerträglicher.
Ich brauchte dringend frische Luft, sonst würde mir noch die Decke auf den Kopf fallen. Schwerfällig hievte ich mich aus dem Bett, ging zum Kleiderschrank und wühlte in diesem nach einer passenden kurzen Hose und einem einfachen T-Shirt. Sobald ich etwas zum Anziehen gefunden hatte, begab ich mich ins Bad, um mich frisch zu machen.

-

Tief atmete ich die kühle, salzige Meeresluft ein, während ich am Strand entlang spazierte. Der Wind wehte durch mein Haar und ließ es in alle Richtungen fliegen. Sanft umspülte eine ausrollende Welle meine Füße und nahm den Sand mit, welcher noch vor wenigen Sekunden zwischen meinen Zehen haftete.

Etwas abseits von den anderen Strandbesuchern setzte ich mich in den Sand. Gedankenverloren blickte ich auf den Horizont hinaus und genoss die Ruhe. Seitdem ich bei meiner Tante war, hatte sich unglaublich viel in meinem Leben verändert. In dieser Zeit habe ich einerseits die Jungs kennengelernt, wofür ich unglaublich dankbar war, aber andererseits bemerkte ich, dass ich anders war als die anderen. Die Tatsache, dass ich die Gefühle von anderen Menschen sehen konnte, machte mir riesige Angst. Ständig hatte ich mit Kopfschmerzen und einem unangenehmen Schwindel zu kämpfen. Ich war völlig überfordert mit dieser Situation. Wie sehr wünschte ich mir, ein ganz normaler Teenager zu sein und ein Leben zu haben, in dem mein größtes Problem der Schulstress ist. In diesem Augenblick würde ich alles dafür geben.

Ich war so in meinen Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkte, wie sich jemand neben mich setzte. Neugierig spähte ich zu meiner Linken. Unordentlich lagen seine braunen Haare auf dem Kopf, wodurch ihm einzelne Strähnen ins Gesicht fielen. Seine eisblauen Augen waren starr auf den Horizont gerichtet. Was machte er denn hier?

„Du solltest dich lieber von meinem Bruder fernhalten." Seine tiefe, raue Stimme bescherte mir eine Gänsehaut und ein angenehmer Schauer, lief mir über den Rücken. „Warum?", hinterfragte ich verwundert und blickte zu ihm. Doch eine Antwort auf meine Frage erhielt ich nicht. Stattdessen starrte Ryan weiterhin auf das Meer hinaus. Frustriert wendete ich meine Augen von ihm ab.

Nach einiger Zeit, spürte ich Ryans intensiven Blick auf mir. Mit aller Kraft versuchte ich ihn zu ignorieren, doch ich war nicht stark genug. Das Verlangen war zu groß. Schlussendlich schweifte meine Aufmerksamkeit zu den Jungen neben mir. Geradewegs sah ich in Ryans eisblauen Augen, die mich sofort gefangen hielten. Wie stellte er das bloß an? Wie konnte er mich mit seinen Augen nur so fesseln?

Meine Umgebung blendete ich völlig aus und auch meine Kopfschmerzen nahm ich kaum noch wahr. In diesem Moment gab es nur noch Ryan und mich. Vorsichtig nahm er eine Haarsträhne von mir und wickelte diese um seinen Finger. Zum ersten Mal, seitdem ich Ryan kannte, nahm ich ein Funkeln in seinen Augen wahr. Plötzlich wirkten sie nicht mehr so kalt und leblos, sondern waren voller Emotionen.

Behutsam löste er seinen Finger aus meiner Haarsträhne und strich mir zärtlich über meine Wange. Allein diese Berührung löste ein Feuerwerk in meinem Inneren aus. In meinem Bauch begann es zu kribbeln und mein Herzschlag verdreifachte sich gefühlt. „Du weißt gar nicht, wie wunderschön du bist. Deine Augen strahlen wie zwei Saphire. Ich könnte mich jedes Mal in ihnen verlieren. Sie sind genauso so einzigartig wie du", hauchte Ryan nah an meinem Ohr. Ich war unfähig, mich nur einen Millimeter zu bewegen. Mein Verstand hatte komplett ausgesetzt.

Noch ein letztes Mal blickte mir Ryan tief in die Augen, ehe er sich schlagartig von mir zurückzog. Wie eine Blase zerplatzte der Moment zwischen uns zweien und ich wurde zurück in die harte Realität geschleudert. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, stand er auf und ging davon. Völlig verdattert blieb ich sitzen und schaute ihm hinterher.

Ryans Worte schwirrten in meinem Kopf und mit aller Macht versuchte ich sie zu verstehen. Was war das gerade? Warum sollte ich mich von seinem Bruder fernhalten? Doch so sehr ich mich bemühte, eine Antwort auf meine Frage zu finden, ich fand sie nicht.

Ein Moment der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt