Kapitel 26

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Gemeinsam liefen wir zum Marktplatz und suchten uns eine geeignete Bank, auf der wir uns niederließen.

Plötzlich begann Bryan zu schmunzeln. „Was ist los? Warum grinst du so?", fragte ich ihn verwirrt. „Hier habe ich dich zum ersten Mal gesehen. Seitdem gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf." „Stimmt", murmelte ich nachdenklich und betrachtete die Stelle, auf der Bryan damals stand.

„Also du wolltest mit mir reden." Auffordernd sah Bryan mich an. Tief atmete ich durch, bevor ich zu sprechen begann. „Ja, ich habe nachgedacht. Über den Kuss und über deine Worte. Bryan, ich habe dich unglaublich gerne, aber ich glaube, ich fühle nicht dasselbe wie du für mich. Ich sehe dich als einen guten Freund, aber mehr auch nicht. Es tut mir leid." Starr blickte ich auf meine Hände, die ich nervös knetete. Ich wollte nicht Bryans verletzten Gesichtsausdruck sehen.

Lange Zeit blieb es still.

Unerwartet legten sich zwei Finger unter mein Kinn, die dieses behutsam nach oben drückten. Somit musste ich gezwungener Maßen in Bryans Gesicht schauen. Nervös kaute ich auf meiner Unterlippe. „Bitte hör auf damit", sprach Bryan sanft, während er mit seinem Finger über meine Unterlippe fuhr und diese somit von meinen Zähnen löste. „Alicia, ich konnte mir schon denken, dass du nicht dasselbe für mich fühlst wie ich für dich. Denkst du, ich habe nicht bemerkt, wie du Ryan immer anschaust und wie du dich in seiner Nähe verhältst. Ich wollte es am Anfang einfach nicht wahrhaben und hatte wahrscheinlich noch einen kleinen Funken Hoffnung, dass du doch noch etwas für mich empfinden würdest. Deswegen habe ich dich auch geküsst und das tut mir sehr leid, weil ich dich damit völlig überrumpelt habe." Sprachlos und mit großen Augen sah ich ihn an. „Jetzt schau doch nicht so. Es ist alles in Ordnung. Ich werde darüber hinwegkommen und ich würde mich sehr freuen, wenn wir Freunde bleiben würden", grinsend betrachtete er mich.

Wortlos nahm ich Bryan in den Arm. Sofort erwiderte er die Umarmung. Erleichtert vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge und zog seinen Duft ein. „Danke", flüsterte ich und ein schwaches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Alles gut, Kleines", beruhigte er mich.

Still beobachteten wir die Leute, die an uns vorbei huschten. „Du hast dich verändert", durchbrach Bryan die Stille nach einiger Zeit und schaute mich an. „Ach ja? Inwiefern habe ich mich verändert?", hakte ich mit schiefgelegten Kopf nach. „Du bist offener gegenüber uns geworden. Am Anfang warst du immer so nervös und ziemlich verschlossen. Du hast es immer versucht zu verstecken, aber ich habe es bemerkt. Jetzt bist du irgendwie glücklich und manchmal auch frech. Es scheint zumindest so", antworte er mir, wobei ein ehrliches Lächeln auf seinem Gesicht erschien.

„Gibt es einen Grund dafür?", fragte er interessiert. Mein Blick glitt in die Ferne. „Ja, den gib es. Der Grund ist, dass ich euch langsam vertraue", murmelte ich und sah wieder zu Bryan. Noch einmal schaute ich in seine blauen Augen, bevor ich den Blick wieder abwendete und zu sprechen begann. „Ich war früher anders. Ich war ein sehr offener Mensch. Heute würde ich sagen, ich war ziemlich naiv gewesen. Ich habe den falschen Menschen vertraut, was zur Folge hatte, dass ich am Ende verletzt und enttäuscht wurde. Seitdem bin ich ziemlich vorsichtig."

Eine Träne lief mir über die Wange, die Bryan rasch wegwischte. „Danke, dass du mir vertraust". Ein aufmunterndes Lächeln zierte seine Lippen, bis sein Gesichtsausdruck einen nachdenklichen Ton annahm. „Hör mir zu. Ich möchte nichts schlecht reden. Ich kenne deine Gefühle für meinen Bruder, auch wenn du sie dir selber noch nicht eingestanden hast. Aber bitte lass dich nicht verletzten! Ich kenne meinen Bruder schon lange und ich weiß, dass er nicht so der Beziehungstyp ist. Ich sag das jetzt auch nicht, weil ich eifersüchtig bin. Ich möchte einfach nicht, dass du wieder verletzt wirst, vor allem, weil ich jetzt weiß, wie schwer es dir fällt, dein Vertrauen anderen Menschen zu schenken. Also pass bitte auf dich auf", sprach er ernst. „Das werde ich."

-

Stille lag im Haus, als ich die Haustür aufschloss. Also war ich mal wieder allein. Schnell zog ich mir meine Schuhe aus, schmiss mich auf die Couch und schaltete den Fernseher an. Allerdings kam im Fernsehen mal wieder nur Mist, weshalb ich beschloss, eine Serie auf Netflix zu schauen. Am Ende entschied ich mich für The Vampire Diaries.

Meine Kopfschmerzen waren inzwischen auch wieder zurückgekehrt, weswegen Damon und Stefan eine gelungene Ablenkung waren.

Ich war so in die Serie vertieft, dass ich gar nicht mitbekam, wie die Haustür aufgeschlossen wurde. „Buuhh!", schrie mir jemand direkt in mein Ohr. „Ahh!", erschreckte ich mich und fiel von der Couch. Böse funkelte ich Ruby an, die sich den Arsch ab lachte. „Du hättest dein Gesicht sehen sollen", brachte Ruby unter lachen heraus.

Seufzend stand ich auf und wollte Ruby gerade eine Rede halten, als einen starken Schmerz durch meinen Kopf zog. Die Welt um mich herum verschwamm und die Zeit blieb stehen. Meine Umgebung wurde in ein sanftes Rosa erleuchtet. Deutlich konnte ich Rubys Gefühle sehen. Die Emotionen Liebe und Freude konnte ich ganz klar wahrnehmen.

Und plötzlich verlief die Zeit weiter. Schwindel umfasste mich und ich fiel unsanft auf den Boden. Mehrmals blinzelte ich, bis der Schwindel nachließ.

„Ali, alles in Ordnung", wolle Ruby wissen, die sich neben mich kniete und mich besorgt betrachtete. „Ja, alles gut", wank ich ab, erhob mich langsam und setzte mich auf die Couch. „Was war denn los?", fragte mich meine beste Freundin, während sie sich zu mir setzte. „Meine Gabe ist passiert. Aber es geht schon wieder. Mach dir keine Sorgen", wimmelte ich sie ab.

„Du bist also verliebt?" Schelmisch grinste ich sie an. Leicht färbten sich ihre Wangen rot. „Seid ihr zusammen?", hakte ich nach. Jetzt bildete sich ein fettes Grinsen auf ihrem Gesicht. „Ja, seit heute." „OMG! Ich freue mich so für dich!" Freudig zog ich sie in eine Umarmung. „Danke! Und wie war das Treffen mit Bryan?", forschte sie nach. „Es war gut. Wir haben uns ausgesprochen", sagte ich ehrlich. „Das freut mich. Und was läuft zwischen dir und Ryan?" Wissend sah sie mich an.

Gute Frage, was war zwischen mir und Ryan? Von dem Kuss hatte ich bis jetzt noch niemanden erzählt. Fühlt Ryan etwas für mich oder spielte er nur mit mir?                                         
Doch bei einer Sache war ich mir ziemlich sicher. Ich war geradewegs dabei, mich in ihn zu verlieben und das mit jeder Faser meines Körpers.

Ein Moment der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt