Kapitel 3

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Um mir noch ein wenig die Zeit zu vertreiben, führte mich mein Weg zu einem Leuchtturm ganz in der Nähe. Er war in dieser Gegend ein bekanntes Touristenziel und auch meine Tante hatte mir von ihm berichtet.

Meine Erwartung war nicht besonders hoch, doch sobald ich an mein Ziel angekommen war, stockte mir der Atem.
Der Ausblick war atemberaubend schön. Weit streckte sich das Meer vor meinen Augen und am Horizont konnte ich einzelne Schiffe ausfindig machen. Das Geschnatter der Möwen und das Peitschen der Wellen an den Klippen übertönten die Stimmen der einzelnen Touristen. Tief atmete ich die salzige Meeresluft ein, während ich den traumhaften Ausblick genoss.

Doch plötzlich wurde mir schwindelig und schwarze Punkte tauchten vor meinen Augen auf. Was war denn jetzt los?

Die Welt um mich herum begann sich zu drehen. Fest kniff ich meine Augen zusammen und blinzelte mehrmals, um das Schwindelgefühl loszuwerden. Doch es half nicht. Meine Beine begannen zu zitterten und mit aller Kraft versuchte ich mich auf ihnen zu halten.

Vergeblich!

Mit einem Mal gaben sie unter mir nach und ich spürte, wie ich in Richtung Boden fiel. Fest kniff ich meine Augen zusammen und bereitete mich innerlich auf den Schmerz des Aufpralls vor.

Doch zwei starke Hände umfassten meine Taille und fingen mich auf.

Zögernd öffnete ich meine Augen. Doch als ich das Gesicht meines Retters sah, vergaß ich für einen kurzen Moment zu atmen. Strahlend eisblaue Augen musterten mich. Zum zweiten Mal an diesem Tag schien die Zeit still zu stehen. Vor mir stand niemand geringeres als Ryan.
Die Ähnlichkeit zu seinem Zwillingsbruder Bryan war unverwechselbar. Sie besaßen dieselben Gesichtszüge, nur hatte Ryan dunkelbraune Haare. Genau wie sein Bruder, war Ryan unheimlich gut gebaut. 

Unfähig etwas zu sagen, starrte ich ihn einfach nur mit großen Augen an. „Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte er mich mit ausdruckslosem Gesicht. Mein Verstand war völlig vernebelt, sodass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Ich öffnete meinen Mund, doch kein Ton drang aus meiner Kehle. Dass Ryan mich noch immer erwartungsvoll ansah und augenscheinlich auf eine Antwort von mir wartete, machte die Situation nicht besser. Tief atmete ich durch und räusperte mich, um den dicken Klos in meinem Hals herunterzuschlucken. „Ja, mir geht es gut. Danke! Mir war nur kurz schwindelig, aber es geht schon wieder", brachte ich mit Mühe heraus. Seine Nähe machte mich unglaublich nervös.

Noch ein letztes Mal blickte mir Ryan tief in die Augen, bevor er vorsichtig meine Taille losließ und sich einige Schritte entfernte. „Pass besser auf dich auf", raunte er. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte er sich um und ging davon. Und ich stand da wie bestellt und nicht abgeholt.

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Auf dem Weg nach Hause ließ ich die ganzen Vorkommnisse noch einmal Revue passieren. Eins stellte ich dabei fest, die Cromwell-Brüder sahen unheimlich gut aus. Mich würde es nicht wundern, wenn ihnen Hunderte von Mädchen hinterherlaufen.

Doch was mir am meisten Sorgen bereitete, war mein plötzlicher Zusammenbruch. Was war bloß los mit mir? Eine logische Erklärung wäre, dass es nur ein Kreislaufzusammenbruch war. Schließlich saß den ganzen Mittag in der Sonne und hatte noch nicht viel getrunken. Anders konnte ich es mir nicht erklären.

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Erschöpft betrat ich das Haus meiner Tante und ging geradewegs in die Küche. „Ah, schön, dass du wieder da bist. Das Essen ist fertig. Wie war dein Tag?", erkundigte sich meine Tante sofort, als sie mich erblickte. „Ganz gut", antwortete ich und schenkte mir ein Glas Saft ein. Meinen plötzlichen Schwindelanfall hatte ich nicht vor zu erwähnen, denn so wie ich meine Tante kannte, würde sie sich unglaubliche Sorgen machen und sofort meine Eltern kontaktieren. Meine Mum würde mal wieder eine große Sache daraus machen und mich zu Hunderten von Ärzten schleppen. Darauf hatte ich im Moment echt kein Nerv, vor allem wenn es daran lag, dass ich nur zu wenig getrunken hatte.

„Geht es dir wirklich gut?", wollte meine Tante misstrauisch wissen. „Ja", sagte ich genervt und verdrehte meine Augen. Diese ständige Fragerei nervte mich.

Ich setzte mich an den bereits gedeckten Tisch und wartet auf meine Tante. Diese stellte kurz darauf eine dampfende Auflaufform auf den Tisch. Der leckere Geruch von Lasagne stieg mir in die Nase. Na wenigstens musste ich heute nicht hungrig ins Bett.

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Nach dem Abendbrot ging ich in mein Zimmer und legte mich ins Bett.
Wie ich es doch vermisst hatte!
Ich war unglaublich müde und geschafft. Kurz schloss ich meine Augen und döste vor mich hin, bevor mir schlagartig in den Sinn kam, dass ich noch Ruby anrufen musste. Hektisch nahm ich mein Handy zur Hand und wählte die Nummer meiner besten Freundin. „Hey, ich habe schon auf deinen Anruf gewartet. Ich dachte schon, du hättest ihn vergessen." „Ruby, natürlich habe ich daran gedacht. Ich könnte dich doch niemals vergessen", log ich ohne mit der Wimper zu zucken. „Und das soll ich dir glauben? Ali, du warst schon immer eine schlechte Lügnerin", sagte sie lachend. „Ja, schon gut. Ich gebe es zu, ich hätte es fast vergessen."

„Ist ja jetzt egal. Du hast mir schließlich etwas versprochen. Jetzt erzähl schon", drängelte sie ungeduldig. Schmunzelnd informierte ich sie über die Cromwell-Brüder. Von meinem Zusammenbruch erzählte ich ihr nichts, denn diesen hatte ich diesem Moment völlig verdrängt. „Krass! Und wer sieht besser aus? Bryan oder Ryan?", hakte sie nach und ihr Grinsen konnte ich deutlich heraushören. „Keine Ahnung. Sie sehen beide gut aus", sagte ich ehrlich und gähnte. „Mhm, vielleicht sollte ich vorbeikommen und mir ein eigenes Bild machen", murmelte Ruby nachdenklich. „Kannst du gerne machen. Du, ich bin ziemlich müde. Wäre es für dich in Ordnung, wenn wir morgen wieder telefonieren würden?" „Kein Problem. Dann Schlaf gut und träum etwas Schönes."

Doch trotz meiner Müdigkeit war an Schlaf nicht zu denken, denn die Brüder geisterten mir im Kopf herum. Sobald ich meine Augen schloss, sah ich die strahlend eisblauen Augen von Ryan oder spürte Bryans intensiven Blick, der auf mir lag. Genervt wälzte ich mich im Bett herum, um eine angenehme Schlafposition zu finden. Doch egal wie ich mich drehte und wendete, ich fand sie nicht.

Na, das konnte eine lange Nacht werden!

Ein Moment der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt