7. Kapitel

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Ein Sprichwort sagt: "Weise Leute haben den Mund im Herzen". Was machen die aber dann, wenn ihnen mal das Herz in die Hose rutscht? -  Willy Meurer

Ach du heilige Scheisse!  Wie konnte sich dieser Tag nur so schnell ins Schlechte verwandeln? Die Waffe zittert in der Hand des Mannes während er sich nervös im Raum umsieht. "H..hi Sir...Geht es Ihnen gut? Kann ich Ihnen irgendwie helfen?", versuche ich eine Verbindung aufzubauen. Sofort richtet sich der Blick des Mannes auf mich. Schützend hebe ich meine Hände vor meinen Oberkörper und versuche ihm so zu signalisieren, dass ich keine Bedrohung für ihn darstelle. "Halt die Klappe! Halt die Klappe! Ich...ich kann nicht denken, ich muss mich konzentrieren!", schreit er mich an und fuchtelt mit der Waffe herum.  "O..okay, nur keine Sorge. Niemand wird Ihnen etwas antun. Okay?", versuche ich es weiter, als plötzlich die Tür von Detective Halstead aufgestossen wird und er in den Raum tritt. 

Besorgt schaut er mich an, ehe er sich an den Täter wendet. "Mikel! Das wollen Sie doch gar nicht! Das sind nicht Sie!", beginnt er zu sprechen. Kennen sich die beiden etwa? Was geschieht hier nur? "Kommen Sie schon, Mikel. Sie wollen keine unschuldigen Personen verletzen. Das wollen Sie nicht! Lassen Sie die Sanitäterin einfach gehen.", spricht er weiter als Mikel keine Reaktion zeigt. Während er redet, schiebt Jay sich langsam vor mich. Seine Anwesenheit strömt eine Welle von Sicherheit aus. "Nein, nein, nein! Sie verstehen es nicht! Niemand tut das! Alle glauben, ich sei verrückt!", erwidert er nach einigen Sekunden der Stille und greift sich nervös in die Haare. 

"Ich glaube Ihnen! Dasselbe was Sie erlebt haben, habe ich auch erlebt.",  gibt Jay schliesslich preis. Um was es sich wohl handelt? "Wo...wo waren Sie?", langsam scheint sich Mikel zu beruhigen. "Ich war in Afghanistan - bei den Army Rangern.", während Jay erzählt, geht er einige Schritte auf ihn zu und überwältigt ihn mit einem raschen Griff. Die Waffe rutscht Mikel aus der Hand. Wenige Sekunden später stürmen mehrere Polizisten in den Raum und führen Mikel ab, während ich völlig erstarrt an der Wand anlehne. Was war gerade passiert? Noch vor wenigen Sekunden war es so still und nun ist alles so laut und hektisch. 

Eine grosse Hand wedelt vor meinem Gesicht herum und holt mich in die Wirklichkeit zurück. "Miss? Sophia? Können Sie mich hören?", höre ich die Stimme von Detective Halstead zu mir durchdringen. Vorsichtig legt er seine Hand auf meiner Schulter ab. "Geht es Ihnen gut? Sind Sie verletzt?", spricht er schliesslich weiter, als ich ihm nicht antwortete. Starr schaue ich in seine grünen Augen. Er hat mein Leben gerettet!

Sophia! Reiss dich zusammen! Also atme ich tief ein, ehe ich Jay nicke. Im selben Moment stürmen Sylvie, Maggie und eine weitere Frau in den Raum. "Oh Gott Sophia! Was ist passiert? Geht es dir gut?", beginnt Sylvie sofort und zieht mich in eine feste Umarmung. "Es...es geht mir gut. Mir ist nichts passiert.", antworte ich ihr schliesslich und drücke Sylvie ebenfalls. "Zum Glück! Ich habe mir solche Sorgen gemacht."

"Miss Collins? Ich bin Sharon Goodwin und die Leiterin dieses Krankenhauses. Für die Umstände muss ich mich tausendmal bei Ihnen entschuldigen! Das Chicago P.D. wird sich in einigen Tagen nochmals mit Ihnen in Verbindung setzen, um den Vorfall zu protokollieren.", stellt sich die unbekannte Frau vor. "Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann, melden Sie sich bitte bei mir.", und reicht mir ihre Karte.

Bevor Sylvie und ich den Raum verlassen, drehe ich mich nochmals um und entdecke Jay, welcher mir aufmunternd zulächelt. Die Rückfahrt verbringen wir mehrheitlich schweigend. Tausend Gedanken schiessen mir wirr durch den Kopf.  Ich bin nicht neu in diesem Job und während der Ausbildung wurden wir auf solche Situationen vorbereitet, doch jetzt wenn es im realen Leben passiert, ist alles wie weggeblasen. Auf mich wurde eine reale Waffe gerichtet. Die Fahrt zurück zur Feuerwache nehme ich kaum wahr. Erst als Sylvie die Fahrertür zuschlägt, werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Schnell löse ich den Gurt und verlasse ebenfalls dem Rettungswagen aus. 

Gerade als wir zwischen dem Löschzug 51 hervortreten, rennen schon einige Kollegen aus dem Aufenthaltsraum auf uns zu und beginnen wirr durcheinander zu reden. Eigentlich wünsche ich mir nichts mehr als Stille. Chief Boden und Lieutenant Casey stossen kurz danach ebenfalls zu uns. Casey schaut mich fragend an, aber bevor ich reagieren kann, unterbricht der Chief die Situation: "Jetzt überfallt die beiden nicht gleich! Wir wurden durch das Büro des Chicago P.D.'s über den Vorfall informiert. Die wichtigste Frage ist, ob ihr verletzt wurdet?".

Bevor Sylvie die Frage beantwortet, dreht sie sich zu mir um. "Nein, glücklicherweise wurde dabei niemand verletzt. Es war...ein ziemlicher Schock.", beantwortet sie schliesslich die Frage. Leicht hebe ich meinen Blick aus der Runde und entdecke Casey's Blick, welcher noch auf mich gerichtet ist. 

"Die Details werden wir zu gegebener Zeit klären. Den Rettungswagen 61 werde ich vom Dienst abmelden. Brett, Collins geht nach Hause und nehmt euch Zeit, um die Geschehnisse zu verarbeiten." Wir sollen jetzt einfach nachhause gehen? "Chief, das ist wirklich nicht nötig. Wir können weiterarbeiten.", spreche ich meine Gedanken aus. "Keine Wiederrede Collins! Das ist ein Befehl.", werde ich gleich belehrt. "Verstanden Chief.", antworten Sylvie und ich synchron und verschwinden rasch in die Umkleidekabinen. 

Als ich meine Haustür aufschliesse, ist es kurz nach 04.00 Uhr morgens. Von Müdigkeit ist aber weit und breit keine Spur vorhanden. Trotzdem gönne ich mir noch eine kurze Dusche, bevor ich mich zu Ryan ins Bett lege. An Schlaf ist aber nicht zu glauben. Meine Gedanken streifen wieder zu der heutigen Schicht.

Was für eine Schicht! Was für letzte Tage! Zuerst die Sache mit dem Pool, dann die Schiesserei und dann noch die Waffe - und Jay. Was wäre bloss passiert, wenn Jay uns nicht gefunden hätte? Er konnte Mikel mit seinen Worten beruhigen. Wie ich aus dem Gespräch entnehmen konnte, haben die beiden ähnliches erlebt. Jay erwähnte, dass er bei den Army Rangers und in Afghanistan stationiert war. Wow! Mikel musste somit auch bei der Army sein oder zumindest früher gewesen sein. Teilweise kehren Soldaten mit PTBS aus einem Einsatz zurück.  Die Gefechte sind zwar vorbei, aber die Soldaten müssen weiterkämpfen - gegen sich selber. PTBS ist eine posttraumatische Belastungsstörung und tritt nicht bei allen im selben Rahmen auf. Gut möglich, das Mikel ein ähnliches Schicksal ereilt hat.

Nach gefüllten Stunden fallen mir schliesslich die Augen zu.

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