"Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll." - Georg Christoph Lichtenberg
Die Matratze senkt sich und ein starker Arm legt sich sanft um meine Taille. Sofort umgibt mich ein Gefühl von Sicherheit mit welchem ich langsam in den Schlaf sinke.
Als ich am nächsten Tag die Augen aufschlage, brummt mein Kopf. Matt muss wohl bereits schon aufgestanden sein, den seine Bettseite ist leer.
Langsam schlage ich die warme Decke weg und schleiche zur Tür. Beim grossen Spiegel bleibe ich stehen. Müde und verquollene Augen blicken wir entgegen. Meine Lippe ist an der aufgeplatzten Stelle aufgeschwollen und wird von verschieden Farben geziert. Meine Haare stehen in alle Himmelsrichtungen ab. Im angrenzenden Badezimmer spritze ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und binde meine Haare zu einem Zopf, bevor ich mich auf die Suche nach Matt begebe. Ich folge den Geräuschen und finde ihn schliesslich in der offene Küche stehen. Unsicher bleibe ich im Türrahmen stehen und beobachte das Gesehen stumm. Erst nach einigen Minuten scheint er mich zu bemerken.
"Oh, guten Morgen Sophia. Stehst du schon lange da? Ich habe dich gar nicht gehört.", begrüsst er mich. Sanft schüttle ich den Kopf und zwinge mich zu einem leichten Lächeln.
"Komm und setz sich. Ich mache dir einen Kaffee.", und zieht dabei einen Barhocker zurück. Vorsichtig nähere ich mich und nehmen auf dem Hocker platz. Einige Zeit sitzen wir schweigend nebeneinander. "Ich...mh..ich sollte wohl bald zurück in meine Wohnung...", schaffen es schliesslich die ersten Worte über meine trockenen Lippen.
"Was? Warum denn? Du kannst hier bleiben oder bei einer der Stella oder Sylvie unterkommen", argumentiert er gleich dagegen, "soll ich sie für dich anrufen?". Sofort reisse ich den Kopf zu ihm um. "Nein, nicht!", stoppte ich sein Vorhaben, "noch nicht.", ergänze ich leiser.
Sanft umgreift er meine Hände. Wie macht dieser Mann das nur? Wie kann ein einzelner Mensch so viel Ruhe ausstrahlen?
"Hör zu, du solltest dich heute noch ausruhen und dich für die Schicht krankmelden. Gib deinem Körper und Geist die Ruhe, die er jetzt benötigt. Chief Boden wird das verstehen.", beginnt Matt erneut.
Zuerst wollte ich protestieren, jedoch erkenne ich schnell, dass Matt wie so oft, Recht hat und stimme stumm seinem Vorschlag zu. Matt schnappt sich sein Handy von der Arbeitsfläche und verschwindet ins Nebenzimmer.
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Den restlichen Tag verbrachten wir in Matts Wohnung. Matt hatte Chief Boden die Situation erklärt und uns beide für die Schicht abgemeldet. Normalerweise würde ich niemals freiwillig eine Schicht verpassen, aber was war gerade schon "normal"? Ob es mir peinlich war, dass ich von meinem Verlobten geschlagen wurde? Definitiv...Einer Patientin würde ich diesen Gedanken direkt wieder ausreden, aber nun war ich selbst in dieser Lage - leichter gesagt als getan.
"Du weisst, dass du nicht extra wegen mir hättest hierbleiben müssen? Ich kann auf mich alleine aufpassen."
"Ich weiss", antwortet Matt ohne seinen Blick vom Fernseher zu nehmen, "aber ich wollte nicht."
Er wollte nicht? Was wollte er damit sagen? Matt sprach manchmal echt in Rätseln. Sobald ich in seiner Nähe bin, umgibt mich ein warmes geborgenes Gefühl, selbst wenn wir in einer brenzlichen Situation befanden, wie damals beim Einsatz als wir in den Pool springen mussten oder letztens als der Aufzug stecken geblieben ist...dort hätten wir uns fast geküsst.
Mein Herz beginnt leicht an zu flattern. Gott Sophia, dass mit Ryan ist keine 24h her und ich schwärme direkt vom nächsten Typen oder wie?
"Die 51 ist eine Familie und du bist ein Teil davon. In einer Familie unterstützt man sich gegenseitig.", ergänzt er nach einer Weile.
Blubb - wie eine Seifenblase zerplatz die Wolke mit meinen Gedanken. Was war nur mit mir los, dass ich die Situation nur so falsche interpretiere? Zuerst sollte ich die Sache mit Ryan geregelt bekommen, aber nur wie?
Ich bin kein nachtragender Mensch, aber bei Betrug und Gewalt war bei mir endgültig Schluss. Mein Handy hatte ich bisher bewusst ausgeschaltet gelassen, aber irgendwann musste ich mich der Situation stellen. Unbewusst greife ich nach dem Ring an meiner Halskette. Kaum zu glauben, vor wenigen Monaten war ich noch so glücklich in Seattle und nun hat sich mein Leben um 180° verändert...
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Heute war es wieder soweit, die nächste Schicht stand vor der Tür und es war an der Zeit für mich aus meinem Schneckenhaus zu kriechen. Die letzten beiden Nächte hatte ich ebenfalls bei Matt verbracht. Nachts schliefen wir im selben Bett, aber anders als in der ersten Nacht blieb er immer bei mir, ohne das ich ihn darum bitten musste und dafür war ich ihm unglaublich dankbar.
"Bist du bereit?", fragte Matt als er das Auto vor der Feuerwache parkte, "falls nicht, können wir mit Chief Boden reden und...".
"Matt, Matt...es ist alles in Ordnung und mir geht es gut. Ich bin bereit", unterbreche ich ihn lachend.
Gemeinsam betreten wir den Aufenthaltsraum. Die Meisten aus unserem Team sassen bereits am Tisch und machten sich genüsslich über das Frühstück her.
"Lieutenant Casey, Collins! Schön Sie wieder bei uns zu sehen. Wie fühlen Sie sich, Sophia?", erkundigt sich Chief Boden. Unsere Kollegen schauen von ihren Tellern auf.
"Danke, Chief Boden. Ich fühle mich gut und bin einsatzfähig.", antworte ich wahrheitsgetreu. Kaum hatte ich den Satz beendet, springt Sylvie von ihrem Platz auf und schliesst mich fest in ihre Arme. Kurz bin ich von ihrer Reaktion überrascht, ehe ich die Umarmung erwiedere.
"So gefällt mir das!", ruft Stella erfreut, bevor sie sich der Umarmung anschliesst. Nach und nach erheben sich auch die Anderen und es folgt eine grosse Gruppenumarmung.
Rüstgruppe 3, Drehleiter 81 und Rettungswagen 61 - Autounfall mit mehreren Verletzten
Sofort rennen wir alle zu unseren Fahrzeugen. "Schön, dass du wieder mit an Board bist, Kleines.", ruft mir Hermann noch zu, bevor wir in die Fahrzeuge einsteigen und losfahren.
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Sylvie und ich füllen gerade das Verbandsmaterial im Rettungswagen auf, als sich ein Mann dem Eingang näher.
"Entschuldigen Sie, ich bin auf der Suche nach Sophia Collins. I-ist sie da?". Diese Stimme kenne ich doch? Ich springe aus dem Rettungswagen und folge den Stimmen, jedoch versperren Hermann, Otis und Cruz mir die Sicht auf den Besucher. Erst als ich näher rangehe, erkenne ich wer vor mir steht.
"Ryan...", hinter mir tauchen Sylvie und Matt auf. Ryans Gesicht wird durch ein grosses Veilchen geziert.
"Oh Sophia! Ich hab' mir solche Sorgen gemacht. Ich...ich konnte dich nicht erreichen!...Es tut mir so unglaublich Leid, was...", Ryan macht dabei einige Schritte auf mich zu. Die Jungs stellen sich dabei aufbauend neben mir auf.
"Ryan nicht!"
"Sophia,...ich weiss nicht, was in mich gefahren ist. Ich...ich liebe dich doch!"
"Wo?"
"W...was?"
"Zeig es mir! Wo ist diese "Liebe" wovon du immer redest? I...ich kann es nicht sehen, ich kann es nicht berühren , ich kann es nicht fühlen. Ich kann zwar hören, dass du es sagst, aber ich kann nichts mit diesen drei Worten anfangen!", ich lasse meinen angestauten Gefühlen freien Lauf. Sprachlosigkeit zeichnet sich auf Ryans Gesicht ab.
"Verschwinde Ryan! Ich will dich nicht mehr sehen!", dabei reisse ich die Kette von meinem Hals und werfe sie vor seine Füsse. Ohne einen weiteren Blick zurück, gehe ich mit schnellen Schritten zu den Toilettenräumen. Kurze Zeit nach mir öffnet sich die Tür erneut und Stella sowie Sylvie treten hinein.
"Bist du okay?" War ich okay? "Ja...ja, ich bin okay, ich fühle mich irgendwie befreit!"
"Das war ja ultra krass von dir Sophia!", gibt Stella ihre Meinung freudig preis. Lachend stimmen Sylvie und ich zu.
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Flames of Love
FanficAuch ein "Neuanfang" führt irgendwann "zum Ende". Aber das ist noch lange kein Grund, es nicht zu wagen - oder? Der Umzug nach Chicago steht vor der Tür. Gemeinsam mit meinem Verlobten, Ryan würde ich Seattle, meine Freunde und meinen Job hinter mi...