Kapitel 15 "Nina, die kleine Eiskönigin"

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Saskia hatte schon eine Weile damit aufgehört zu rufen und Lärm zu machen. Immer wenn sie sehr gegen ihre Fesseln gekämpft hatte, war plötzlich eine eisige Kälte über sie gekommen. Kleine Eiszapfen hatten warnend im schwachen Licht des Raumes geglitzert und ihr klar gemacht, dass sie hier etwas gegenüber stand gegen das sie nicht allein kämpfen konnte.

"Konnte der Mistkerl nicht noch ein paar Jahre warten?" murmelte sie genervt. "Lässt sich über zwei Jahrzehnte oder mehr Zeit und muss dann angreifen, als Noah und ich gerade erst dabei sind...."

Nachdenklich kaute sie auf ihrer Lippe. Normalerweise war Noah das "Hirn" von ihnen. Er war derjenige der nachdachte, bevor er handelte. Ihr großer Bruder wog alles ab. Ob es nun Zutaten zum zubereiten einer möglichst guten Mahlzeit, oder mögliche Gefahren und Konsequenzen einer Situation, waren.

Doch nun war sie allein und musste sich wohl oder übel einmal Gedanken machen.

Es war doch wirklich merkwürdig dass der abtrünnige Empath ausgerechnet zu diesem Dinner erschienen war. Nachdem er sich ewig aus der magischen Gemeinschaft herausgehalten hatte. Er hatte sein Unwesen in der "normalen" Welt getrieben, hatte Menschen zu seinem Vorteil ausgenutzt. Er hatte Geld angehäuft ohne sich darum zu kümmern, ob es aus kriminellen Geschäften stammte. Manchmal war es einem Mitglied magischen Gemeinschaft gelungen, ihm Steine in den Weg zu legen. Aber grundsätzlich hielt sich die Gemeinschaft zurück. Zu groß war die Angst das Geheimnis Preis zu geben, indem sich ein magischer Krieg entfachte.

Niemand konnte voraus sagen wie sich so etwas entwickeln würde. Ob sich nicht ebenso viele auf seine Seite schlagen würden, wie gegen ihn standen. Und was würde passieren sollte die normale Menschheit von den Begabten erfahren? Menschen fürchtet was sie nicht verstehen. Oftmals wollen sie vernichten, was ihnen gefährlich scheint.

So gesehen hätte der Abtrünnige ewig so weitermachen können. Für Saskia war es unerklärlich warum er scheinbar immer noch voller Wut auf die anderen war. Er hatte sein Leben selbst gewählt. Er hatte sich vom Rest der Gemeinschaft getrennt.

"Er... Noah!" seufzte sie erschrocken auf. Natürlich. Noah war der Grund! Die neue Macht die erwacht war! Es hatte viele solcher Treffen in Nathans Haus gegeben. Doch nie hatte er zuvor angegriffen. Doch nun hatte er es getan. Weil es nun Noah gab. Und mit ihr hatte er etwas in der Hand um ihren Bruder zu erpressen. "Oh nein. Nein, nein, nein... Hoffentlich lassen sie ihn nicht her..." wisperte sie panisch und schrie gar leise auf, als die Tür sich öffnete.

Ein kleines Mädchen blickte schüchtern herein. "Hast du Durst?" Saskia nickte vorsichtig. Die Kleine kam herein und hielt ihr ein Glas mit einem Strohhalm hin. Im letzten Moment stoppte sie und sah die kleine argwöhnisch an. Doch das Mädchen reagierte abgeklärt und trank selbst einen Schluck aus dem Glas.

Immer noch ein wenig nervös trank Saskia nun. Sie wusste das sie eine gute Weile ohne zu essen durchhalten konnte, das es jedoch sehr gefährlich war nichts zu trinken. Es wurde ihren Körper austrocknen und ihr Gehirn auf Sparflamme setzen.

"Danke... Wer bist du? Wie kommst du her?" "Ich bin Nina. Ich war schon immer hier..." Erzählte die Kleine teilnahmslos, während ihre Hände durch die Luft fuhren. Fasziniert sah Saskia Eiskristalle schweben. "Wow.. Du bist eine kleine Elsa?" "Nein. Mein Name ist Nina!" Irritiert sah das ältere Mädchen das jüngere an. Doch dann wurde es ihr bewusst. Die kleine Nina kannte wahrscheinlich nichts aus der normalen Welt. Keinen Kinderfilm, kein Märchenbuch. Sie war ein Kind und wirkte doch sehr erwachsen. Aber auch ängstlich.

Saskia wusste das elementar Begabte sehr selten waren.

"Kannst du mich.. Freilassen?" "Nein. Mein Onkel wird dann böse.." "Schatz... Dein Onkel ist wahrscheinlich gar nicht dein Onkel. Und er ist zudem schon sehr böse. Sieh mich an... Tut ein guter Mensch so etwas? Jemanden entführen und Fesseln?"

Nina zuckte die Schultern. "Weiß nicht?!" "Findest DU es gut? Das er mich hier festhält? Das er dich von wo auch immer weg genommen hat... Und dich zwingt mich zu bewachen? Das hat er doch, oder? Die Kälte. Die Eiszapfen. Das kam von dir..."

Wieder zuckte die Kleine ihre Schultern. "Ich kann dir helfen.. Du kannst hier weg. In die richtige Welt. Andere Kinder nennen lernen.." "Ich bin anders. Der Onkel hat mir erklärt das die Menschen mich nicht mögen werden. Das sie Angst haben vor mir..." "Das stimmt nicht. Na gut.. Es gibt immer Idioten. Aber Nina... Im Grunde genommen ist jeder Mensch einzigartig. Jeder hat Ecken und Kanten und jeder hat auch gute Seiten. Nicht alle Menschen müssen dich lieben, damit dein Leben gut und schön ist."

"Hör nicht auf sie Nina!" Der Abtrünnige rauschte herein und zog das Mädchen fort von Saskia. "Ich sagte dir du sollst mich rufen, wenn..." "Ich hab ihr nur was zu trinken gebracht." Das kleine Mädchen verschwand wieder durch die Tür und mit ihr Saskias Hoffnung irgendwie zu fliehen.

"Du solltest dich schämen...Sie ist ein unschuldiges Kind! Sie sollte spielen, lachen und Erfahrungen sammeln! Stattdessen nutzt du sie als magischen Wachhund und erzählst ihr Lügen!" "Lügen? Ich glaube die meisten mit Fähigkeiten werden dir da widersprechen. Dein Bruder würde dir da höchstwahrscheinlich widersprechen. Oder hat er nicht auch die Erfahrung gemacht, dass Menschen sich komisch verhalten sobald sie in Berührung mit dem magischen Teil seines Wesens gekommen sind?" "Aber doch nicht aus bösen Willen. Sondern aus Unverständnis. Aus Angst. Mit wachsender Kontrolle wird es nicht mehr passieren, dass er ungewollt seine Kraft benutzt und..."

"Und dann ist alles schön und wundervoll?" "Nein. Gott bin ich hier der Teenager oder du? Das Leben ist halt oft doof. Happily ever after gibt es nur bei Disney..."

"So respektlos..." grollte er und griff ihren Pferdeschwanz. "In meiner Jugend siezten wir Erwachsene..." "Und in meiner Jugend wurde ich dazu erzogen das Respekt verdient werden muss! Du verhälst dich wie ein beleidigter Junge, also rede ich auch so mit dir!"

Ein Grinsen huschte über des Mannes Lippen. "Es wird mir richtig Spaß machen deinen Bruder zu brechen indem ich dir etwas Respekt einflöße."

"Ach was kommt jetzt? Schläge? Und dann schicken sie ihm Fotos oder was?" Er lachte kalt und diabolisch. "Niedlich. Schaust wohl gerne diese albernen CSI Serien?! Mädchen... Ich werde dich spüren lassen... Und alles was du spürst, spürt er auch. Er wird leiden.. Er wird lernen das es besser ohne Anker ist...statt gegen mich zu sein, wird er an meiner Seite stehen..."

Saskia schluckte panisch. Das war also der Plan? "Noah wird niemals mit dir arbeiten, wenn du mich verletzt. Warum sollte er? Er könnte dir doch niemals trauen!" "Tja Liebes... Das ist das Problem mit Emotionen. Sie schalten die Logik ab. Sobald er Angst um dich haben muss, wird er gehorchen..."

Sie keuchte auf, als er sie am Hals packte "Ein paar blaue Flecken auf deiner frischen Haut werden vielleicht schon..."

Ein Zischen klang durch den Raum. Saskia schrie ängstlich, als der Abtrünnige aufjaulte. Entsetzt sah er auf die Wand, in der ein Pfeil steckte. Blut floss aus einer schmalen Wunde auf seiner Wange.

"NIMM. DEINE. DRECKSPFOTEN. VON. MEINER. SCHWESTER!" Erklang Noahs Stimme drohend. Saskia sah zum Eingang, dort stand ihr Bruder, einen neuen Pfeil gespannt.

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