Kapitel 7 Nonna Mia's Sicht

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Das Kichern von Nonna Mia - so hieß die Großmutter, soweit er es überblicken konnte bei den lebhaften Gesprächen um ihn herum - ließ Noah nach einer guten Weile sich wirklich umsehen. Der warmherzige Blick der alten Italienerin erinnerte ihn wehmütig an die gute Frau Johann. Eine nette Nachbarin, welche Saskia und ihm immer Pfannkuchen gebacken hatte.

„Ich hatte schon fast vergessen, wie hungrig Empathen sein können!" , sie lachte als er verlegen errötete und ein, „Na wenn es so toll schmeckt?!", nuschelte. „Schäm' dich nicht. Empathen verbrauchen sehr viel Energie, schon ohne körperliche Betätigung. Du bist noch im Wachstum und deiner Statur nach zu urteilen, machst du auch Sport!" Überrascht nickte er. „Ich spiele Basketball. Schon sehr lang. Ich wurde immer unruhig ohne Bewegung, obwohl ich eben vom Naturell her eher ein ruhiger Mensch bin. Ich liebe lesen und lernen. Eine Weile vermutete man ADHS bei mir."

Sie nickte. „Das hört man oft, bei vielen magisch Begabten. Bei Empathen besonders oft. Oftmals werden auch Kinder, welche einfach empfindlicher sind, welche etwas mehr Empathie besitzen, in diese Schiene gesteckt. Empfänglich sein für Emotionen, insbesondere Emotionen von Menschen , die älter als man selbst sind, kann ein schweres Los sein. Wie soll ein 3-jähriger Junge zum Beispiel mit den Gefühlen einer von der Liebe enttäuschten Erzieherin klar kommen? Er kann diese Gefühle ja gar nicht verstehen. Menschen mit nur erhöhter Fähigkeit lernen allerdings irgendwann damit klar zu kommen. Sie suchen sich Berufe in denen Empathie ihnen nutzt oder unterdrücken sie mehr oder weniger erfolgreich. Wahre Empathen jedoch, können sich nicht für immer verschließen. Das weißt du bestimmt schon?!" Noah nickte auf die Frage hin und antwortete,  „Sie würden irgendwann wahnsinnig."

„Nonna, ich glaube dies ist doch kein angemessenes Thema für ein nettes Essen!", rügte eine Frau, vielleicht so alt wie seine Mutter, während sie kleine Tassen mit Espresso und duftendes Mandelgebäck verteilte. „Unsinn. Noah kommt offenbar aus einer Familie in der es lange keinen Begabten gab. Ihr alle seid von klein auf mit dem Wissen aufgewachsen. In unserer Familie werden auch die ohne gorße magische Begabung unterrichtet und einbezogen. Noah ist neu in unserer Welt, seine Schwester auch. Diese Kinder brauchen mehr als ein paar Bücher!", zeterte die alte Dame gleich los, die Hände flogen nur so beim Sprechen. Noah hätte fast gelacht, konnte sich jedoch innerlich ermahnen dies nicht zu tun, denn er war sicher das wäre nicht gut für ihn. Die Frau die zuvor geredet hatte, rollte nur die Augen und warf theatralisch die Hände in die Luft. „Dios mio! Diese Frau macht mich wahnsinnig!"

„Komm' Nonna Mia, erzähl' Stella was du alles brauchst, damit sie es dir zusammenstellen kann. Dann bringt sie Noah heim und kommt zurück!", Antonio ergriff die Hand seiner Großmutter und half ihr aufstehen.Dann machte er kurzen Prozess und nahm die Dame auf seine Arme, damit sie nicht mit den Krücken hantieren musste. „Aww! Antonio ist mein Liebling! Ein richtiger Ritter!" , seufzte Nonna Mia und küsste ihren Enkel links und recht auf die Wange. „Schleimer!", rief ihnen einer der anderen hinterher, während Stella und er gemeinsam ins Haus gingen, wo die alte Heilerin eine Liste hatte.

Noah sprang auf und packte Teller zusammen, doch sogleich stoppte ihn eine der anderen Damen indem sie ihm sanft auf die Finger schlug. „Du bist unser Gast! Gäste helfen nicht, sie lassen sich verwöhnen!" Irritiert sah er daher zu, wie sie und einige andere flink den Tisch räumten. „Deine Mutter lässt Gäste bestimmt auch nicht den Tisch abräumen!", meinte ein Mädchen, ein paar Jahre jünger als er. „Nein, natürlich nicht. Aber ich war ja kein geladener Gast. Stella und ich sind einfach so gekommen. Da dachte ich, es wäre nur Recht wenn ich helfe!" „Das ist sehr nett, doch nicht nötig!", meinte ein Mann, der große Ähnlichkeit mit Antonio besaß. Vielleicht sein Vater.

„Hast du Nathan schon kennen gelernt?" „Nicht persönlich. Er sagte aber bald würden wir uns treffen. Es ist etwas kompliziert bei uns, da meine Mutter scheinbar wirklich nichts über die magische Welt weiß. Nathan konnte nichts über sie herausfinden. Er konzentriert sich jetzt auf unseren Vater. Aber es ist auch gut möglich, dass die Magie einfach mehrere Generationen übersprungen hat und ich der erste seit langer Zeit bin." Der Mann nickte. „Ja das ist gut möglich. Unsere Familie ist auch wirklich eine der wenigen Ausnahmen. Bei uns hat nahezu jeder eine Begabung unterschiedlicher Kraft. Meine Brüder und ich haben jeweils selbst eine magisch begabte Frau geheiratet."

Noah hielt sich nicht länger zurück und stellte jedem Fragen zu seinem jeweiligen magischen Feld. Bald verstand er was mit 'unterschiedlicher Kraft' hieß. Antonio war ein starker Telepath und konnte die Gedanken anderer von weit her empfangen. (Wenn er nicht zu sehr durch wuselige Touristengedanken abgelenkt wurde.) Seine jüngere Schwester Lorena allerdings musste eine Person kennen um Gedanken zu empfangen, bei Fremden ging gar nichts. Ein Cousin der beiden dagegen empfand es eher als 'ahnen'. Er war nicht immer treffsicher.

So hatte jedes der Familienmitglieder eine unterschiedliche Ausprägung. Es gab Telepathen, Heiler und Geistheiler in dieser Familie. Noah hätte ewig Fragen stellen können, doch schon bald riefen die Mütter ihre Kinder herein, damit diese endlich die Hausarbeiten erledigten. Andere Familienmitglieder mussten wieder ins Lokal zum arbeiten. Die Teenager der Familie brachen auf mit der Aussage sich für ein Open Air Konzert fertig zu machen. Sie luden Noah sogar ein, doch dieser wusste das konnte er nicht bringen. Es war schon ein Risiko überhaupt in Rom zu sein. „Schade!", maulte Glorietta und gab ihm ein Zwinkern. „Wir hätten bestimmt Spaß gehabt!" „GLORIETTA! Benimm' dich oder du bleibst zu Hause!" , schimpfte ihre Mutter und scheuchte die Teenager davon. „Noah, geh' doch und hol' Stella...wenn unsere Nonna einmal ins reden kommt, hört sie nämlich so schnell nicht auf!" Noah nickte mit hochrotem Kopf und ging. Die Worte der hübschen Glorietta hatten ihn aus der Ruhe gebracht.

„Ich finde es nicht richtig wie Nathan vorgeht! Diese Geheimniskrämerei!", er stoppte vor der Tür, als er Nonna Mia zetern hörte. „Nathan ist aber nun mal der Vorsitzende. Er glaubt wenn Noah schon jetzt alles erfährt, würde es ihn überfordern!" „Stella! Und es überfordert den armen Jungen nicht, wenn ihm einst die Fakten so vor die Füße geknallt werden? Was wenn jemand ihm einfach etwas erzählt, ohne dass jemand von uns Weisen da ist um zu helfen? Wir dürfen den Jungen nicht verlieren!" „Ich weiß Mia. Aber es steht mir nicht zu Nathan rein zu reden. Du sitzt im Ältestenrat. Rede du mit ihm, wenn es dir so wichtig ist!" „Das werde ich!"

Noahs Herz schlug rasant, was ging hier vor? Doch dann spürte er Antonio und hatte Angst der Telepath würde ihn ebenso wahrnehmen. Also klopfte er schnell und rief nach Stella. Er wurde mit viel Tam Tam verabschiedet. Nonna Mia bat ihn, sie mal zu besuchen. Er versprach es gerne, hatte gleich Vertrauen gefasst, da sie sich um seinetwillen aufgeregt hatte. Auf dem Rückweg war er still und in sich gekehrt. „Noah? Alles in Ordnung?" „Hm?? Was? Oh..ja...war nur sehr aufregend."

Stella beobachtete ihn argwöhnisch auf ihrem Sprung nach Hause. „Ach! Du wolltest ja noch Bücher!" , rief sie erschrocken aus , als sie in Noahs Heimstadt ankamen. „Nicht schlimm. Ich nehme die dann morgen mit. Du, na ja,  du musst ja eh zurück. Ich geh' jetzt nach Hause. Bin müde!"

Irritiert sah die Hüterin ihm nach, doch musste dann die Dinge zusammen suchen welche die italienische Heilerin brauchte.

Noah kam zeitgleich mit seiner Schwester zu Hause an. „Na, alles okay Brüderchen?" „Hmmm..." „Du hör' mal, tut mir leid dass ich dir heute Mittag nichts von der Pizza reserviert habe...", begann sie sogleich. Das hatte ihr den ganzen Tag auf der Seele gelastet. „Macht nix. Ich hatte Pizza in Rom!" , Noah bedachte nicht was diese Aussage bewirken würde. „DU HATTEST WAS? IN ROM?" Noah sah sie panisch an. „Saskia! Schnauze!" Doch es war zu spät. Ihre Mutter hatte schon auf beide gewartet. „Was ist denn nun los? Rom?" Noah sah Saskia böse an und eilte sich dann zu antworten, „Ich hab Saskia nur erzählt, dass unsere Abifahrt vielleicht nach Rom geht." Noah fühlte sich mies zu lügen, doch was sollte er tun? Seine Mutter lächelte , „Das weiß ich doch. War das Thema bei der letzten Elternschafts- Sitzung." Das überraschte ihn nun, aber es war ein zu schöner Zufall. „Noah, Schatz! Du bist so blass! Was ist los!", besorgt fühlte seine Mutter seine Stirn. Abwehrend nahm er ihre Hand. „Ich fühl' mich nur was schlapp. Ich geh schlafen!" „Um 18 Uhr?" „Ja, ist das in Ordnung Mama?!" „Natürlich, ich schau später mal nach dir okay?", er nickte und ging die Treppe hoch. Saskia folgte ihm. „Noah!", zischte sie , „...du kannst jetzt nicht schlafen! Du musst mir erzählen was...?" „NICHT JETZT!" , zischte er zurück. „Lass mich einfach in Ruhe! Ich wäre gern allein mit meinen eigenen Emotionen!"

Saskia sah ihn geschockt an, als er die Tür vor ihrer Nase zu schlug. Irgendetwas belastete ihn. Wann hatte Noah jemals nicht mit ihr über seine Probleme geredet?

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