Die Weihe

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"Wie lange dauert das hier noch?", fragte Charlotte leise ihre Mutter, die neben ihr stand und mit einem nachdenklichem Blick die Auserwählten beobachtete, die gerade den heiligen Schwur aufsagten. Es war das erste Mal, dass Charlotte bei dem Ritual der Auserwählten dabei sein durfte und es war schrecklich langweilig. Ihre Mutter sah sie strafend an. "Solange wie es geht. Konzentriere dich, das hier ist eine große Ehre!" Dann drehte ihre Mutter sich wieder nach vorne und wandte ihre Aufmerksamkeit den Auserwählten zu. 

Genervt verdrehte Charlotte die Augen. Was konnte sie denn dafür, wenn die Weihe der Auserwählten in etwa so interessant waren, wie ihre Mathehausaufgaben?! Bisher hatte die Auserwählten nur mehrere, uralte Texte vorgelesen, einen Schwur, der sich ziemlich dramatisch anhörte, abgelegt und jetzt hielten sie eine langweilige Rede über die Geschichte Wjaras. Das wusste sie doch schon alles! Warum fand jede andere Person dieses Ritual so toll?1Ihr Blick schweifte durch die Kirchen, die bis zum letztem Platz gefüllt war. Natürlich, denn die Weihe der Auserwählten war ein Ritual, das seit Jahrzehnten Tradition in dem kleinem Dorf Wjara hatte. Die Auserwählten waren vier Frauen, egal welches Alters, die jeweils eine besondere Gabe erhielten und damit die Drachen, die nur noch in Wjara und in Wjaras Umgebung, existierten und das gesamte Dorf beschützen. Das Dorf war eines der letzten Orte in ganz Frion, in denen Magische lebten. Hier konnte sie in Ruhe leben ohne befürchten zu müssen auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Denn in Frion war Magie jeglicher Art verboten. Warum hatte Charlotte noch nie verstanden. Natürlich gab es Personen, die mit Magie Böses anstellten, aber der Großteil der magischen Gesellschaft hatte nichts Böse im Sinn. 

Sie schüttelte den Kopf und seufzte. Heute waren alle Wjarer da. Charlotte erkannte Nachbarn, Freunde und Klassenkameraden. Ihr Blick fiel auf einen dunkelhäutigen Mann, der ganz hinten in der Kirche saß und gerade vom Licht beschienen wurde. Charlotte erstarrte. Es sah so aus, als wenn von seiner Haut Schatten aufstiegen und das Licht vertrieben wollte. Das war unmöglich! Schattenbendiger waren doch seit Jahrzehnten ausgestorben, oder?! Der Mann sah plötzlich ganz genau in Charlottes Richtung. Sie hatte das Gefühl, er könne genau in ihre Seele schauen. Er lächelte leicht und sah dann weg. Was war das denn gewesen? 

"Heißt die neuen Hüterinnen Wjaras willkommen!", rief plötzlich der Priester. Charlotte zuckte zusammen und drehte sich wieder um. Die vier Frauen standen stolz auf dem Podium und jede hatte jetzt andere Klamotten an. Was hatte Charlotte verpasst? Alle trugen eine schwarze Hose, ein schwarzes T-Shirt und einen roten Mantel über den Klamotten. An den Seiten trugen sie einen Dolch und ein Schwert. Wie war das denn passiert?! Verduzt starrte Charlotte nach vorne. Plötzlich erhellte ein Blitz die komplette Kirche und über den Köpfen jeder Frau erschien ein Symbol. Emery Carir wurde von einem Blitz gekennzeichnet, Magdalena de Rio von einem Baum, Zara Majal von einer Taube und Leonarda van Rosja von einem Amboss. "Blitzbendigerin, Pflanzenbendigerin, Manipulationsmeisterin und Schmiedin.", murmelte Charlottes Mutter leise. Das waren ja echt coole Fähigkeiten, dachte Charlotte, Im Gegensatz zu meiner dämlichen Fähigkeit komische Träume zu haben. Auf einmal wurden die Kirchentüren aufgestoßen und mehrere Soldaten, umringt von Wölfen, betraten die Kirche..

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