Cass

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Cass


«Okay, melde dich, wenn du was hörst. Hab dich lieb.» Ich beende das Gespräch mit Ana und mache mich auf den Heimweg. Mein letzter Kurs für heute ist beendet. Klar studiere ich nicht wirklich hier, das ist nur zu Tarnung, aber auch diese muss glaubhaft rüberkommen. Das konnte ich Dimitri so verklickern, deshalb darf ich jetzt tatsächlich ein paar Kurse besuchen. Wieder sind ein paar Wochen rum und ich bin immer noch nicht weitergekommen. Ana wird sich in ihrem neuen Freundeskreis noch für mich umhören. Wer weiss, vielleicht kommt ja da was raus. Mir ist sehr mulmig zumute. Dimitri hat mich gestern angerufen und will mich nachher sehen. Er wirke nicht erfreut und ich glaube es behagt ihm gar nicht, dass ich noch nichts vorzuweisen habe.


Zu Hause werfe ich meine Schulsachen aufs Bett und tausche meine Jeans und das pinke Crop Top gegen meine Motorradkleidung. Meine Glock verschwindet im Rucksack und ich mache mich auf den Weg in die Garage. Gerade lasse ich die Z1000 aufheulen, als das Garagentor von aussen geöffnet wird. Ein mattschwarzer Maserati Levante Trofeo kommt zum Vorschein und parkt in der Nähe der Eingangstüre. Alle vier Türen öffnen sich fast gelichzeitig und ich muss kurz schlucken. Diesen Anblick habe ich nicht erwartet. Auf der Fahrerseite steigt Xander aus, er ist ganz in Schwarz gekleidet, seine sonst wilden hellblonden Haare sind ordentlich nach hinten gelegt. Hinter ihm kommen Bishop und Paxton zum Vorschein. Auch sie sind ganz in Schwarz und ihre Blicke sind allesamt düster auf mich gerichtet.


Seit dem Abend im Club vor zwei Wochen, habe ich Paxton nicht mehr gesehen. Ob er mich wohl meidet? Damals musste ich ihm vorspielen, dass ich betrunken bin. Sobald er eingeschlafen war, konnte ich meine Suche nach Hinweisen zu den gepanschten Drogen fortsetzen. War natürlich alles für die Katz. Wie gerne hätte ich an diesem Abend alles über Bord geworfen, mich ihm anvertraut. Ich war ihm so nah, wie keinen anderen Mann vorher. Klar, mit Bishop hatte ich Sex und auch die Szene mit Xander war ziemlich intim. Aber die Zärtlichkeiten, die ich Paxton geschenkt habe, waren auf einer anderen Ebene. Sie bedeuten mir viel, zu viel vielleicht. Und ich wünsche mir nichts mehr, als dass sie mit dem ganzen Scheiss nichts zu tun haben. Ich hoffe ich werde nicht enttäuscht.


Alle drei sind einzigartig auf ihre Weise. Bishop Connors ist der dunkle Prinz. Er hat so viel Finsternis und Schmerz in sich, dass es ihn fast zerstört. Ich will erkunden, warum er so ist, wie er ist. Und ich will dafür sorgen, dass er wieder etwas Anderes fühlen kann, ausser Schmerz.


Dann haben wir Xander Edwards. Auch wenn wer auf den ersten Blick immer er lustige Party Typ mimen will. Ich weiss, dass er eigentlich ganz anders sein kann. Wir haben ein paar gute Gespräche zusammengeführt und hinter seiner Fassade ist er so viel mehr. Warum zeigt er das nicht?


Und zu guter Letzt, Paxton Archer. Der Anführer der Truppe. Der gepflegte und immer beherrschte Businessmann. In ihm lodert ein Vulkan, der ausbrechen will. Und ich weiss, dass ich ihn dazu bringen kann. Ich will sein Feuer sehen, auch wenn es mich dabei verschlingt.


Alle drei wenden sich ohne einen Gruss von mir ab und gehen ums Auto. Jetzt fällt mir auch der vierte Mann auf, der vorne bei Xander gesessen haben muss. Meine Augen weiten sich kurz. Damon West. Ich weiss, dass er mich erkennt. Er hat mich bei Dimitri angeheuert. Er hat mir das Zimmer hier besorgt und mir die Infos der Jungs zukommen lassen. Für sein Alter sieht er immer noch ziemlich gut aus. Das dunkle Haar ist leicht grau meliert. Seine Statur ist breit, aber muskulös. Die kleinen Falten in seinem haarlosen Gesicht passen perfekt ins Gesamtbild. Die Jungs sind im Haus und ich nicke Damon kurz zu, bevor ich mir den Helm über den Kopf streife. Er erwidert die Geste und folgt den anderen. Ich lasse den Motor mit Absicht laut aufheulen und brettere nach draussen.



Dimitri tigert hinter seinem Bürotisch hin und her. Gott sei Dank hatte er dieses Mal eine Hose an. «Wir kommen so nicht weiter Cassandra. Damon erwartet Ergebnisse und ich auch.» Als ob mir das nicht klar wäre. «Heute Abend jedoch brauche ich dich für einen anderen Job. Sean Cullen ist ein bisschen aus der Reihe getanzt. Er sollte für Damon eine grössere Lieferung erledigen, hat sich jedoch einiges davon selbst in die Tasche gesteckt. Zurzeit befindet er sich im Hyatt und lässt es sich wahrscheinlich von mehreren Nutten gleichzeitig besorgen.» Die Türe zum Büro geht auf und Sergei erscheint. Automatisch kommen Bilder von unserer letzten Begegnung nach oben und mit ihnen auch der Brechreiz. Er setzt sich wie das letzte Mal neben mich, starrt aber dabei Dimitri an. «Du wirst heute Abend mit Sergei zum Hyatt fahren und Mister Cullen einen Besuch abstatten. Ich gehe davon aus, dass er uns danach keine Scherereien mehr macht.» Was so viel heisst, dass ich ihm eine Kugel durch den Kopf jagen soll. «Und wie sollen wir reinkommen?» Dimitri schiebt eine Hotelkarte über den Tisch. «Zimmer 235. Und bitte, mach keine zu grosse Sauerei, ja?» Ich nehme die Karte an mich und ohne auf Sergei zu warten, mache ich mich auf den Weg zu meiner Maschine. Natürlich hat er schon vorgesorgt und seine Ducati neben mir parkiert.

Beautiful LIARWo Geschichten leben. Entdecke jetzt