Bishop

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Bishop
Ich bin wie in einem Dauerrausch gefangen. Seit Wochen nehme ich alles um mich nur noch wie in Watte verpackt wahr. Seit sie in mein Leben getreten ist, geht alles den Bach runter. Ich hasse wie sehr ich sie liebe. Jeden Tag sehe ich sie entweder zu Hause oder auf dem Campus. Ihre langen schwarzen Haare flattern im Wind, wenn sie von einem Kursraum zum anderen sprintet, oder sie zwirbelt sie um ihren Kugelschreiber, wenn sie an der Küchentheke gedankenversunken über einem Lehrbuch brühtet. Ich denke an ihre Augen, die jedesmal strahlen wenn sie lachen muss oder etwas Lustiges passiert. Ich kann schon lange nicht mehr lachen. Sie zeigt ihre perfekten Zähne, die von ihren vollen Lippen ummantelt werden. Alles an ihr ist perfekt. Ich hasse sie.
Der Bass der Musik dröhnt durch den Club bis nach oben in die VIP Lounge. Keine Ahnung warum ich hier bin. Pax und Xander sind mir so lange auf die Eier gegangen, bis ich eingewilligt habe heute herzukommen, einfach damit sie endlich ihre Schnauze halten. Ich ziehe mir eine Line und lege mich zurück. Die Sitzsessel im DEX sind erste Sahne. Ich sollte mir so einen für Zuhause bersorgen. Sie sind fast bequemer als mein eigenes Bett. Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn Cass auf einem sitzt, nackt. Sie zieht an einem Blunt und spreizt ihre glatten Beine, sobald sie mich sieht. Ich beuge mich über sie und stehle mir einen Zug. Dann küsse ich sie sanft und beisse gleichzeitig in ihre Lippen. Als ob es gestern gewesen wäre, kann ich immer noch ihr Blut auf meiner Zunge spüren. Mit meiner Zunge fahre ich über ihre nackten Brüste nach unten und finde ihre Mitte. Sie riecht göttlich. Meine Zunge fährt über ihre Scham und sie stöhnt auf.
«Wow Alter!» Meine Trance wird unterbrochen und ich öffnen meine schweren Lider. Ich bin high. Xander steht neben mir und zeigt mit seiner Hand auf meinen Schritt. «Bist du froh mich zu sehen oder was geht bei dir ab?» Er zieht die Mundwinkel nach oben und als ich an mir heruntersehe, erkenne ich auch den Grund für sein Getue. Ich habe einen solch grossen Ständer, dass meine Hose ein Zelt bildet. Nice. Jetzt wirken sich die Tagträume von Cass sogar auf meinen Körper aus. Xander setzt sich auf den Sessel mir gegenüber. «Keine Bange Bro, Ana kommt gleich und nimmt sich der Sache an.» Ich weiss, ich bin ein Arsch, weil ich ihre Sis ficke. Aber scheisse, so bin ich nun mal. Wie gesagt, lieber geht sie unter als ich. Obwohl ich schon ziemlich nahe am Abgrund stehe. Xander schüttelt den Kopf. «Dir ist aber schon klar, dass sie heute Abend hier sein wird oder?»
Nachdem ich Ana geleckt habe und sie es mir mit der Hand besorgt hat, hat sie mir gesagt, dass sie sich heute Abend mit Cass hier treffen würde. Was auch ein Grund mehr war, dass ich eigentlich nicht hierher wollte. Aber wenn ich schonmal zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann, dann sollte ich es doch ausnutzen oder. Ich werde heute Abend sicher noch einen wegstecken können und insgeheim hoffe ich, dass es Cass mitkriegt und ich sie damit verletzten kann. Wir werden sehen.
Die Türe geht auf und Paxton kommt rein. Haben wir heute Partnerlook oder wie? Wir alle drei sind in Schwarz gekleidet. Xander scheint es auch zu bemerken und sein Blick gleitet von Pax zu mir. «Gott, ich bin zuviel mit euch zusammen. Das ist nicht gesund.» Fast muss mich lachen, aber nur fast. Paxton bestellt einen Drink an der Bar und gesehlt sich dann zu uns. Er klatscht uns ab und wir verweilen in angenehmes Schweigen. Ich geniesse die Ruhe, bis sich die Türe ein weiteres Mal öffnet.
Mein Blutdruck schiesst in die Höhe und mein Körper verspannt sich zu einem Brett. Muss sie schon so früh hier sein? Oder kann sie nicht einfach in ihrem Zimmer bleiben? Und was zum Teufel hat sie da an? Nennt sich das Kleidung? Ihre langen Beine stecken in schwarzen High Heels, das königsblaue Kleid kann gerade knapp noch ihren Arsch verdecken und da es trägerlos ist, liegen auch ihre Schultern und Arme frei. Ihre Haare hat sie zu Locken gedreht.
Sie hat unsere volle Aufmerksamkeit. Sie kommt auf uns zu, aber ihr Blick bleibt bei mir liegen. «Hey.» Ihre Stimme fährt mir durch Mark und Bein. Und das Zelt in meiner Hose wird grösser. Was ihr wahrscheinlich nicht entgeht. Ihr Blick bleibt dort hängen und ich kann sehen wie sich ihre Wangen röten. Ja Baby, zieh dir ruhig rein was du verpasst. Zu meiner Überraschung gibt sie Xander einen flüchtigen Kuss auf den Mund und setzt sich dann auf Paxtons Schoss. Seit wann macht er denn da mit? Ich dachte das am Pool wäre eine einmalige Sache für ihn gewesen. Habe mich wohl getäuscht.
Ich kann meinen Blick nicht von ihr wenden und starre Cass an. Paxton und Xander sind in ein Gespräch vertieft, dass ich nicht wirklich mitbekomme. Entweder sind es die Drogen oder Cass Blick die mich alles vergessen lassen. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Ihr Blick ist auf mich gerichtet und ich verliere mich fast in ihren Augen. Wie gerne würde ich sie zu mir ziehen, mit meinen Lippen über ihre fahren. Ihre Zunge schmecken. Aber sie ist eine Lügnerin und ich werde sie auch wie eine behandeln. Im Hintergund nehme ich wahr, dass wieder jemand die Lounge betritt und da sich Cass Augen überrascht weiten, ist mir sofort klar, wer da zu uns gestossen ist. Ich muss meinen Blick nicht abwenden, denn ihr süssliches Parfüm weht mir schon von Weitem entgegen. Im Augenwinkel sehe ich Ana dabei zu, wie vor dem Tisch in die Hocke geht und eine Line zieht. So wie sie sich bewegt, ist sie schon stoned. Sie reicht Cass einen Zettel, den diese in ihren Ausschnitt schiebt. Was war das denn?
Doch bevor ich reagieren kann, setzt sich Ana rittlings auf meinen Schoss. «Hey Baby.» Ihre blonden Haare fallen über ihre Schultern nach vorne, ihre Zunge fährt über meinen Hals. Mein Blick bleibt weiterhin auf Cass liegen. Sie wusste wohl nicht, dass ich ihre kleine Sis ficke, denn sie scheint wirklich überrascht zu sein sie hier zu sehen, auf meinem Schoss. «Ich bin so heiss.» Anas Stimme lässt mich erschaudern, aber nicht auf die gute Weise. Immer wenn ich meinen Frust an ihr auslasse, halte ich ihren Mund zu, weil ich mir dabei Cass vorstelle. Doch jetzt lasse ich sie gewähren, weil es mir einfach zu gut gefällt, wie Cass darauf reagiert.
Pax flüstert ihr etwas ins Ohr und Cass schüttelt den Kopf. Sie sieht mich weiterhin an und ich bin mir nicht sicher, was ich alles in ihrem Blick erkennen kann. Verwunderung? Abscheu? Erregung? Weder sie noch ich werden locker lassen. Sie will wohl sehen wie weit ich gehe. Dann will ich sie mal nicht enttäuschen und ihr eine geile Show bieten. Meine Hände fahren über Anas Schenkel und ich packe fest zu. Sie beisst in meinen Hals. Es ist nicht das erste Mal, dass ich hier eine Frau flachlege, während die Jungs anwesend sind. Das war noch nie ein Problem für uns. Doch wie wird Cass reagieren? Meine Hand fährt unter Anas Rock und ich kann ihre Nässe fühlen, da sie keinen Slip trägt. Ich öffne gleichzeitig meinen Reissverschluss und hole meinen Ständer hervor. Ihr Rock verdeckt alles und somit muss Cass ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Ihre Wangen sind feuerrot, das Ganze scheint sie aufzugeilen. Ihr Atem geht schon jetzt sichtlich schneller und ich kann meinen Blick nicht von ihr lösen. Ich bin mir auch der Blicke der Jungs bewusst, die dem Schauspiel folgen. Xander tritt hinter Ana und hält ihr eine Kondompackung hin. Er weiss, dass ich es nie ohne tun würde. Dankend nimmt sie es entgegen und zieht es mir über.
Herausfordernd schaue ich zu Cass. Was wirst du tun Baby? Xander hat wieder seinen Platz eingenommen und hat jetzt die perfekte Aussicht auf Anas Arsch. Pax streicht mit den Fingern über die nackte Haut von Cass Oberschenkel und wieder flüstert er ihr was ins Ohr. Doch sie sieht weiterhin nur mich an. Als sie sich auf die volle Unterlippe beisst, lässt sich Ana gleichzeitig auf meinen Schwanz nieder und ich keuche auf. In rhythmischen Bewegungen schiebt sie sich hin und her. Paxtons Zunge fährt über Cass Hals und ihr Stöhnen hallt durch den Raum. Ich bin kurz davor Ana von meinem Schoss zu werfen und Cass zu bespringen. Ich muss mich so sehr zusammenreissen, dass mein Griff um Anas Schenkel so stark wird, dass sie aufwimmert. Doch sie reitet mich weiterhin. Sie ist schon so nass, dass man hören kann, wie es flutscht. «Oh Gott.» Ana stöhnt auf und wirft ihre Haare zurück. Sie hält sich an meinen Schultern fest und macht so lange weiter bis sie ihren Orgasmus rauschreit. Eigentlich sollte es mich noch schärfer machen sie so in Ekstase zu sehen, aber irgendwie scheint mit ihrem Höhepunkt auch meiner erreicht zu sein. Ich will nur noch weg hier. Will sie von mir stossen, ihren Duft von mir waschen. Ich sehe, dass Cass verletzt und gleichzeitig erregt ist. Es sollte mir gefallen, aber fuck, das Gefühl will sich einfach nicht einstellen. Ana hüpft auf meinem erschlaften Schwanz weiter rauf und runter. «Komm Baby, du bist dran.» Sogar ihre Stimme wirkt jetzt wie ein Lusttöter. Es brodelt in meinen Adern. Ich stehe kurz vor einer Explotion. Ich muss hier weg.
Unsanft schiebe ich Ana von meinem Schoss runter und sie landet dabei auf ihrem nackten Arsch. Xander erhebt sich und will ihr aufhelfen. «Was soll denn das jetzt?», giftet sie mich an. Ich ziehe das Kondom von meinem Schwanz und werfe es auf den Boden. Schnell ziehe ich mir den Reissverschluss zu und sehe panisch zu Cass. Auch sie und Pax sind jetzt aufgestanden und sehen mich verständnislos an. Ich kann nichts sagen. Schweiss rinnt mir über den Rücken und ich kriege fast keine Luft mehr. Ohne mich um Ana zu kümmern oder sonst jemanden, schnappe ich mir meine Jacke ,die auf dem Boden neben dem Sitzsack liegt und stürme durch die Türe nach draussen.
Ich bahne mir meinen Weg durch die tanzenden Leute und komme erst wieder zu Atem, als ich die Bar erreiche. Ich bestelle eine Flasche Whisky und gehe durch die Hintertüre nach draussen. Die kühle Nachtluft klärt meine Gedanken. Die Gasse liegt dunkel vor mir. Damit mich nicht gleich jeder sieht, lehne ich mich neben einem Müllcontainer an die Wand und lasse mich auf den Boden sinken. Wie ein verfluchter Penner sitze ich hier und lasse den Alkohol meine Kehle runterlaufen. Gott, wie konnte ich es nur je soweit kommen lassen. Diese Frau macht mich fertig. Ich kann nicht mit ihr leben und ohne sie noch weniger. Fuck! Ich muss mich zusammenreissen. Ich kann mein Leben nicht nach ihr richten. Ich kann mir nicht alles von ihr kaputt machen lassen.
Die Türe vom Hintereingang geht auf und ich höre Stimmen. «Wieviel hast du?» Ist das Cass? Das kann doch nicht sein. Sie war doch gerade noch oben bei den Jungs. Langsam schiebe ich mich der Wand entlang nach oben und späe über den Container. Und tatsächlich steht Cass mit dem Rücken zu mir in der Gasse. Vor ihr steht irgend ein Typ. Ich muss fast auflachen, als ich sehe, dass er eine Maske aus dem Film Scream aufhat. Was soll den diese Scheisse jetzt? Wer ist das? «Nur ein paar Gramm, aber du wirst sehen, es bringt dich in den Himmel.» Seine Stimme kommt mir bekannt vor, aber ohne das Gesicht dazu kann ich sie nicht einordnen. Cass hält ihm ihre Hand hin und er legt ihr ein weisses Päckchen drauf. Sie hält ihm mit der anderen Hand ein paar Dollarscheine hin, die er sofort in seiner Hosentasche verschwinden lässt. Wer zum verfickten Geier nochmal ist das? Wer sollte in unserem Gebiet Drogen verticken?
Ich kann nicht schnell genug reagieren. Scream blickt sich hastig nach links und rechts um und rennt in der Dunkelheit davon. Ich halte mich bedeckt und will sehen was Cass jetzt vorhat. In der VIP Lounge hatte es mehr als genug Koks. Warum sollte sie also von einem anderen was abkaufen, wenn sie es von uns umsonst bekommt? Sie hält sich das Päckchen an die Nase und riecht daran. Angesäuert zieht sie die Nase kraus. Ach du Scheisse! Hat sie etwa gerade gestreckte Drogen gekauft? Ich muss sie davon abhalten, diese Scheisse sollte sie sich definitv nicht reinziehen. Ich lege die Flasche auf den Boden und will um den Container zu ihr gehen, als die Türe abermals aufgestossen wird. Und was oder besser gesagt wen ich da sehen muss, lässt das Blut in meinen Adern gefrieren.
Schnell ducke ich mich wieder in mein Versteck. Sergei Petrow stellt sich vor Cass und nimmt ihr das Päckchen ab. Sie reden miteinander, aber da ich kein Russisch spreche, verstehe ich kein Wort. Es scheint aber nicht so, dass Cass sich freut ihn zu sehen. Es hört sich eher wie ein Streitgespräch an. Cass greift in ihren Ausschnitt und nimmt den Zettel, den ihr Ana vorhin zugesteckt hat hervor und reicht ihn an Sergei weiter. Er steckt sich das Päckchen und den Zettel in die Westentasche. Dann packt er an ihren Hals und drückt sie fest gegen die Wand hinter ihr. Cass keucht schmerzhaft auf und krallt sich an seiner Hand fest. Erst gehe ich davon aus, dass er sie erwürgen will, aber dann presst er seine Lippen auf ihren Mund und mir wird speiübel. Ist sie immer noch mit ihm zusammen? Doch zu meiner grossen Überraschung und Erleichterung knallt sie ihm ihre Hand ins Gesicht.
Sergei zieht sich lachend zurück und spuckt auf den Boden vor ihre Füsse. Er hält sich die Wange und sagt noch was auf Russisch bevor er sich von ihr abwendet und wieder im Club verschwindet. Cass bleibt alleine zurück. Ihre Hände ballen sich zu Fäuste und sie lässt einen ohrenbetäubenden Schrei los. Ach du Scheisse! Ihr ganzer Körper zittert und sie boxt mit voller Wucht gegen die Wand neben der Türe. Das muss weh tun. Schmerzerfüllt keucht sie auf und hält sich die Faust. «Verdammt!» Ihre Stimme ist ein Wimmern und ich begreife gerade die Welt nicht mehr. Weint sie etwa?
Cass dreht das Gesicht in meine Richtung und die Lampe, die über der Aussentüre montiert ist, wirft einen leichten Schein darauf. Ihre Wangen glänzen und ihr Mascara ist verwischt. Und doch sieht sie immer noch atemberaubend aus. Sie hat mich noch nicht gesehen und ich bin mir nicht sicher, was ich tun soll. Gerne würde ich sie trösten und in meine Arme nehmen und gleichzeitig möchte ich sie anschreien und die Wahrheit aus ihr herausprügeln. Sie hat ganz offensichtlich Dreck am Stecken, sonst würde sie sich nicht heimlich mit einem anderen Dealer und ihrem Ex treffen. Sie lehnt sich gegen die Wand neben der Türe und wühlt in ihrer Tasche rum. Kurz darauf wird sie fündig und steckt sich eine Kippe in den Mund. Schon fast verzweifelt sucht sie weiter nach einem Feuerzeug. Ich kann sehen, wie ihre harte Schale leichte Risse bekommt.
Etwas ist heute anders. Etwas hat sich verändert und meine Neugierde ist einfach zu gross, ich will wissen, was anders ist. Deshalb erhebe ich mich aus meinem Versteck, halte die Flasche in meiner Hand, während ich mit der anderen ein Feuerzeug aus meiner Hosentasche hole. Vor ihr bleibe ich stehen und halte ihr die Flamme vors Gesicht. Erschrocken zuckt sie zusammen und blickt nach oben. Tränen schimmern immer noch in ihren Augen. Sie ist überrascht mich zu sehen, aber entspannt sich doch sichtlich. Sie hält die Zigarette an die Flamme und inhaliert den Rauch in ihre Lungen. Erleichtert schliesst sie ihre Augen und lässt ihn wieder entweichen. «Danke.» Ihr Blick trifft wieder meinen und fast vergesse ich mich und will sie an mich reissen. Aber ich unterdrücke den Impuls, nicke ihr zu und lehne mich neben sie an die Wand. Wir schweigen uns an. Weder sie noch ich wissen was wir eigentlich sagen sollen. Wir haben uns gegenseitig verletzt un ob wir das nochmal hinbekommen, liegt in den Sternen.
Ich reiche ihr die Flasche. Sie nimmt sie entgegen und gibt mir dafür ihre Kippe weiter. Cass schluckt den Alkohohl wie Wasser herunter, bevor sie anfängt zu husten. War doch ein bisschen zu stark. Sie reicht sie mir zurück und ich drücke nach einem letzten Zug die Zigarette mit meinem Stiefel auf dem Boden aus. Mit dem Handrücken wischt sie sich die Tränen und die verwischte Mascara vom Gesicht. «Was soll das mit Ana?», will sie wissen und ich bin versucht ihr eine Lüge aufzutischen. Ihr zu sagen, dass ich mit Ana zusammen bin oder sowas in der Art. Aber irgendwie habe ich genug davon, dass wir uns gegenseitig das Herz aus dem Leib reissen und darauf herumtanzen. Ich bin es leid.
Gleichgültig hebe ich die Schultern. «Nichts von Bedeutung. Sie ist Mittel zum Zweck.» Ihr Kopf schwenkt zu mir rüber und ich halte ihrem Blick stand. «Welcher Zweck?» War ja klar, dass sie weiterbohren würde. Wenn es nicht ihre Schwester wäre, würde sie es wahrscheinlich auf sich beruhen lassen. Ich bleibe hart. «Dich zu verletzen.» Sie schluckt leer und es scheint, als ob sich weitere Tränen in ihren Augenwinkeln bilden wollen. Ihre Unterlippe zittert leicht. Cass lacht leise auf und schüttelt ihren Kopf. «Gratuliere, das ist dir echt toll gelungen.» Sie stösst sich von der Wand ab und will wieder in den Club, aber das lasse ich nicht zu. Jetzt, wo wir endlich Klartext miteinander reden, kann sie sich nicht einfach so verpissen. Meine Hand krallt sich um ihren Unterarm und ich ziehe sie zurück zu mir. Sie wehrt sich nicht und lässt zu, dass ich sie näher an mich drücke. Ihre Brust berührt meinen Bauch und ich sehe zu ihr hinab. Ich habe fast vergessen, wie klein sie eigentlich ist. Ihre Augen brennen sich in mich und ich packe sie sanft am Kinn und hebe ihren Kopf noch weiter nach oben. Ich verliere mich in ihren mintgrünen Augen und ausser uns zwei scheint es nichts mehr zu geben. Alles ausserhalb unserer Blase existiert nicht mehr für mich. Wir haben das Bett und manches andere miteinander geteilt, aber dieser Augenblick hier in der Gasse vom DEX ist viel intimer, als alles andere. Ich kann sehen, wie sie sich mir öffnet, sich endlich dazu bereiterklärt ehrlich zu sein. Ich muss diese Chance nutzen.
Langsam gleitet meine Hand von ihrem Arm nach unten und ich verschlinge meine Finger mit ihren. «Komm. Ich muss dir was zeigen.» Die fast leere Flasche lasse ich am Boden liegen. Irgendjemand wird sich schon darum kümmern. «Warte. Was ist mit den andern?», fragt sie und hält mich zurück. Ernsthaft jetzt? Ich streiche ihr eine Strähne hinters Ohr und eine Gänsehaut überzieht ihre Arme. Wusste ich doch, dass ich sie nicht kalt lasse. «Scheiss auf die andern! Die sind gross genug, um auf sich selber aufzupassen.»
Ich ziehe sie durch die Gasse auf die Hauptstrasse. Die Leute stehen immer noch Schlange, um in den Club zu kommen, der Bass dröhnt bis nach draussen und die Autos stauen sich. Mein Kopf hebt sich und etwas Feuchtes berührt meine Wange. Es fängt an zu regnen. Mit schnellen Schritten rennen wir über die Strasse auf den gegenüberliegenden Parkplatz. Mit der Fernbedienung entriegle ich meinen Dodge Challenger und halte Cass die Beifahrertür auf. Schnell lässt sie sich auf den Sitz gleiten und ich renne um den Wagen. Das leichte Tropfen hat sich schon zu einem stetigen Regenschauer entwickelt. Sofort schliesse ich die Türe wieder und versuche mir das Wasser aus den Haaren zu schütteln. So amüsiert wie mich Cass jetzt ansieht, sehe ich wahrscheinlich aus, als hätte ich in die nächste Steckdose gegriffen. Sie bindet ihre nassen Haare zu einem hohen Dutt. Regentropfen finden ihren Weg über ihren Hals nach unten und findet ihr Ziel zwischen ihren Brüsten. Sie bemerkt natürlich, dass ich dem Pfad folge und mir auf die Lippen beissen muss. Wie soll ich es bloss aushalten sie nicht sofort zu bespringen? Ich fühle mich wie ein Teenager, der gerade sein erstes Date hat.
Ich starte den Wagen und reisse meinen Blick von ihrem feuchten Körper. Cass schaltet den Radio an und ich biege aus der Parklücke, fädle mich in den Verkehr ein und fahre Richtung Norden. Noch nie habe ich jemanden dorthin mitgenommen, wo ich jetzt Cass hinführe. Sie hat etwas tief in mir berührt, dass sich nicht mehr verleugnen lässt. Auch wenn sie mir nicht all ihre Dämonen ziegen kann, wird sie sich mit meinen auseinandersetzten müssen. Ich werde ihr gar keine andere Wahl mehr lassen. Zu lange hat sich dieses verfickte Spiel zwischen uns ausgedehnt. Ich kann mich nicht mehr mit weniger zufrieden geben. Ich will sie. Mit allem drum und dran.
Meine Fingerknöchel blitzen weiss hervor, weil ich das Lenkrad so stark umklammere. Ich bin nervös. Ich weiss nicht woran ich bei ihr bin, was sie von mir denkt, was sie in mir sieht. Was sie nach heute Abend von mir denken wird. Ihre ringbesetzte, zierliche Hand findet ihren Weg über die Mittelkonsole auf mein Knie. Sanft übt sie Druck aus und ich sehe zu ihr herüber. «Ich bin da Bishop.» Und das ist alles, was ich wissen muss. Ich lege meine Hand über ihre, hebe sie nach oben und drücke ihr einen Kuss auf die Finger. Ich lasse sie nicht los während wir unserem Ziel immer näher kommen.
Das Regen hat ein bisschen nachgelassen als wir am Ziel ankommen. Ich schalte den Motor aus und fixiere das Tor vor uns. Cass folgt meinem Blick und legt ihre Stirn verwirrt in Falten. «Was machen wir auf einem Friedhof?» Der Klingelton meines Handys durchbricht die Stille im Auto. Ich sehe kurzs aufs Display und wie erwartet, leuchtet mir Paxtons Name entgegen. Kurz darauf klingelt auch Cass Handy. Sie nimmt es aus ihrer Tasche und hält mir das Display entgegen. Xander. War ja klar. Wir schalten unsere Geräte gleichzeitig aus. «Darum kümmern wir uns später.», sage ich zu ihr und öffne meine Türe. Falls sie Angst haben sollte, lässt sie es sich nicht anmerken. Da die Szene vor uns wie aus einem Horrofilm zu sein scheint, würde ich es ihr nicht verübeln, wenn sie schreiend davonrennen würde. Aber so wie Cass nun mal ist, bietet sie jeder Situation die Stirn.
Die Scheinwerter meines Autos leuchten gegen das Eisentor vor uns und wir gehen Hand in Hand darauf zu. Quietschend gleitet es auf, sobald ich dagegendrücke. Da es Nacht ist, wird sicher niemand auf dem Friedhof sein. Ich ziehe Cass stolpernd hinter mir her. Da sie immer noch ihre hohen Schuhe trägt, ist es wohl eher ein Hindernisslauf als sonst was. «Warte kurz.» Cass lässt meine Hand los, zieht sich ihre Schuhe kurzerhand aus und wirft sie zurück Richtung Tor. Klackernd kommen sie auf dem nassen Boden auf. «So, jetzt geht’s besser.» Sie grinst mich an, zieht ihr Kleid zurecht und hält mir ihre Hand wieder entgegen. Amüsiert schüttle ich den Kopf. Jede andere hätte sich jetzt durchgequält und einen Beinbruch riskiert, statt barfuss über den nassen Boden des Friedhofs zu laufen. Aber nicht Cass. Es ist ihr egal, es scheint ihr sogar zu gefallen, so wie sie immer noch lächelt. Ich ziehe sie weiter über den Rasen und wir lassen mehrere Gräber hinter uns, bis wir bei meinem Ziel ankommen. Ich bleibe stehen und sehe auf den Grabstein hinab, der jetzt vor mir aus dem Boden ragt. Eine Rose wurde in den Stein graviert und darunter ihr Name, Geburts- und Sterbedatum. Blumen, alte wie auch frische, schmücken das Beet davor. Die rote Rose, die ich vor einer Woche hier abgelegt habe, ist schon fast verwelkt. Ich nehme mir vor, dass ich ihr morgen eine neue bringe. Sie hat Rosen immer gemocht. Ihr Duft erinnert mich an das Parfüm, dass sie immer getragen hat.
«Wer ist das?» Cass streift mich mit ihrem nackten Oberarm und holt mich aus der Vergangeheit zurück. «Allison Montgomery.» Ihren Namen aus Cass Mund zu hören, lässt mein Herz schneller schlagen. Es drückt sich schon fast schmerzhaft gegen meine Brust. Ich kann kaum atmen, aber ich muss es jetzt durchziehen. Es gibt kein Zurück mehr.
«Das ist meine Freundin.» Auch wenn dieser Satz so einfach klingen mag, es ist so schwer und es tut immer noch weh. Erschrocken zieht Cass die Luft ein und dreht sich zu mir. «Was? Wie meinst du das?», fragt sie mit zittriger Stimme. Ich löse meinen Blick von Allissons Grab und sehe zu Cass. «Genau so wie ich es meine. Allisson war meine Freundin.» Ich lasse mich auf den Boden sinken und setzte mich auf das nasse Gras. Innert Sekunden hat sich die Nässe durch meine Hosen gesaugt und der Stoff klebt mir an der Haut. Aber es ist mir egal. Cass tut es mir nach und setzt nich neben mich. «Erzähl mir von ihr.» Meine Unterarme sind auf meine Knie gestützt und Cass Hand liegt auf meiner Schulter. Es fällt mir nicht leicht über meine Vergangenheit und über Allison zu sprechen, aber wenn ich weder sie noch mich vernichten will, dann muss dieser Schritt getan werden. Wann bin ich bloss so vernünftig geworden?
Cass merkt, dass ich zögere. Sie kniet sich auf, schiebt meine Knie auseinander und setzt sich zwischen meine Beine. Sie legt ihren Rücken gegen meine Brust und ich lege meine Arme auf ihren Bauch. Ihre Wärme tut gut und beruhigt meine aufgebrachten Nerven. Sie gibt mir Zeit. Und ich bin ihr unendlich dankbar für ihre Geduld. Ich erzähle ihr, dass Allison auch in Princeton studiert hat und wir uns in einem gemeinsamen Kurs kennengelernt haben. Cass sagt kein Wort und lässt mich weiterreden. «Wir waren ein Herz und eine Seele. Haben alles gemeinsam gemacht. Es gab kein sie ohne mich und kein ich ohne sie.» Cass legt ihre Stirn an meine Wange und fordert mich auf weiterzumachen. Ich muss mich räuspern, weil der Teil, der jetzt kommt, eher weniger rosig ist. «Eines abends, als wir zusammen auf meinem Zimmer einen Film angeschaut haben, hat es plötzlich laut an meiner Türe gepoltert. Weder sie noch ich haben jemanden erwartet.» Ich ziehe sie enger zu mir. «Als ich aufgestanden bin und die Türe geöffnet habe, stürmte ein Kerl herein. Es sah aus wie eine Bulldogge und war genau so massig. Ich kannte ihn nicht und wollte ihn mit Gewalt aus meinem Zimmer schaffen. Aber dann hat er Allison entdeckt.» Wenn ich daran denke, wie er sie angesehen hat, erschaudere ich heute noch. «Er hat mich von sich gestossen und hat angefangen sie anzuschreien.» Damals habe ich die Welt um mich nicht mehr begriffen. Der Typ hat so laut geschrien, dass es fast unmöglich war ein Wort zu verstehen. «Es hat sich dann herausgestellt, dass der Typ Allisons fester Freund war. Fast ein Jahr lang hat sie ihn und mich hintergangen. Sie hat mit uns gespielt und als alles ans Licht gekommen ist, war es ihr sogar scheissegal.»
Ich war nie ein Heiliger und werde es wahrschienlich auch nie sein, aber wie sie damals reagiert hat, war nicht von dieser Welt. «Sie hat uns beide ausgelacht und gemeint, was für Weicheier wir eigentlich wären und so weiter. Sie hat ihre Sachen gepackt und ist an uns beiden vorbeigestürmt. Ich wusste nicht, was eigentlich gerade passiert war. Ich konnte nicht mehr reagieren, war wie festgewachsen. Der Typ, sein Name war Simon, wie sich später herausgestellt hat, ist ihr nachgelaufen.» Ich atme tief durch. «An diesem Abend habe ich mich das erste Mal mit Koks so richtig abgeschossen. Ich wusste nicht wohin mit meinen Gedanken, meinen Gefühlen.» Cass drückt sanft meine Hand mit ihrer. «Was ist dann passiert?», fragt sie und ich muss kurz die Augen schliessen. «Am nächsten Morgen hatte ich mehrere Anrufe von Allison auf dem Handy. Da ich natürlich wegen der Drogen nicht in der Lage war darauf zu reagieren, habe ich es zu spät gesehen. Auf meine Rückrufe konnte sie auch nicht mehr antworten, da sie bereits tot in einem Graben lag.»
Cass fährt ruckartig nach vorne und ich vermisse sofort ihre Wärme an meinem zitternden Körper. «Simon fuhr ihr hinterher und hat sie von der Strasse gedrängt…er…sie..» Ich stocke. «Oh Gott…» Ich fahre mit den Händen über mein Gesicht. «Sie kam von der Strasse ab und prallte gegen einen Baum…sie war sofort tot…» Die Anrufe an mich hat sie während der Fahrt getätigt, da sie wahrscheinlich Todesangst haben musste. «Und Simon?», fragt mich Cass nach einer Weile. «Er hat sich freiwillig gestellt und sitzt seidem wegen Todschlags ein.»
Ich ziehe sie wieder zu mir, brauche ihre Nähe, brauche sie. Cass lässt es zu und lehnt wieder an meine Brust. «Es tut mir leid Bishop.» Sie nimmt eine Hand und verteilt sanfte Küsse auf deren Rücken. «Lange konnte ich damit nicht umgehen, dass sie ohne eine Erklärung einfach plötzlich weg war. Der einzige Weg, wie ich die Stimmen in meinem Kopf ausschalten konnte, waren Drogen und Alk. Es ging soweit, dass ich eines Tages in der Notaufnahme landete. Paxton hat mich damals völlig hinüber und fast tot in meinem Zimmer gefunden.» Ich schüttle den Kopf wenn ich daran zurückdenke. «Ich war jung und dumm und ich habe mir damals geschworen, dass mir sowas nie wieder passieren wird. Dass mich niemand, vor allem keine Frau, je wieder hinters Licht führen wird und mit mir spielt.» Sie hällt inne und sieht zu mir auf. «Deshalb reagierst du so auf mich? Du denkst ich spiele mit dir?»
Wieder weiss ich nicht was ich sagen soll. Ist es nicht offensichtlich? «Du bist wie ein Sturm in mein Leben getreten und hast alles durcheinandergebracht. Seit dieser Sache mit Allison habe ich nie wieder jemanden so nahe an mich rangelassen…bis du kamst. Du hast einfach so, mit einem Fingerschnipsen, die Mauern um mein Herz eingerissen und dich reingeschlichen. Deshalb, sei mir nicht böse, aber das mit dir, das ist etwas, das ich nicht erwartet habe. Ich weiss nicht, wie ich mit meinen Gefühlen umgehen soll.» Ich höre mich an wie eine Tussi, aber ich habe gerade einen Lauf. «Du verbirgst einiges vor mir, vor uns, und es macht mich wahnsinnig nicht zu wissen, was es ist. Ich habe Angst davor hinter den Vorhang zu sehen.» Cass lässt meine Worte auf sich wirken und hört mir zu, bis ich still sitzenbleibe und auf ihre Reaktion warte. Wird sie mich jetzt hassen, weil ich nicht auf Allisons Anrufe reagiert habe? Wird sie sich von mir abwenden, weil ich ein verdammtes Wrack bin?
Cass löst sich von mir und steht auf, dreht sich zu mir um und hält mir ihre Hände entgegen. «Na los komm, wir frieren uns hier den Arsch ab.» Ich bin irritiert. Sie reagiert ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe. Meine Hände treffen auf ihre und ich trete zu ihr. Sie legt ihre Hand in meinen Nacken und zieht mein Gesich zu sich herunter. Ihre weichen Lippen finden meine und sie küsst mich sanft. Ich lege meine Arme um ihre Taille und ziehe sie näher. Ihr Körper zittert, der Regen wird wieder stärker. Kalt läuft er über meinen Rücken und durchnässt jeden Winkel meiner Kleidung, der vorher noch einigermassen trocken war. Wie lange habe ich darauf gewartet ihr wieder so nahe zu sein? Sie wieder spüren zu dürfen?
Diesmal ist es Cass, die mich über den Friedhof zurück zum Auto zieht. Sie hebt ihre Schuhe auf, die sie vorhin weggeschmissen hat, und wir steigen wieder in mein Auto. Ich greife nach hinten auf den Rücksitz und lege ihr einen meiner Hoodies auf die Knie. «Zieh das an, bevor du dich erkältest.», bitte ich sie und hoffe, dass sie einmal das tut, was ich von ihr möchte. Während ich mir den Gurt umschnalle, zieht sich Cass ihr Kleid über den Kopf und schmeisst das nasse Teil auf die Rückbank. Eigentlich habe ich mir vorgestellt, dass sie den Hoodie über ihr Kleid anzieht, aber ich will mich nicht beklagen, der Anblick von Cass in blauer Unterwäsche lässt meinen Atem aussetzen. Die Show ist leider viel zu schnell vorbei und sie zieht den Hoodie über ihren Körper. Er ist so gross, dass er ihr locker bis zu den Knien reicht. «Schnall dich an Baby. Ich bringe dich nach Hause.» Lächelnd nimmt sie den Gurt.
Sobald wir wieder auf der Strasse sind, kann ich freier atmen. Das was ich sagen und zeigen wollte, ist raus. Jetzt liegt es an ihr, wie sie damit umgehen will. «Danke, dass du es mir gesagt hast Bishop. Das erklärt einiges.» Cass hält weiterhin meine Hand während ich uns durch den Verkehr manövriere. Der Regen prasselt unaufhörlich weiter auf das Autodach. «Hör zu, ich weiss, eigentlich wäre ich jetzt an der Reihe dir mein Herz, meine Geheimnisse zu offenbaren, aber es gibt Sachen in meinem Leben über die ich nicht sprechen kann.» Ich dachte mir schon, dass sowas kommen wird. Ich schlucke meine Enttäuschung herunter. «Mir ist klar, dass du was anderes von mir erwartest, aber ich kann nicht, noch nicht.» Ihr Körper dreht sich ganz zu mir um. «Gib mir Zeit Bishop. Ich will dich nicht verlieren. Kannst du dich mit dem zufrieden geben, was ich bereit bin zu geben?» Als ob mir was anderes übrig bleiben würde. Ich will alles von ihr und nicht nur einen Teil. Aber ich weiss, dass ich auf Granit stosse, wenn ich meinen Willen durchzusetzen versuche.
«Kannst du mir versprechen, dass du eines Tages deine Maske fallen lassen wirst? Dass du dich mir öffnen wirst?» Ich brauche diese Sicherheit sonst werde ich verrückt. Eigentlich bin ich ja schon verrückt, dass ich es überhaupt in Erwägung ziehe sie wieder an mich ranzulassen. Ich will nicht noch mal abstürzen verdammt. «Bishop, ich werde deine Hand nie loslassen. Ich verspreche, dass du, Paxton und Xander eines Tages alles erfahren werdet. Aber jetzt ist es noch nicht soweit.»
Ohne weiter darauf einzugehen, kommen wir zu Hause an. Ich öffne mit einem Knopf, der in der Sonnenblende eingebaut ist, das Garagentor und steuere meinen Parkplatz an. Cass Motorrad steht daneben und ich kann auch die Wagen von Paxton und Xander erkennen. Scheint als wäre die Party im DEX auch schon zu Ende. Sobald ich den Motor ausgeschaltet habe, hole ich Cass nasse Kleider vom Rücksitz und wir steigen beide aus. Ich gehe um den Wagen und lege meinen Arm um Cass Schulter damit wir gemeinsam ins Haus gehen können. Wir kommen keine drei Schritte weit, als auch schon Pax und Xander auf uns zustürmen. «Wo wart ihr?», will Pax fordernd wissen und mustert unsere Aufmachung von oben bis unten. Er baut sich vor Cass auf und sieht ihr besorgt in die Augen. «Alles okay Kleines?» Diese nickt und lächelt ihn an. «Mach dir keine Sorgen, alles ist gut. Bishop hat sich gut um mich gekümmert.» Und das klingt zweideutiger als es eigentlich sein sollte. Sie haucht Paxton einen Kuss auf die Wange. Dann wendet sie sich zu Xander, der bis jetzt nur schweigend zwischen uns hin und her blickt. Cass gibt ihm einen Kuss auf den Mund, als würde sie das jeden Tag tun. Was sie wahrschienlich auch jeden Tag tut. Verdammt. Ich bin eifersüchtig.
Meine Brüder stehen beide mit verschränkten Armen da und warten auf Antworten. Da ich aber momentan keine grosse Lust darauf habe, überlasse ich das Cass. «Ich geh duschen und hau mich aufs Ohr.» Ich wende mich ab und werde von einer Hand zurückgehalten. «Kommst du nachher zu mir?» Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. «Also ich meine nicht für das was jetzt jeder hier denkt. Ich will nur, dass du heute Abend bei mir bist. Wäre das okay?» Unsicherheit huscht über ihr Gesicht, was sehr seltsam an ihr aussieht, weil sie eigentlich sonst nie unsicher ist. Süss irgendwie. Schon nur deshalb, kann ich ihre Bitte nicht ablehnen. «Klar. Ich komm nachher rüber.» Ich löse mich von ihr und gehe nach oben in mein Zimmer.
Irgendwie scheint sich der ganze Alk und das Koks, das ich mir heute reingepfiffen habe, nicht mehr vorhanden zu sein. Und ich vermisse es nicht mal. Seit ich Cass auf dem Friedhof alles erzählt habe, fühle ich mich befreiter, ich kann wieder richtig atmen. Es fühlt sich einfach richtig an. Ich schäle mich aus meiner nassen Kleidung und schalte mein Handy wieder an. Sobald es genug Empfang hat, kommen ein paar verpasste Anrufe von Pax und Xander rein. Dann leider auch ein paar Nachrichten von Ana. Ich muss die Sache mit ihr klären. Auch wenn sie weiss, dass es nie was Festes war, will ich ihr gegenüber fair bleiben. Sie ist Cass Schwester und wenn das zwischen uns was werden soll, dann müssen wir das aus der Welt schaffen. Ich schreibe ihr, dass ich morgen bei ihr vorbei kommen werde. Dann trete ich unter die Dusche und lasse das warme Wasser meine vor Kälte zitternden Gliedmassen entspannen. Der Tag war lang und die Nacht noch ereignissreicher. Ich hoffe, ich habe die richtige Entscheidung getroffen.
Ich trete aus der Kabine, schmeisse mich in ein paar schwarze Jogginghosen und ein weisses Shirt und gehe hinüber zu Cass Zimmer. Leise klopfe ich an und hoffe, dass sie schon da ist. «Herein.» Ertönt ihre Stimme und ich drücke die Klinke nach unten. Auch sie ist frisch geduscht und liegt jetzt auf dem Bauch auf ihrem Bett. Sie trägt weisse Schlafshorts und ein weisses Trägertop. Die Kleidung liegt wie angegossen auf ihrer Haut und ich muss schlucken. Wie zum Teufel nochmal soll ich bei diesem Anblick meine Finger bei mir behalten? Sie macht es mir nicht einfach.
Sie tippt auf ihrem Laptop herum und winkt mich zu sich. «Komm her!» Ich schliesse die Türe hinter mir und setze mich neben sie. Mit ihrem Zeigefinger fährt sie über den Bildschirm. «Welchen Film wollen wir uns ansehen?», fragt sie mich und deutet auf das Programm vor mir. Wann habe ich das letzte Mal sowas Normales gemacht wie ein Film mit einem Mädchen angeschaut, das nicht Allison war? Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich setze mich nach hinten, lehne meinen Rücken gegen das Kopfteil und verschränke meine Arme hinter dem Kopf. «Egal, wähl du was aus.» Und sofort bereue ich meine Aussage. Ist doch klar, dass ich mir gleich irgendeine Liebeskacke reinziehen muss. Hoffentlich schlafe ich schnell ein. Triumphierend streckt Cass die Faust nach oben. «Yes!» Sie tippt wieder was ein, startet den Film und legt ihren Kopf an meine Brust. «Weck mich, wenn der Film vorbei ist okay?» Provokativ gebe ich ein paar Schnarchgeräusche von mir, die sie mit einem Seitenhieb unterbricht. «Du bist fies. Ich liebe diesen Film, also halt die Klappe.» Ich lache auf. «Ja, war ja klar, dass du den Film liebst, alles Frauen stehen auf…» Und wieder einmal bleiben mir die Worte in der Kehle stecken, als ich auf den Bildschirm starre. Ich muss mir die Augen reiben, weil ich mir fast zu hundert Prozent sicher bin, dass ich träume. Aber nein, tatsächlich sehe ich dort, dass Christoph Walz gerade mit Jamie Foxx redet. Cass hat tatsächlich Django Unchained eingeschaltet. Meine Traumfrau, die gerade in einem sexy Aufzug neben mir sitzt, hat meinen Lieblingsfilm gewählt und scheint ihn genau so sehr zu lieben wie ich. «Du bist nicht von dieser Welt oder?», frage ich sie absurderweise. Sie kichert und drückt ihr Gesicht gegen meine Brust. «Ich mag halt nicht die typischen Mädchensachen. Habe ich wohl meinem Dad zu verdanken, der mich eher wie einen Jungen erzogen hat.» Ich werde definitiv heute nicht einfach einschlafen, dafür ist das hier einfach zu perfekt.
Cass löst ihren feuchten Dutt, lässt das Haar an der Luft trocknen und schmiegt sich enger an mich. Wir geniessen zusammen den Film, lachen beide bei den gleichen Stellen. Während ich über ihre Schulter streichle, verweilen ihre Finger auf meinem Bauch. Wir gehen einander nicht an die Wäsche, auch wenn ich voll dabei wäre, aber das würde alles kaputt machen, was wir heute Abend erreicht haben. Ich inhalieren den Duft ihrer Haare, lasse alles auf mich einwirken und kann ein zufriedens Lächeln nicht zurückhalten. Es ist perfekt und doch habe ich wieder diese Angst, die sich in meine Adern schleicht, dass die Blase bald platzen könnte.

Beautiful LIARWo Geschichten leben. Entdecke jetzt