Paxton

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Paxton
Ihr scheiss Gestöhne war über der ganzen Flur zu hören. Wer möchte nicht am Morgenfrüh von lautem Männergestöhne geweckt werden, nachdem man gerade erst vor zwanzig Minuten eingeschlafen ist. Wenn es so weiter geht, sterbe ich an Übermüdung. Fuck!
Nicht nur, dass Cass mir die ganze Zeit im Hirn rum spukt, auch das ganze scheiss Ghetto mit dem gestreckten Koks zieht an meinen Nerven. Wir müssen endlich zu einem Ende kommen. Auch wenn ich weiss, dass mein Abschluss gesichert ist, muss ich mich doch noch ein paar Mal auf dem Campus blicken lassen und den ein oder anderen Kurs besuchen. Auch meine Schichten im Krankenhaus sind in letzter Zeit eher ein Laster als ein Vergnügen. Ich liebe die Arbeit mit den Patienten, aber wenn ich wieder eine Nachtschicht habe, wie jetzt, dann wünsche ich mir manchmal, dass meine Leidenschaft etwas anderes als die Medizin wäre. Meine nächste Vorlesung ist erst heute Nachmittag, somit werde ich Bishop und Xander ein paar Aufgaben weiterleiten und mich endlich hinlegen. Ich gebe es ungern zu, aber meine Kräfte sind am Ende.
Ich sitze an meinem Pult und schreibe Damon eine SMS, dass ich mich heute Abend mit ihm treffen werde. Die Türe geht auf und meine zwei besten Freunde tretten herein. «Herrgott! Hat euch die Kleine das Hirn dermassen rausgevögelt, dass ihr eure Kleidung vergessen habt?!» Ich weiss, ich klinge ziemlich angepisst, aber während die zwei sich ein super Leben machen, gehe ich gerade durch die Hölle. Es ist nicht fair, dass ich so denke, da beide nicht so priviligiert augewachsen sind wie ich und auch sonst genug Scheisse durchhaben, aber ich kann diese Gedanken nicht ausschalten. Es wird Zeit, dass ich mir entweder wiedermal eine Line ziehe oder flachgelegt werde. Welches von beidem wahrscheinlicher ist, ist mir nur allzu bewusst.
«Fuck Alter, wenn du schon nicht mal mehr zwei nackte Männeroberkörper ertragen kannst, dann solltest du definitiv schnell was ändern.» Bishop schüttelt den Kopf und setzt sich auf den Sessel vor mir, Xander daneben. Wenn er nicht einer meiner besten Freunde wäre, würde ich ihm jetzt wahrschienlich das dreckige Grinsen aus der Visage tackern. Oh Gott mir ist echt nicht mehr zu helfen, jetzt habe ich auch noch ein Aggressionsproblem.
«Okay Leute lassen wir das. Ich habe nicht lange Zeit. Die Nacht war kurz und der Tag wird nicht besser.» Eine Patientenmappe, die ich aus dem Krankenhaus mitgenommen habe, schioebe ich ihnen über den Tisch entgegen. «Das ist Sean Cullen. Er wurde heute Nacht tot in seinem Hotelzimmer aufgefunden. Sauberer Kopfschuss direkt zwischen die Augen.» Xander studiert die Akte und bleibt an einem Foto hängen. «Wow krass!» War ja klar, dass ihn das beeindrucken würde. «Sean Cullen? Ist er nicht für die Innenstadt zuständig?» Natürlich kennt Bishop ihn. Wir alle kennen unsere Geschäftspartner. «Das sieht aus, als ob es ein Profi war. Wer sollte Sean Cullen töten wollen?» Meine Schultern ziehen sich nach oben. «Keine Ahnung. Aber das werde ich hoffentlich heute Abend herausfinden. Ich treffe mich mit Damon in einer Bar. Ich hoffe er weiss mehr darüber.»
Die ganze Sache stinkt doch gewaltig. Zuerst haben wir mehrere Drogentote wegen irgendeinem gestreckten Scheiss. Dann verrecken auch noch unsere Dealer und wie es aussieht ist hier ein Profi am Werk. Würde mich nicht verwundern, wenn es ein und die selbe Person ist. Nur wer zum verfickten Henker nochmal könnte es sein.
«Konntet ihr was über Cass rausfinden?» Beide wirken sichtlich verspannt. Was ist den jetzt wieder los? «Wollt ihr mir was sagen? Dann bitte tut es jetzt. Ich habe keinen Nerv für noch mehr Drama.» Beide schütteln gleichzeitig den Kopf hin und her. «Nein, alles gut. So wie ich mitgekriegt habe, geht sie regelmässig in ihre Kurse, macht gute Noten.» Bishop hat sich von ihr distanziert, das merkt man, so wie er über sie redet. Und darüber bin ich froh und dankbar. Jetzt sollte er nur wieder eine normale Linie in Sachen Alk bekommen, dann müsste ich mir seinetwegen keine Sorgen mehr machen. «Zu Hause hält sie sich meist in der Küche oder am Pool auf, wenn sie nicht gerade in ihrem Zimmer ist. Sie hat eine Halbschwester, Ana, die auch hier studiert. Dort bin ich noch dran.» Xander weiss mehr über Cass, da ich aber bei ihm sicher bin, dass er die Finger von ihr lässt, ist es auch nicht verwunderlich. «Alles klar. Sobald ihr mehr über ihre Schwester herausgefunden habt, gebt mir Bescheid. Etwas ist da faul und ich will so schnell wie möglich wissen was es ist.» Ich stehe auf und schiebe mir das Handy in die Hosentasche.
Ein Räuspern hält mich zurück. Xander kratzt sich am Hinterkopf dass seine Haare noch mehr auseinder stehen als sonst schon. «Sonst noch was?», will ich von ihm wissen und baue mich vor ihm auf. Nach einem kurzen Seitenblick zu Bishop, der im zustimmend zunickt, steht er auf. Achtung was kommt denn jetzt noch? «Ähm…naja…was Cass betrifft haben wir noch ein kleines Problem. Gestern habe ich gehört, wie sie nach Hause gekommen ist. Kurz darauf ging ich zu ihr rüber.» Harsch unterbreche ich ihn. «Und warum bitteschön warst du in ihrem Zimmer?» Ich explodiere gleich. «Ich war nicht deswegen dort Herrgott!» Xanders Stimme wird lauter und ich merke selbst, dass ich langsam aber sicher durchdrehe. Diese Frau macht mich wahnsinnig. Ich sollte ihr eine neue Wohnug besorgen, dann können wir alle wieder in den normalen Alltag wechseln. Diese Idee gefällt mir. Ich werde mich gleich nach dem Treffen mit Damon darum kümmern.
«Als ich in ihrem Zimmer war, sass sie auf ihrem Bett. Im ersten Moment habe ich mir nichts dabei gedacht, aber je näher ich ihr kam, desto mehr hat sie sich zurückgezogen. Ihr Gesicht…ihr Körper…fuck Pax…» Er fährt sich mit beiden Händen übers Gesicht. Meine Alarmglocken klingeln mir in den Ohren und alles andere um mich wird ausgeschaltet. Ich spüre wie sich mein Herzschlag bei der Vorstellung ihr könnte was passiert sein, so sehr beschleunigt, dass ich wahrscheinlich gleich einen Herzinfarkt kriege.
«Wo ist sie?» Ist das meine Stimme, die da so grollend im Zimmer wiederhallt? Ich wusste nicht, dass ich mich wie ein Dämon anhören kann. Aber Fuck, ich tue es tatsächlich. Sogar Bishop geht einen Schritt zurück, er der eigentlich immer von Finsternis umgeben ist. «Scheisse Xander! Wo ist Cass?» Jetzt schreie ich tatsächlich. Soweit hat sie mich schon gebracht, dass ich jetzt meine Kumpels anschreie. «In ihrem Zimmer. Aber ich komme mit dir.», bestimmt Xander einfach so und geht an mir vorbei zur Tür. «Ich gehe zur Uni. Meldet euch, wenn ihr was braucht.», sagt Bishop und ist schneller draussen als wir.
Ich laufe neben Xander die Treppe rauf zu den Schlafzimmern. «Was ist passiert?», will ich wissen und kann meine Wut und Unsicherheit nur schwer vor ihm verbergen. Ich hacke hier gleich alles kurz und klein. Er hält mit meinen schnellen Schritten mit. Er scheint völlig nüchtern zu sein. Keine glasigen oder geröteten Augen. Keine Alkfahne. Ich glaube es ist lange her, dass ich ihn so gesehen habe. «Sie will es mir nicht sagen. Ich habe sie gestern notdürftig verarztet…» Abrupt halte ich an und er rennt fast an mir vorbei. «Und warum in Gottes Namen bist du nicht mit ihr ins Krankenhaus gefahren oder hast mich gerufen?» Und ich schreie schon wieder. «Sie wollte nicht ins Krankenhaus und du warst nicht hier.» Ah ja stimmt, ich hatte Nachtschicht. Meine Müdigkeit ist wie weggeblasen. Ich war noch nie wächer als jetzt im Moment.
Er wendet sich von mir ab und geht auf die Zimmertüre zu. «Bitte, sei nachsichtig mit ihr. Sie wird sich dir nicht öffnen, wenn du sie mit Vorwürfen bombardierst.» Oh, ich werde sie schon zurechtstutzen. Wird Zeit, dass sie erfährt wo ihr Platz hier ist. Wenn sie so weiter macht, bringt sie nicht nur sich selbst sondern auch mich ins Grab. «Chill Xander. Ich bringe sie schon nicht um.» Noch nicht.
Leise klopft er an ihre Türe und schreitet kurz darauf hindurch. Ich folge mit kurzem Abstand. «Wie geht es dir Cass?», fragt Xander, während ich immer noch hinter seinem Rücken stehe. Ist eigentlich nicht mein Stil, aber seit sie mich in den Schlaf massiert hat, bin ich ihr aus dem Weg gegangen. Sie hat etwas in meinem Inneren berührt, dass mir nicht gefällt. Mir nicht gefallen sollte. Deshalb muss ich mich wappnen für das was jetzt auf mich zukommt. Ich hasse Überraschungen, vor allem wenn sie mit Leuten zusammenhängen, die mir irgendwie was bedeuten. Ja verdammt, Cass bedeutet mir was. Was auch immer das sein mag, ich hasse es wie die Pest.
«Besser. Danke.» Ihre Stimme klingt wie ein Krächzen und ein Schauder der schlechten Art durchfährt mich. «Ich habe dir jemanden mitgebracht.» Xander tritt zur Seite und mein Blick fällt sofort auf ihren Körper. Ihr kleiner Körper, der in ein Badetuch eingewicklet auf dem Bett liegt. Sie lehnt mit dem Rücken gegen das Kopfteil des Bettes. Ihr langes schwarzes Haar ist noch nass. Sie muss geduscht haben. Ihr Duft erfüllt den ganzen Raum und lässt mich träumen. Mein Blick bliebt auf ihrem Gesicht hängen und ich schwöre bei Gott, mein Herz hat gerade einen Riss bekommen. Es tut so weh in meiner Brust, das es einfach nur so sein kann. Ich spüre wie meine Finger zittern und ich mit den Zähnen knirsche. Mein Kiefer schmerzt, weil ich ihn so fest zusammenpresse, um nichts Dummes zu tun, wie auf sie zuzustürmen, sie fest umarme und ihr schwöre, dass ich jeden Wichser umbringe, der sich ihr nochmals nähert.
Aber nein, ich reisse mich zusammen und trete an den Bettrand. «Xander meint, du brauchst einen ärztlichen Rat?» Gott wie bescheuert das klingt. Als ob sie eine fremde Patientin ist. Auch sie scheint meine Unsicherheit zu bemerken und lächelt mich an. Naja, wenn man das lächeln nennen kann. Es sieht verdammt schmerzhaft aus mit dem geschwollen Auge und den ganzen blauen Flecken. Ist das Blut auf ihren Lippen? Ohne weiter darüber nachzudenken, gehe ich ums Bett herum und setze mich neben Cass. Wie von selbst fahren meine Fingerspitzen über ihr Gesicht. Ihr Gesicht, dass auch jetzt einfach immer noch so atemberaubend schön ist. Sie lässt mich gewähren.
«Wer hat dir das angetan Cass?» Meine vorher so grollende laute Stimme ist nur noch ein Flüstern. Als ob ich sie nicht verschrecken möchte. Sanft fahre ich über ihr gesamtes Gesicht und bleibe an ihren Lippen hängen, die sich nun leicht öffnen. Auf ihrer Unterlippe schimmert ein kleiner Blutfleck. Sie scheint sich selbst gebissen zu haben. «Xander, geh bitte runter und hol meine Arzttasche aus dem Büro.» Er nickt einverstanden zu und macht sich auf während ich mir Cass noch genauer anschaue.
Neben der Wunde auf ihrer Lippe, hat sie noch eine oberhalb ihrer Augenbraue. Ein Veilchen strahlt mir violett entgegen. Ihr Auge ist noch leicht geschwollen, aber es ist keine Verletzung die Folgen haben wird. «Ist das alles?», will ich von ihr wissen und habe Angst vor ihrer Antwort. Sie verneint und öffnet im selben Moment das Badetuch. Meine Kehle ist trocken wie die Saharawüste. Mein Blutdruck hat die 180er Marke überschritten und Mordgelüste kommen an die Oberfläche. Sie trägt schwarze Unterwäsche und der Bluterguss, der quer über ihren Bauch verläuft, hat fast die selbe Farbe. Auch ihre Beine weisen mehrere solche kleine Flecken auf. Ihre mintgrünen Augen mustern mich skeptisch. «Pax?» Ich bin wie in Trance. Wer auch immer ihr das angetan hat, wird sich wünschen nie geboren worden zu sein.
Eine sanfte Berührung holt mich zurück aus der Hölle in der ich gerade gefangen war. Cass legt ihre Fingerspitzen auf meine Wange und zieht mein Gesicht wieder nach oben. Unsere Blicke treffen sich und ich weiss nicht mehr was ich sagen soll. Gott sei Dank übernimmt sie das Reden für mich. «Es sieht schlimmer aus als es ist okay. Xander macht aus einer Maus einen Elefanten, ich…» Die Explosion durchfährt meinen ganzen Körper. Ich kann die Emotionen nicht mehr zurück halten. Ruckartig wende ich mich von ihr ab und stehe auf den Beinen. «Einen Elefanten?! Cass, hast du dich heute mal im Spiegel betrachtet?! Verdammte Scheisse nochmal! Du siehst aus wie durch den Fleischwolf gedreht! Fuck!» Ich raufe mir meine perfekt gestylten Haare und reisse mir dabei sicher ein oder zwei Strähnen raus. Meine Wut bricht aus mir heraus, ich trete gegen den Sessel neben dem Bett. Er kracht auf den Boden und mit Genugtuung höre ich wie ein Holzbein bricht. Ich spüre meinen Körper nicht mehr. Das einzige das noch zu existieren scheint, ist meine Wut auf den Menschen, der Cass weh getan hat. Das Feuer in mir ist entfacht und kann nicht gelöscht werden. Ich sehe rot und trette weiter auf den Sessel ein, der wahrschienlich nur noch als Brennholz dienen wird.
Zwei dünne Arme legen sich um meinen Bauch und zierliche Finger krallen sich an mir fest. «Bitte Pax. Hör auf!» Ihre Stimme scheint wie in Watte verpackt zu sein. Aber ich höre sie trotzdem. Ich würde sie überall hören. Meine Cass. Ich lasse vom Sessel ab und versuche meine Atmung wieder in einen gleichmässige Rhythmus zu bekommen. Ihre Arme um meinen Körper halten mich im Hier und Jetzt. Es dauert ein paar Minuten bis ich wieder bei Sinnen bin und mir bewusst wird, was ich gerade angestellt habe. «Ich kaufe dir einen neuen.» Der Griff um meinen Bauch wird fester. «Der Sessel ist mir scheissegal Pax. Bitte sieh mich an.» Ich kann ihre Bitte nicht ausschlagen und stosse den Atem laut aus, bevor ich mich zu ihr umdrehe und die Luft gleich wieder scharf einziehe.
Nur in ihrer Unterwäsche steht sie jetzt vor mir. Wäre die Situation eine andere, könnte ich den Anblick geniessen, aber ihr sichtlich geschundener Körper lässt meine Lust fast ganz erlöschen. Jetzt legt sie mir ihre Hände auf die Wangen. Ihre Augen verkeilen sich mit meinen. Ich kann nicht wegsehen oder mich bewegen. «Bitte glaube mir, wenn ich dir sage, dass es schlimmer aussieht als es ist.» Ergeben lasse ich meine Stirn an ihre sinken. Ihr Durft umhüllt mich und mein Herzschlag geht wieder langsamer. «Du bist mein Tod weisst du das?», flüstere ich ihr entgegen während sie über meine Wangen streicht. «Ich hoffe, dass du irgendwann anderer Ansicht sein wirst.» Was meint sie damit? Doch bevor ich ihr noch mehr Fragen stellen kann, geht die Türe wieder auf und Xander bleibt überrascht stehen, als er uns beide so eng aneinander stehen sieht. Er studiert unsere beiden Körper und fixiert dann den zerstörten Sessel am Boden. «Machen wir heute Abend ein Lagerfeuer? Ich hab noch ein paar Marshmellows.» Ich muss lachen. Nur Xander kann in so einer Situation einen Witz reissen und die Stimmung auflockern. Cass macht es mir nach und legt sich dann wieder aufs Bett.
Xander reicht mir die gewünschte Tasche und ich mache mich an die Arbeit und verarzte Cass so gut es geht. Ein paar Mal zuckt sie zusammen, als das Desinfektionsmittel ihre Wunden berührt, aber sie ist hart im nehmen. Sie übersteht alles. Die Verletzungen werden verheilen und sie wird keine Narben davon tragen. Ein paar Tage Bettruhe sind jedoch Pflicht und ich lasse nicht mit mir diskutieren. Die Platzwunde habe ich mit einem Pflaster versehen und ihr Bauch wird mit mehreren Eisbeuteln gekühlt. «Wirst du mir jetzt erzählen, wer das war?» Ich versuche es nochmal bei ihr, aber sie schüttelt wieder ihren Kopf. «Ich bin noch nicht bereit. Gebt mir Zeit.» Sie wird weiterhin schweigen und wir werden sie nicht umstimmen können, dafür kenne ich sie langsam gut genug. Aber ich werde nicht tatenlos zusehen. Ich werde meine eigenen Nachforschungen betreiben. Etwas werde ich herausfinden. Ich weiss nur noch nicht, ob es mir gefallen wird oder nicht.
«Alles klar Leute. Ich muss zur Uni.» Xander klatscht in die Hände. «Wenn was ist. Ruft an und sonst wäre ich wirklich dafür, das wir heute Abend ein Lagerfeuer machen. Seid ihr dabei?» Er denkt echt immer nur an Party. Einfach unbelehrbar. Cass muss lachen und ich denke, dass ihr eine solche Ablenkung eigentlich ziemlich gelegen kommt. Ihretwillen hebe ich ergeben die Hände nach oben. «Wie ihr wollt. Ich habe noch einen Termin…» «Nein Alter du bist dabei. Du hast dich lange genug in deinem Schneckenhaus verkrochen. Wird Zeit, dass du wieder mal rauskommst.» Diesmal schüttle ich meinen Kopf. «Ist schon okay, ich habe…» Cass legt ihre Hand auf meinen Unterarm und lässt mich wieder erstarren. Wie macht sie das bloss jedesmal? «Komm schon Pax. Für mich.» Sie schenkt mir einen verführerischen Wimpernaufschlag. Es sieht richtig süss aus mit einem geschwollenen Auge. Süss, auch so ein Wort das eigentlich nicht in meinem Wortschatz vorkommt. Bettelnd sieht sie immer noch zu mir auf. Wie soll ich den so einem Hundeblick widerstehen. «Mh..na schön. Aber ich bleibe höchstens eine Stunde. Dann bin ich weg.» Wieder klatscht Xander mit den Händen und macht sich davon.
Sobald die Türe hinter ihm geschlossen ist, reckt sich Cass mir entgegen und legt ihre Hände um meinen Nacken. Es kribbelt an meinem Rücken bis zu meinem Steissbein. «Danke.» Sie presst mir einen kurzen Kuss auf die Wange und legt sich zurück aufs Bett. «Holst du mich heute Abend ab?» Was soll ich jetzt bloss sagen? Ich will nicht, dass sie denkt, dass wir ein Date haben. Oder sonst was. Fuck! Klar will ich ein Date mit ihr, aber das kann ich ihr niemals stecken. Schnell erhebe ich mich. «Ähm ich denke es wäre besser wenn wir uns einfach dann unten treffen.» Neben dem Poolbereich haben wir vor etwa einem Jahr eine Feuerstelle eingerichtet. Sie wird zwar nicht häufig benutzt, aber ist ein schönes Nice to Have. «Ich weiss nicht genau, wann ich hier sein werde, also.» Ohne ihre Antwort abzuwarten, renne ich schon fast aus ihrem Zimmer und schliesse die Türe so schnell wie möglich hinter mir. Boah Alter, was geht ab? Ich war so nahe dran sie aufs Bett zu drücken und ihre verletzte Lippe mit meinen Zähnen wieder aufzureissen, damit ich endlich ihr Blut schmecken kann. Ich bin sowas von abartig. Aber ich kann einfach nicht abstreiten, dass mich ihre blutroten Lippen dermassen angeturnt haben, dass sie mir wahrscheinlich für Wochen als Wichsvorlage dienen werden. Gottverdammt!
Ich bin sowas von am Arsch!





Das Ivy Inn ist an diesem Abend sehr gut besucht. Viele Studenten treiben sich heute hier herum. Als ich durch die Bar schreite, nicke ein paar bekannten Gesichtern zu und gehe dann zur Theke. Damon sitzt bereits dort und hält mir einen Stuhl frei. «Hallo D.» Ich schüttle ihm die Hand und setze mich neben ihn. «Hey Pax. Alles gut?» Ich bestelle mir einen Whisky. «Klar. Bis auf das Übliche.» Da so viele Leute um uns herumwuseln, können wir nicht offen über unser Geschäft reden, aber das war für heute Abend auch nicht geplant. Damon meinte, dass er noch ein paar Infos für mich hat und er sie mir übergeben würde. Ein Umschlag liegt bereits neben seinem Bier, welches er jetzt mit einem grossen Schluck leert. Er schiebt mir den Umschlag über den Tresen entgegen. Ich falte ihn zusammen und stecke ihn mir in die Innentasche meines Jackets. «Darin findest du alles was du zum Fall von gestern Nacht wissen musst.» Der Kellner stellt mein Glas vor mir ab und Damon bestellt sich noch ein Bier. Wir wollen ja den Anscheinen wahren, dass wir zwei nur für einen Drink hier sind.
Früher hat mein Vater für Damon gearbeitet. Naja, was heisst hier arbeiten? Er hat das gleiche gemacht wie ich jetzt, nur im grössern Stil. Mein Dad war seine rechte Hand, bis er vor zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam. Meine Mutter habe ich nie kennengelernt. Dad meinte es sei auch besser so, da sie nur eine undankbare Strassennutte war. Seine Worte, nicht meine. Nach dem Tod meines Vaters, habe ich einiges an Geld und Immobilien geerbt. Ja, er war kein kleiner Fisch in diesem Business. Die Situation damals hat mich ein bisschen überfordert und Damon hat sich mir angenommen. Er hat mich in seine Welt eingeführt und mich soweit gebracht, wo ich heute bin. Ohne ihn würde ich wahrscheinlich heute nicht mehr hier sein. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich schulde ihm mein Leben und nur deswegen verticke ich einen Teil seiner Drogenlieferung auf dem Campus.
«Wer war eigentlich die Kleine, die gestern mit dem Motorrad in eurer Garage war? Sieht heiss aus.» Und wieder brodelt es tief in mir. Ich kann es nicht ausstehen, wenn jemand anderes Cass abcheckt. Aber genau dieses Brodeln bringt mich auf eine Idee, die ich heute schon einmal hatte. «Cassandra Thomas. Sie wohnt bei uns.» Verblüfft hebt Damon seine Augenbrauen nach oben. «Ach du Scheisse! Und, wie geht sie ab?» Was? Fuck, auch wenn ich wüsste, wie sie abgeht, würde ich es sicher nicht Damon oder sonst wem auf die Nase binden. Ich krieg die Krise. «Keine Ahnung.», sage ich schlicht und widme mich wieder meinem Drink. Ich muss hier so schnell wie möglich wieder raus. «Hat sie einen Freund?» Laut knallt mein Glas auf dem Tisch und ich drehe mich zu Damon um. «Scheisse Damon, du könntest ihr Vater sein verflucht nochmal! Kannst du dir nicht jemanden in deinem Alter suchen!» Er lacht auf und gönnt sich einen Schluck von seinem neuen Bier. «Boah Pax Junge, komm runter. Ich wollte dich nur aufziehen. Mir war ja nicht klar, dass du in die Kleine verschossen bist.» Ich bin nicht in sie verschossen! Klar rede dir das nur weiter ein. Ich hole meine Brieftasche heraus und werfe ein paar Scheine auf die Bar. «Ich hau ab. Sobald ich die Unterlagen durch hab, melde ich mich.» Ohne die Chance, dass er auf meinen schnellen Abgang reagiere kann, stürme ich durch die Menschenmenge und kann erst wieder richtig atmen, sobald ich durch die Eingangtüre nach draussen stolpere.
Ich muss eine andere Wohnung für Cass suchen. Das darf so nicht weitergehen. Ich bin nur noch ein Schatten meinerselbst. Heute Abend werde ich sie davon überzeugen müssen, dass sie bei uns am falschen Platz ist und ich weiss auch schon, wie ich sie dazu bringen kann ihre scheissgeilen Beine in die Hände zu nehmen und weit weit weg zu rennen.



Beautiful LIARWo Geschichten leben. Entdecke jetzt