Paxton
«Ihr hattet verdammtes Glück.» Und ich hoffe, dass es Damon diesmal dabei belässt. Der Zwischenfall auf der Party ist jetzt eine Woche her. Xander hat Thomas so krass bearbeitet, dass er ins Krankenhaus musste. Diagnose war eine gebrochene Nase und eine Blutung im Kopf. Er wird jedoch keine bleibenden Schäden davontragen. Ich habe ihn danach so lange bequatscht, dass er von einer Anzeige abgesehen hat. Xander hat ihn dann auch als Zwischenmann aus dem Verkehr gezogen. Was jetzt mit ihm passiert, ist nicht mehr unser Problem. Natürlich mussten wir Damon Rede und Antwort stehen und er war, milde ausgedrückt, nicht begeistert. Aber ich finde, dass Xander jetzt genug davon gehört hat, wie er es besser hätten machen können und so weiter und so weiter. Und ganz ehrlich, ich hätte es genau gleich gemacht.
Ana hat sich erstaunlich gut erholt und ist nach zwei Tagen wieder in ihre Kurse gegangen. Es wurde natürlich auf dem Campus darüber geredet, aber Ana scheint das am Arsch vorbei zu gehen. Da scheint sie wie ihre Schwester zu sein. Knallhart.
Wir halten auf dem Parkplatz neben einem hohen Bürogebäude. Hier waren wir noch nie. Damon meinte, dass wir uns heute noch mit einem seiner Partner treffen würden. Wer auch immer das sein mag. Es wird darüber entschieden, wie es mit der nächsten Lieferung weitergehen wird. Ich stelle den Motor aus und gehe um den Wagen herum.
«Ist das nicht Cass Maschine?», fragt mich Bishop und zeigt auf ein schwarzes Motorrad, welches zwei Plätze weiter hinten steht. Ich sehe es mir an, bin aber sicher, dass Cass heute den ganzen Tag Vorlesungen hat. Also schüttle ich den Kopf und gehe mit den anderen Richtung Eingang. «Nein, sie hat Schule.» Wir stehen vor der grossen Türe an deren Seiten zwei breitgebaute Türsteher uns den Zutritt verweigern. Der Typ links drückt gegen sein Ohr und ich erkenne, dass es eine Art Walkie Talkie sein muss. Er löst seine Hand und tritt zur Seite, damit wir hindurchgehen können. Damon übernimmt die Führung und wir folgen ihm. Alles hier ist in Weiss gehalten. Da muss jemand einen kleinen Fetisch haben oder sonst einen kranken Tick. Naja, jedem sein Geschmack.
Vor einer Türe, die natürlich auch weiss ist, hält Damon an und klopft zweimal. Ohne eine Antwort abzuwarten, betätigt er die Klinke und wir gehen durch. Auch hier in diesem grossen Büro ist alles weiss. Ich kriege schon jetzt fast Augenkrebs von der ganzen Scheisse. Vor der grossen Fensterfront steht ein Mann, der uns den Rücken zugewandt hat. Als wir näher kommen, dreht er sich um und mir bleibt kurz das Herz stehen. Dimitri Nikitin. Ich erinnere mich an ihn. Zwar habe ich ihn nur einmal gesehen, aber seine gesamte Erscheinung ist so einnehmend, dass man ihn nicht vergessen kann. Er kommt um den Tisch herum, reicht zuerst Damon seine Hand und macht dann bei uns weiter. «Bitte meine Freunde, setzt euch.» Sein russischer Akzent ist unverwechselbar. In einer Reihe nehmen wir vor ihm Platz. Damon links von mir, Bishop und Xander auf der rechten Seite.
Ohne Umscheife kommt Dimitri sofort auf den Punkt. «In der letzten Zeit gab es vermehrt Probleme mit gestrecktem Stoff. Sowas wirkt sich sehr auf den Umsatz aus und das gefällt mir ganz und gar nicht.» Er sitzt auf seinem Stuhl und falltet die Hände zusammen. «Uns gefällt das genauso wenig wie dir mein Freund.» Damon übernimmt das Reden. «Aber in den letzten Wochen gabe es keine Zwischenfälle mehr.» Interessiert wendet sich Dimitri an ihn. «Und du denkst, damit hat es sich erledigt? Wer ist die Ratte, die dafür veranwortlich ist?», will er wissen und das ist etwas, dass wir immer noch nicht mit Sicherheit wissen. Damon zieht sie Schultern nach oben. «Das ist doch egal. Hauptsache wir haben keine Probleme mehr oder.» Schwitzt er etwa? Seine Stirn glänzt und ich kann sehen, wie sein Kinn zittert. Was ist los mit ihm?
Dimitris Mundwinkel wandern nach oben. «Ich denke, dass wir eine Spur haben und ich möchte dieser sehr gerne nachgehen.» Auf seinem Tisch drückt er auf einen Knopf und ein Summer ertönt. Er sagt etwas auf Russisch und lässt den Knopf wieder los. Die Türe durch die wir vorhin gekommen sind, wird geöffnet und zum zweitem Mal heute muss ich kontrollieren, ob mein Atem noch funktioniert. Der Typ der reinkommt, trägt einen schwarzen Anzug, darunter ein schwarzes Hemd. Sein Schädel ist kahl rassiert und wenn man in seine Augen sieht, hat man das Gefühl, dass einem der Tod entgegenblickt. Sergei Petrow. Was geht hier ab?
Er schreitet durch den Raum, stellt sich neben Dimitri und nickt ihm zu. Eine weitere Sekunde verstreicht und als eine weitere Türe neben uns geöffnet wird, kann ich hören, wie Bishop und Xander erschrocken aufkeuchen. Ich kann fühlen, wie die ganze Farbe aus meinem Gesicht verschwindet, mir wird schlecht. Sie trägt rote High Heels, ein enges rotes Cocktailkleid. Ihre schwarzen Haare fallen in grossen Wellen über ihre Schultern und schmiegen sich an ihre Brüste. Ihre roten Lippen sind zu einer schmalen Linie gepresst. Cass.
Sie kommt auf uns zu und gerade als ich denke, dass sie sich uns anschliesst, wendet sie sich zu Dimitri. Er rollt mit dem Stuhl zurück und sie setzt sich auf seinen Schoss. Ihr Blick ist auf sein Gesicht gerichtet und ich bin kurz davor hier alles kleinzuschlagen. Mein Blick wandert ungläubig zu Bishop und Xander. Und auch sie sind auf Cass fixiert und scheinen die Welt nicht mehr zu begreifen. Wahrscheinlich werden wir heute erfahren, was sie uns verheimlich hat. Ich war so blöd. Wie konnte ich je davon überzeugt sein, dass sie zu uns gehören würde. Wenn ich jetzt eine Knarre hätte, würde ich mich selbst erschiessen. Sie sagt kein Wort. Und so unterwürfig, wie sie Dimitri ansieht, erkenne ich sie nicht wieder. Was ist mit ihr passiert? Der Wichser lässt seine Hand über ihre Taille wandern und hält sie an ihrem Bauch gegen seine Brust gedrückt. Ich kotze gleich. «Wie ich euren Blicken ablesen kann, kennt ihr Cassandra.» Wie er ihren vollen Namen ausspricht, lässt meine Nackenhaare steil nach oben stehen. «Damon und ich haben uns entschieden, dass es besser wäre, wenn wir die Ratte auf frischer Tat ertappen. Deshalb haben wir Cassandra zu euch geschickt, damit sie für uns herausfindet, wer ein falsches Spiel mit uns spielt.» Okay, die Galle hat sich bereits bis ganz nach oben geschlichen. «Das ist nicht dein verdammter Ernst oder?!», zischt Bishop meine unausgeprochene Frage in den Raum. Kurz huscht Cass Blick zu ihm und heftet sich dann wieder an Dimitri fest. Sie zittert. Hat sie Angst? Bishop sieht neben mir zu Damon. «Und du hast bei dieser Kacke mitgemacht?» Dieser schlägt unbeeindruckt seine Beine übereinander. «Es war die einzige Möglichkeit die Wahrheit herauszufinden.» Xander stemmt sich auf die Füsse. «Du hättest uns auch einfach fragen können.» Er geht um den Stuhl herum und will das Büro verlassen, doch Sergei ist schneller und stellt sich ihm in den Weg. «Setz dich!» Ich kann sogar von hier aus sehen, dass Xanders Körper voller Wut zittert. Bishop neben mir mahlt hörbar mit dem Kiefer. Sein Blick ist auf Cass geheftet. Hier wird gleich ein Drama passieren.
Xander kommt zurück und lässt sich auf den Sessel fallen. «Du verdammtes Miststück.» Seine Worte sind hart und sie verfehlen ihre Wirkung nicht. Cass zuckt zusammen und ihre Augen werden wässerig. Sie greift in ihr Dekoletté und holt einen Zettel heraus. «Cassandra hatte Kontakt mit eurer Ratte. Leider konnten wir ihn bisher nicht erreichen. Wer weiss, vielleicht haben wir heute mehr Glück?» Seine Worte kommen schon fast amüsiert zu uns rüber. Was er mit dieser Show bezwecken will, ist mir schleierhaft. Sergei stellt sich hinter Cass und legt seine Hand auf ihre Schulter. Wir drei fangen gleichzeitig an zu knurren. Auch wenn sie uns verarscht hat, soll kein anderer Typ sie anfassen, vor allem er nicht. Ob er wirklich ihr Ex ist? Wahrscheinlich war auch das eine glatte Lüge. Zufreiden lächeln Dimitri und Sergei sich an. Selbstgefällige Arschlöcher!
«Es ist faszinierend zu sehen, was unsere kleine Cassandra alles ins Rollen bringen kann nicht wahr?» Ich schwöre bei Gott, ich poliere ihm seine Fresse. Sergei beugt sich herunter und fährt mit der Zunge über ihren Hals. Die Wut in mir erreicht einen nie geahnten Höhepunkt und ich kralle mich am Sessel fest, damit ich mich nicht auf ihn stürze. Cass Lippen zittern und mir wird langsam klar, dass sie das hier nicht freiwillig macht. Was haben diese Typen gegen sie in der Hand? Dimitri reicht Cass ein Handy und sie fängt an die Nummer auf dem Zettel einzutippen. «Diese Nummer gehört zu dem Typen, der Cassandra den gestreckten Stoff verkauft hat.» Sie tippt weiter und drückt dann auf die Anruftaste. Sie legt sich das Handy ans Ohr und wir lauschen.
Ich bin mir sicher, dass ich gerade einen Herzinfarkt habe. Neben mir klingelt es und ich habe diesen Ton noch nie gehört. Erschrocken starren wir alle zu Xander. Auch er ist überrascht, dass es in seiner Jackentasche läutet. Was geht denn jetzt bitte ab? Er greift hinein und holt ein mir unbekanntes Handy hervor. Sein Blick wandert zu Cass. Sie sehen sich lange in die Augen, bis er mit einem Wischen den Anruf entgegennimmt. Sein Blick bleibt weiterhin auf Cass.
«Ja.», sagt er in den Hörer und in dem Moment, als Cass die Augen schliesst, weiss ich, dass wir am Arsch sind.
3
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Beautiful LIAR
RomanceUm die Schulden ihrer Schwester zu begleichen, verpflichtet sich Cass dem russischen Mafiaboss Dimitri Nikitin. Ihr nächster Auftrag führt sie nach Amerika. Genauer an die Princeton University in New Jersey. An der Elite-Uni werden Drogen, die von...