12. »Allein. Lieber allein.«

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»Oh! Das ist ja eine Überraschung!«

»Samtherz! Was machst du denn hier?« Die schwarze Kriegerin schnurrte fröhlich, als sie den weißen Kater sah; Birkenpfote hingegen schien sie kaum zu bemerken.

Hinter ihr trabten ihre Brüder her. Als sie Samtherz sahen, seufzten sie. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen musterten sie die beiden und nickten dann Birkenpfote zu, als sei es das Natürlichste der Welt, dass er mit Samtherz jagen ging; mit einem Krieger, mit dem er bisher vielleicht fünfmal ein Wort gewechselt hatte, und viermal davon sicher, als er noch ein Junges gewesen war.

Birkenpfote seufzte. Ob er sich mit seinen Geschwistern noch so gut vertragen würde, wenn sie erst einmal Krieger waren? Erst recht, wenn sie alle Gefährten hatten?

Er schüttelte den Kopf. Eine Gefährtin zu haben kam ihm seltsam vor.

»... und da wollte ich mal nachschauen, ob das wirklich so ist. Und was machst du hier?«

»Oh, wir wollten einmal wieder jagen. Seit die zwei ihre Schüler haben...« Krähenflügel seufzte. »Dem SternenClan sei Dank muss ich mich nicht um so etwas kümmern.« Der Höflichkeit nickte sie Birkenpfote zu, wandte aber den Blick von Samtherz nicht ab. Wie eine Maus vor der Schlange hefteten ihre Augen auf ihm, starr, reglos und riesig; fast, als wollte sie ihn verschlingen.

Birkenpfote erschauerte. Was für eine unheimliche Vorstellung, von Krähenflügel gefressen zu werden. Dohlenkralle schnurrte leise, als er seinen Gesichtsausdruck bemerkte, und musste sich abwenden.

Eine Weile herrschte Stille. Dohlenkralles Schnurren wurde lauter, Samtherz' Ohren zuckten, Krähenflügel blinzelte zum ersten mal, seit sie sich getroffen hatten. »... na gut.« Sie lächelte. »Dann bis ... später

Er nickte langsam. »Dann bis ... später

Und niemand ging.

»Gut, gehen wir.« Rabenfeder war der erste, der das Schweigen unterbrach. »Euch beiden noch viel Spaß«, sagte er und schwieg darüber, wen er meinte.

»O...okay. Wir wollten jagen.« Der Krieger schüttelte den Kopf, als wolle er eine lästige Fliege loswerden, hielt dann plötzlich inne, drehte sich um, kniff die Augen zusammen, hielt inne, drehte sich zurück und schüttelte noch einmal den Kopf. »Jagst du lieber zusammen oder-«

»Allein. Lieber allein.« Birkenpfote lächelte matt. »Da kann man sich besser konzentrieren.«

Und er musste nicht mehr über dieses seltsame Verhalten grübeln.

»Finde ich auch. Gut.« Er nickte. »Dann, sagen wir ... in einer Maus treffen wir uns wieder hier?«, er warf einen Blick in den Himmel, »oder bei Sonnenuntergang?«

»Bei Sonnenuntergang.«

»Gehst du dort hinter, in Richtung Wald, und ich in Richtung Klippen?«

Birkenpfote nickte.

»Dann ... ist ja alles geklärt.« Samtherz nickte, hielt inne, kniff die Augen zusammen, starrte einige Herzschläge lang ins Nichts, fuhr dann abrupt hoch und nickte noch einmal, wie zur Bestätigung. »Gut. Dann bis gleich. Und viel Erfolg.«

»Dir auch.«

In Richtung Wald also. Birkenpfote seufzte. Er hatte nicht das Gefühl, sonderlich viel fangen zu können, aber vielleicht war es im Wald einfacher - dort gab es mehr Deckung; mehr Schatten und weniger Licht.

Und weniger seltsame Katzen, die sich ewig anstarrten und dann irritiert blinzelten, nur, um-

Er hielt inne, spitzte die Ohren.

Ein Rascheln.

Die Welt um ihn herum bebte nur vor Rascheln; überall waren Mäuse, allein von hier aus konnte er drei hören, zwei links, eine rechts, und alle zu weit weg und zu aufmerksam, um sie zu fangen.

Aber dieses Rascheln...

Dieser Geruch...

Das...

Vorsichtig spitzte er die Ohren, schloss die Augen, lauschte.

Das war keine Maus - nein, das war eine Katze, ganz eindeutig. Die Pfoten waren zu groß, die Schritte zu weich.

Blitzartig riss er die Augen auf, sah sich um - niemand. Vor ihm, neben ihm, hinter ihm und überall, wo er sehen konnte, war nichts als Gras; hohes, sanftes Gras, das ihm bestimmt bis zur Schulter reichte. Hoch genug, um sich darin zu verstecken; zu niedrig, um nicht trotzdem von den Mäusen entdeckt zu werden, die jedes noch so kleine Geräusch hörten. Vor allem dieses Rascheln.

Da war es schon wieder.

Birkenpfote spannte die Muskeln an. Das letzte mal war er schon belauscht worden, ohne herauszufinden, von wem; dieses mal würde er sich nicht so leicht geschlagen geben. Vorsichtig duckte er sich, tauchte ein im Gras der Weite, drückte sich auf den Boden und lauschte.

Es kam von links, einige Katzenlängen von ihm entfernt. Wenn er sich ungeschickt anstellte, würde er noch entkommen können - wie das letzte mal.

Aber er hatte nicht vor, sich ungeschickt anzustellen.

Langsam setzte er eine Pfote vor die andere. Das Rascheln hatte aufgehört, es herrschte Stille. Der Wind fuhr sanft über die Wiesen und ließ das Gras tanzen, hier und da huschte eine Maus vorbei; sonst war es still.

Eine Pfote vor die andere, ganz leise.

Zögern. Lauschen.

Da war es wieder, etwas weiter links als erwartet.

Eine Pfote vor die andere, ganz leise. Er schloss die Augen, lauschte. Ja, da war etwas.

Vorsichtig noch einen Schritt, noch einen, zwei hintereinander, innehalten.

Kein Rascheln mehr, aber er erinnerte sich noch daran, wo es gewesen war.

Noch ein Schritt. Noch einer.

Da, wieder. Rascheln. Leiser als zuvor, aber näher.

Birkenpfote spannte die Muskeln an, schätzte den Sprung ab, und-

»Ach, du bist es!«

Er schrak zusammen, verlor beinahe das Gleichgewicht und taumelte zurück. Unfähig, etwas zu sagen, öffnete er den Mund und blinzelte irritiert, als er seine Schwester auf ihn zukommen sah.

»Aber was habe ich auch erwartet. Niemand sonst hat ein so gutes Gehör, um uns bemerkt zu haben. Wir üben nämlich gerade Anschleichen, weißt du. Ich bringe es ihm bei, und er ist wirklich gut darin.« Sie schnurrte, schnippte mit dem Schwanz, zögerte kurz, drehte sich um und neigte den Kopf. »Jetzt komm' schon. Es ist nur mein Bruder. Und er hat dich sowieso schon bemerkt.«

»Was...« Weiter kam er nicht - erstarrte mitten im Satz.

Tupfenherz?

WarriorCats - Frühling (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt