19. »Wollen wir jagen gehen?«

19 3 0
                                    

»Ich brauche deine Hilfe.«

Es war eine eher spontane Idee gewesen. Sie waren fast allein auf der Lichtung - die Sonne hatte gerade ihren Höhepunkt erreicht und die meisten Katzen lagen schlafend in ihren Nestern oder waren am Fluss. Wolfspelz hatte sich eine Maus genommen und an den Lagereingang gelegt - Samtherz saß am Rand des Ältestenbaus; im trockenen Halbschatten, gerade nah genug, um nicht in der Sonne zu sitzen, aber weit genug entfernt, um noch den Wind zu spüren, der durch das Lager zog. Nicht einmal Regenpelz war zu sehen; es war still auf der Lichtung.

Samtherz richtete sich ein wenig auf. »Birkenpfote. Setz' dich doch. Wollen wir uns eine Maus teilen?«

»Ich habe schon gegessen. Und es ist etwas Wichtiges.«

»Du hast noch nichts gegessen.« Der weiße Krieger erhob sich, tappte zum Frischbeutehaufen, nahm eine Maus herab und ließ sie vor dem Schüler fallen. »Dohlenkralle hätte nicht gewollt, dass du seinetwegen verhungerst.«

»Dohlenkralle ist tot.«

Samtherz neigte den Kopf. »Ja. Aber das ist kein Grund, auch zu sterben.«

»Halbherz ist auch tot.«

Beide Kater sahen sich in die Augen.

»Farnblatt meint, sie hätte keinen Fuchsgeruch erkannt«, sagte Birkenpfote, ohne zu blinzeln.

Samtherz erwiderte seinen Blick. »Wollen wir jagen gehen?« Er kniff die Augen zusammen und senkte die Stimme. »Und ich meine keine Mäuse.«


Wenn man ihnen nicht begegnen wollte, schienen sie überall zu sein; aber wenn man nach ihnen suchte, waren sie nirgends zu finden.

Das erste mal, als er die Eiskatze gesehen hatte, war in der Nähe der Hügel gewesen - damals hatten Rabenfeder, Krähenflügel und Dohlenkralle ihm und seinem Bruder das Territorium zeigen wollen. Sonderlich weit waren sie danach zwar nicht mehr gekommen, aber zumindest hatte er sich alles genauestens merken können: Die Formatierung der Bäume, das Gelände, die Büsche, das Gras. Es war wirklich erstaunlich, wie viel man wahrnahm, wenn man um sein Leben rannte.

Das zweite mal war in der Nähe des Quers gewesen. Er hatte mit Rattenpfote und Lärchenpfote klettern üben sollen - stattdessen hatte er sich auf einen Ast gesetzt, die Augen geschlossen und die Herzschläge gezählt, bis es vorbei war. Manchmal träumte er immer noch davon - wie er dort saß, auf einem der tausend Bäume, im Dunkeln, bei Wind, Kälte und Schnee, die Augen geschlossen, und die Zeit zählte. Und Zeit war grausam: Wenn man sich nichts mehr wünschte, als dass sie vorbei gehe, zog sie sich bis in die Unendlichkeit in die Länge; bis ein Herzschlag ausreichte, Tage zu erleben.

Damals hatte er noch geglaubt, die Katzen seien aus einer anderen Welt. Er hatte gedacht, sie würden leben - in ihrer anderen Welt. Er hatte gedacht, sie würden leben und atmen und essen und schlafen wie die Katzen seiner Welt, der eigentlichen Welt.

Und vor allem hatte er gedacht, sie könnten ihn berühren. Ihm schaden. Ihn töten, vielleicht.

Gut, sie konnten ihn verrückt machen. Aber das zählte nicht so richtig.

Abgesehen davon konnte das nicht einmal die Eiskatze. Jedenfalls nicht, wenn sie nicht da war.

WarriorCats - Frühling (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt