20. »... selbst wenn es euer Leben kostet?«

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»Ich, Borkenstern, Anführer des Clans, rufe meine Kriegerahnen an und bitte sie, auf diese Schüler niederzuschauen. Sie haben hart gearbeitet, um eure Gesetze zu erlernen. Möget ihr sie als Krieger willkommen heißen.«

Birkenpfote schloss die Augen und versuchte, sich diesen Augenblick ganz fest im Gedächtnis zu halten - was gar nicht so einfach war, denn sein Kopf quoll nahezu über vor Dingen, die er nicht im Gedächtnis halten wollte; vor Dingen, die sich einfach an ihn hefteten wie lästige Kletten, Dinge, die da waren und da blieben, ohne gefragt zu haben und ohne gewollt zu sein.

Und wer wusste es nicht, dass sich solche Dinge besser hielten als das wirklich Wichtige.

Er würde Krieger werden. Ein richtiger Krieger; was für eine sonderbare Vorstellung. Irgendwie hatte er das Gefühl, etwas müsste sich ändern; irgendetwas müsste in ihm wachsen, oder besser noch, plötzlich einfach da sein, und dann wäre er erwachsen; als gäbe es etwas, etwas in ihm, das ihn plötzlich erwachsen machen konnte, so plötzlich, wie er kein Schüler mehr war.

Aber da war nichts. Und je näher er seinem neuen Namen kam, umso weniger hatte er das Gefühl, dass da noch irgendetwas kommen würde. Wahrscheinlich wurde er nur Krieger, weil Blattpfote und Tannenpfote bereit dazu waren, und weil man sie nicht mehr länger warten lassen konnte.

Er biss die Zähne zusammen.

»Tannenpfote, Blattpfote, Birkenpfote. Versprecht ihr, das Gesetz der Krieger zu ehren und dem Clan zu dienen - selbst wenn es euer Leben kostet?«

Seine Schwester straffte sich selbstbewusst. Ihr Blick huschte kurz zu Tupfenherz, ehe sie sich selbst dabei ertappte und wieder Borkenstern fixierte, als wolle sie ihn aufspießen. »Ich verspreche es«, sagte sie mit fester Stimme.

»Ich verspreche es«, wiederholte Blattpfote. Birkenpfote konnte ihm ansehen, wie sehr er versuchte, selbstbewusst wie seine Schwester zu sein - und dabei scheiterte. In seinem Blick lag pure Angst, und dieselbe sonderbare Unsicherheit, die er schon seit Tagen in ihm bemerkt hatte - dieser unsichere Blick über die Schulter, die ständig müden Augen...

»Ich ... ich verspreche es auch«, sagte Birkenpfote etwas spät, aber hastig, und lächelte entschuldigend.

Ein paar Katzen schnurrten leise. Zu angespannt, um ehrlich zu sein, aber zu gezwungen, um unhöflich zu wirken. Borkenstern zuckte mit den Schnurrhaaren. »Dann gebe ich euch nun, Kraft des SternenClans, eure Kriegernamen. Tannenpfote.« Er neigte den Kopf. »Der Clan ehrt deine Neugier und Stärke, die du von Hasenzahn erlernt hast. Dein Name soll Tannenblüte lauten, zu Ehren deiner Sanftheit.« Er berührte die Schülerin sanft an der Schulter. »Halte ihn in Ehren.«

»Tannenblüte! Tannenblüte!« Der Applaus war unsicher. Das Lager schien zu beben - doch eher die Herzen als die Worte, die sie riefen. Birkenpfote sah sich um, den Pelz halb gesträubt; zu nervös, um zu denken. Seine Augen suchten die Kriegerschar ab; alle waren da, selbst Frühling war gekommen - nur ein Krieger fehlte. Wo war Samtherz denn nur? Hasenzahn hatte ihn auf eine Patrouille geschickt, und Wolfspelz und Farnblatt hatten ihn doch noch vor kurzem gesehen - wo blieb er also? Hatte er etwa vergessen, dass...?

»Blattpfote.« Borkenstern schnippte mit dem Schwanz. »Wir ehren deine Entschlossenheit und deine Entscheidungskraft, deine Stärke und Schnelligkeit. Dein Name wird Blattwind lauten, ›Wind‹ für deine Geschmeidigkeit in der Jagd und deine vorsichtige, höfliche Art. Halte ihn in Ehren.«

»Blattwind! Blattwind! Blattwind!«

Bald würde sein Herz platzen. Birkenpfote schluckte. Sie trugen so wunderschöne Namen. Wie würde seiner nur lauten? Hoffentlich nicht Birkenfell. Oder Birkenschweif. Oder Birkenteich, oder so etwas verrücktes wie-

»Birkenpfote!« Oje. Oje. Oje. »Wir wissen um dein Geschick, aber vor allem kennen wir alle deinen Sanftmut und wir ehren ihn. Dein Name wird Birkenherz lauten. Halte ihn in Ehren.«

Birkenherz. Birkenherz! Herz! Seine Ohren schossen in die Höhe. Wie Samtherz! Oder Tupfenherz! Oder Regen...

... warum gab es eigentlich so viele Katzen im Clan, die ›Herz‹ in ihrem Namen hatten?

»Birkenherz! Birkenherz!«

Er lachte. Birkenherz! Sein Herz trommelte wie wild. Birkenherz! Unfassbar! Was für ein schöner Name. Bestimmt der beste, den er sich hätte ausdenken können, der beste Name dieser Welt; ja, selbst, wenn man die andere Welt dazuzählte.

Oh, wie glücklich er war, in diesem Moment; im glücklichsten Moment seines Lebens.

Denn ab diesem Augenblick fiel er. Fiel und fiel immer tiefer und er konnte nicht anhalten, egal, was er auch versuchte, er fiel und fiel immer weiter.

WarriorCats - Frühling (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt