„Da ist das kleine Übel."

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Auf dem Weg zum Gemeinschaftsgebäude, in dem das Abendessen stattfindet, stopft Feli Mai eine Ladung Blätter in ihren Pullover. Während Mai sich noch windet und beim Versuch die Blätter rauszubekommen, eine perfekt Akrobatikvorstellung liefert, flüchtet Feli. Also sind sie jetzt wohl quitt. Mai sieht das anders. In ihren dunklen Augen glitzert das Verlangen nach Rache. Sie trennt sich tatsächlich ein paar Minuten von ihrem Pullover, um diesen auszuschütteln. Darunter trägt sie ein enges, schwarzes Top, dass sie in ihren fluffigen Rock gestopft hat. So sieht man Mai sehr selten, obwohl ihr die enge Kleidung richtig gutsteht.

Nachdem sie wieder in ihr Sweatshirt geschlüpft ist, zieht sie Kathrin zu sich rüber.

„Sag mal, hat Feli zufällig Angst vor Insekten. Spinnen, oder Kröten vielleicht? Oder irgendwas anderes."

„Nun. Ja..."

Kathrin druckst herum. Sie versucht sich aus der Fehde zwischen unseren Freundinnen herauszuhalten. Aber jetzt klammert sich Mai mit Oktopus Armen an sie, um alles über Felis Schwachstellen zu erfahren. Dem ist nicht leicht zu entkommen und ich gönne Kathrin eine gehörige Portion Mitleid. Normalerweise hebt sich meine beste Freundin ihre fiese Seiten für Jungen auf. Sie muss Feli wirklich verabscheuen.

Das Gemeinschaftsgebäude gleicht einer überdimensionalen Blockhütte. Natürlich hat wieder irgendjemand das helle Holz mit Blumen verziert. Zu beiden Seiten der Eingangstür erheben sich Wände aus Büschen und davor entdecke ich Chrissi. Sie trägt zum Abendessen die Uniform des Camps: Khakishorts und weißes T-Shirt. Ich kenne niemanden, der darin ähnlich süß aussieht. Aber ich kenne jemanden, der Chrissi darin ebenso süß findet, wie ich und das sind zur Abwechslung nicht Mai oder David. Im Gegensatz zu meinen Freunden, gibt es eine Person im Ferienlager, die bereits die Tür zu Chrissis Herzen gefunden hat. Sie steht mindestes einen Spalt für diesen jemand offen. Wenn nicht mehr. Er hat kurzes, braunes Haar, ein attraktives Gesicht mit dunklen Augen, ist ein paar Jahre älter als wir und präsentiert sich ebenfalls in Camp Uniform. Andreas, der Davids Gruppe leitet, flirtet mit Chrissi. Sie steht nah bei ihm, ihre Augen glänzen und sie kichert niedlich. Als er seine Hand auf ihre Schulter legt, lehnt sie den Kopf in seine Richtung. Als wünschte sie sich, er würde mit derselben Hand ihre Wange streicheln.

Das wars dann wohl. Kein Jumbo Eisbecher, für niemanden. Mein erster Gedanken, als ich die zwei zum ersten Mal zusammen gesehen habe. Bei ersten Abendessen, als sie den Getränkecontainer auffüllten. Andreas, ganz Gentleman, übernahm die Schlepperei. Sie lobte ihn übermäßig. Das Necken. Das Lachen. Die Blicke, die hin und her schießen. Wie aus dem Buch: „Flirten für Dummies." Wer das nicht erkennt, ist blind, oder läuft rum, wie Hans Guck in die Luft.

Nach einer kurzen Phase der Enttäuschung, konzentrierte ich mich aufs Wesentliche. Es hatte nie eine Chance auf einen Kuss gegeben. Aber Chrissi ist meine Lernerfahrung. Mit ihr reden. Neben ihr stehen. Mich beim Lagerfeuer zu ihr zu setzen. Aus dem Schatten treten, mich zu trauen. Das alles kann ich versuchen, auch wenn sie nicht an mir interessiert ist. Das macht es sogar leichter. Und deshalb will ich möglichst bald etwas zu ihr sagen.

Zunächst ignoriere ich die Beiden aber, als ich an ihnen vorbei in das Gemeinschaftsgebäude gehe. Andreas grüßt. Chrissi grüßt. Mai grüßt enthusiastisch zurück. Kathrin grüßt auch. Und ich sage nichts. Ich schaue nicht mal. Es gefällt mir eben doch nicht so, Chrissi mit jemand anderen zu sehen.

Dann gehen wir zu unserem Standarttisch, am Ende des Raumes, neben der Fensterfront. Von dort hat man eine gute Sicht auf den See und niemand streift hinter uns vorbei zum Buffet. Lara und Marius haben die Plätze für uns gesichert und essen bereits. Feli wartet am Rand der Bank, so weit wie möglich entfernt von meiner Schwester. Röte hängt auf ihren sonst so blassen Wangen. Sie hat sich wohl sehr angestrengt beim Weglaufen.

Glühwürmchen (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt