„Schau. Sie kommt auf uns zu."

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Mein Kopf verhakt sich in dem Gedanken an die Wette. So sehr, dass ich vor lauter Abwesenheit beim Austeigen beinah aus dem Bus falle. Zu meinem Glück steht Marius direkt hinter mir und zieht mich zurück.

„Pass auf.", murmelt er.

„Hey Elly. Augen auf. Was ist los?"

Lara nimmt meine Hand, als wäre ich ein Kindergartenkind das Begleitung braucht.

„Nichts ist los.", sage ich und steige die Treppe nach unten. Diesmal achte ich genau auf meine Schritte.

„Mhm..."

Mit verschränkten Armen und hochgezogener Augenbraue unterzieht Lara mich einer ihrer gefürchteten Inspektionen. Die hat sie sich von Mama abgeguckt. Mit den roten Locken, schlanker Figur, Sommerkleid und flachen Pumps, ist sie sowieso eher Mamas Zwilling als meiner. Ich strecke ihr die Zunge raus und stehle mich zum Fahrer, der das Gepäck, aus einem Fach an der Seite des Buses, auf den Kiesplatz wirft. Ich rette meine und Laras Sachen, bevor er sie unter einem Berg Koffer begräbt. Mai kommt zu mir, schwarzer Rucksack auf dem Rücken und ihre schwarze Tasche über der Schulter. Sie verschwindet fast in ihrem übergroßen Sweatshirt und hat die Kapuze so weit ins Gesicht gezogen, dass nur noch die Enden ihrer Haare daraus hervorschauen. Vielleicht versteckt sie sich vor David. Umsonst, weil sie zwischen uns auffällt, wie eine Krähe in einer Horde Paradiesvögel.

So wie David an ihr hängt, könnte man glauben, er versteckt einen heimliche Liebe für meine Freundin. Das ganze Generve, der Drang sie zu necken und herauszufordern, ist vielleicht nur eine Fassade, um ihr nah zu sein. Oder David ist schon so nervig auf die Welt gekommen. Sicher hätte ihn seine Eltern gerne wieder zurückgeschoben.

Meine beste Freundin stößt die Schulter an meine und wispert:

„Schau. Sie kommt auf uns zu."

Ein Hauch Röte ziert ihr sonst so blasses Gesicht.

Ich fahre herum und fange einen freundlichen Blick aus wolkenverhangenen, blauen Augen. So verflucht schöne Augen. Wie festgefroren sehe ich sie näherkommen. Sie kommt direkt auf mich zu, zielstrebig, unaufhaltsam, grausam heiß und tödlich, wie eine pyroklastische Welle. Spontan wende ich mich zur Flucht und laufe direkt in Lara hinein.

Mai prustet los vor Lachen.

„Ach komm schon. Elly. Du willst doch gewinnen. Oder? Niemand tut dir was."

Das sehe ich deutlich anders.

„Was ist denn los?", fragt Lara. Sie klingt noch verwirrter und besorgter als vorher. Und ich werde ärgerlicher. Was ist so schwer daran mich einfach in Ruhe zu lassen?

„Lass mich mal kurz v..."

„Hallo. Ich bin Chrissi. Ich glaub ihr seid in meiner Gruppe.", unterbricht mich die charmanteste Stimme der Welt. Das Summen einer Hummel könnte nicht schöner sein.

So viel zu meiner Flucht. Mit leisem Seufzen drehe ich mich zum honigblonden Engel. Aber ich ziehe es vor, erstmal an ihr vorbei in den Wald hineinzustarren. Dort blitzt die Sonne durch hellgrüne Blätter und zaubert Muster auf den Boden. Auf einem dicken Ast hüpft ein Vogel herum und zirpt und schimpft uns entgegen. Ich weiß nicht welche Art das ist, aber ich kenne vermutlich den Namen jedes Insektes, das er bisher in seinem Leben verspeist hat.

„Wir sind ganz sicher in deiner Gruppe. Chrissi.", sagt Mai. Die ist jetzt schon am Flirten. Chrissi lacht und das klingt wundervoll. Wie gute Laune und ein schöner Sommertag.

„Lasst mich erstmal eure Namen abhaken Dann wissen wirs gleich. Freut mich auf jeden Fall, euch für die nächste Zeit hier zu haben."

Sie hört sich so freundlich an. Wie gern ich Chrissi anschauen würde. Aber ich kann jetzt auf keinen Fall den Kopf drehen. Als wäre der irgendwie stecken geblieben.

Glühwürmchen (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt