„Das reicht. Mit der gibst du dich nicht mehr ab."

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Es ist seltsam, wenn ich an Chrissi vorbeilaufe und sie mich nicht ansieht. Vielleicht ist sie wirklich so beschäftigt mit ihrer Liste, auf der sie die Teilnehmer am Ausflug zur Burg abhakt. Oder sie hat beschlossen mich zu ignorieren. Damit ich lerne, dass wir keine Lieblinge sind.

„Komm schon. Mach schnell. Elly. Marius hat uns Plätze freigehalten", ruft Lara und winkt aus der Bustür.

Lara hat laut genug gebrüllt, um jeden im Umkreis auf mich aufmerksam zu machen. Chrissi sollte meine Anwesenheit also bemerkt haben. Sie reagiert trotzdem nicht. Ganz klar, keine Lieblinge.

Nachdem ich mich die Stufen des großen Reisebusse hochgewuchtet habe, zerrt mich Lara nach hinten zur letzten Sitzreihe.

„Hier können wir alle drei zusammensitzen."

Sie lächelt und deutet auf den linken Platz beim Fenster. Marius sitzt auf der anderen Seite und begrüßt mich mit einem Nicken. Lara fällt zwischen uns, schnappt sich Marius große und meine kleine Hand und drückt sie.

„Ist doch auch mal schön, wenn nur wir drei was zusammen machen. Oder? Das hatten wir schon länger nicht mehr."

Ja, weil ich es hasse das unnötige Anhängsel eines Liebespaares zu sein.

„Du wirst schon sehen, wir werden heute einen schönen Tag haben. Selbst wenn die anderen lieber langweilig sind und im Camp bleiben."

Mai wird sich nicht langweilen. Die Mission Feli einen Kuss zu stehlen, läuft noch, obwohl sich die Beide gestern zumindest etwas nähergekommen sind. Deshalb will Mai heute auch keinen Berg besteigen, weil sie ganz andere Sachen zu besteigen hat. Mit den Worten hat sie mir zumindest für heute abgesagt und es ist gut, dass Feli sie nicht gehört hat. Aber die lag sowieso wieder im Buchkoma in der Ecke und hatte Lust auf gar nichts.

Also geht es wohl als fünftes Rad am Wagen zur Burg Wachtelstein.

Der Bus parkt im Schatten des Hügels, den wir uns gleich nach oben quälen dürfen. Scharf kantige Felsen ragen aus einem grünen Meer aus Bäumen. Auf der Spitze thront majestätisch vor sich hin bröckelnd, die 700 Jahre alte Burg Wachtelstein. Türme aus groben Stein Stapeln sich übereinander, Burgmauern ziehen sich am scharfen Rand des Hügels entlang und die Sonne blitzt auf den dunklen Spitzdächern. Ein gelbe Flagge flattert fröhlich durchs wolkenlose himmelblau.

Der Bus spuckt uns auf den weiten Kiesparkplatz, zwischen andere Touristengruppen. Wir kramen uns zurecht, justieren Rücksäcke, rücken Kappen zurecht und Lara reicht Marius ihre Tasche, der sie sich wortlos über die Schulter wirft. Sie hat keinen Freund, sie hat einen Packesel.

Er sieht mich erwartungsvoll an und ich zurre meinen Rucksack noch fester auf meinen Rücken. Mit einem Stirnrunzel tastet er nach Laras Hand, die in seiner Pranke verschwindet. Lara stellt sich auf die Zehenspitzen und haucht einen Kuss auf seine Backe.

„Danke Schatzi."

Mir ist jetzt schon übel. Das ging die ganze Busfahrt so. Wenn die sich nicht einkriegen, komme ich heute mit Karies zurück ins Camp.

„Geht das so? Elly. Sollen wir dir was abnehmen.", fragt Lara, die den Arm um Marius legt, weil Händchen halten scheinbar nicht nah genug ist.

„Geht schon.", murmle ich. Wenn Lara und ich allein wären, würde ich noch irgendeinen doofen Kommentar hinterher schieben, aber in Marius Nähe flutschen die Worte nicht so richtig. Er wohnt halb bei uns zu Hause, aber ich empfinde ihn trotzdem als Fremden. Und er stört auch irgendwie.

„Hey! Kommt ihr? Die Gruppen sollen sich sammeln, damit wir wissen, ob alle da sind, bevor wir losgehen.", ruft uns eine Jugendleiterin zu, die an uns vorbeieilt.

Glühwürmchen (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt