„Chrissi. Lass uns reden."

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„Wenn wir noch die Nacht länger hierbleiben, können wir nicht an den Gardasee.", murmelt Mai.

Ich blicke von meinem Telefon auf. Immer wieder starre ich auf den dunklen Bildschirm in der Hoffnung, Chrissi wird bald auf meine Nachricht antworten, die ich ihr vor einer halben Stunde gesendet habe.

„Ja. Und Mama wird mich nicht hierlassen, wenn sie kommt. Wenn sie Familienurlaub am Gardasee machen will, dann muss ich mit. Du weißt doch, was letztes Jahr passiert ist, als Lara eine Grippe vorgetäuscht hat, um nicht nach Mallorca fliegen zu müssen."

Mai kichert.

„Oh ja. Das hab ich fast vergessen. Lara war so zugedröhnt mit Erkältungsmitteln. Mich wundert es noch heute, dass wir durch die Kontrolle am Flughafen gekommen sind."

„Eben. Ich habe keine Lust, von Mama ins Auto gestopft zu werden."

Nun fängt Mai sogar das Lachen an.

„Das wär sicher lustig anzusehen. Vielleicht kann Chrissi dann um dich kämpfen."

Chrissi soll nicht kämpfen. Die soll endlich auf meine Nachricht und Anrufe antworten. Immerhin habe ich sehr deutlich gemacht, wie eilig alles ist.

Meine beste Freundin lugt über meine Schulter auf mein frustrierend stilles Telefon.

„Wollen wir nochmal getrennt suchen? Wir waren zwar schon überall, aber vielleicht war Chrissi vorher irgendwo, wo wir nicht hinkönnen."

Ich öffne die Nachrichten-App und schaue in die Anruferliste. Wenn Chrissi arbeitet, braucht sie manchmal länger, um zu antworten. Ihr Schweigen macht mir keine Sorgen. Der Gedanke an meine Mutter, die mich von meiner Liebe fortreißen wird, weckt mein kaltes Grauen. Jede Sekunde, die mir mit Chrissi bleibt, ist kostbar. Die Zeit muss nicht nur für Zukunftspläne ausreichen. Eis essen, den alten Steg besuchen, reden, kuscheln, küssen und mir endlich ein Gedicht von Chrissi anhören. Das ist alles was in den Tag hineinquetschen will. Nebenbei muss Chrissi auch noch arbeiten. Wir müssen uns beeilen.

„Gut. Such du im Camp. Ich gehe an den Strand."

Meine beste Freundin nickt hochmotiviert und stürmt davon. Es ist immer gut bei Schwierigkeiten eine Mai an seiner Seite zu haben.



Meine Enttäuschung darüber einen Strand ohne Chrissi vorzufinden, wird durch das Piepen einer Nachricht von Mai unterbrochen.

„Komm schnell. Chrissi ist im Essensraum. David ist auch hier."

Die Nachricht ziert ein Kotzsmiley, den ich absolut nachfühlen kann.

Wie gestern stürme ich zu Chrissi. Nur diesmal andersherum vom Strand zum Essensraum. Zum Glück brennt die Sonne nicht so gnadenlos, und ich komme deutlich lebendiger an meinem Ziel an.

Kaum trete ich durch die Tür, wabert mir dicke Luft entgegen.

An einem der hinteren Tische, stehen die drei dicht zusammen. Chrissi würgt eine Serviette. David grinst über das ganze Gesicht und Mai, die eindeutig nach mir Ausschau gehalten hat, wirft mir einen panischen Blick zu.

Meine Schritte stocken. Die Gefahr hängt als Leuchtreklame über ihren Köpfen. Sie blinkt wie ein Alarmsignal, nicht näher zu kommen.

Die Tür quietscht und verrät mein Eintreten. Zwei weitere Köpfe fahren zu mir herum. Ein schadenfroher Blick von David. Chrissi blinzelt überrascht, dann verzieht sie das Gesicht, als wollte sie weinen. In ihren Augen brauen sich Sturmwolken zusammen. Das Unwetter gilt mir. Es schießt alle Blitze in meine Richtung ab.

Glühwürmchen (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt