Kapitel 4 - Sicher?

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Das Taxi fuhr Mary bis zum Motel. Sie war zu angetrunken, um nachts auf Duskwoods Straßen unterwegs zu sein. An der Rezeption saß nur noch der Nachtwärter. Er blickte auf und nickte ihr freundlich zu. Mary schaffte es irgendwie die Treppe hinauf. Dabei klingelte ihr Handy. Wieder war es eine unterdrückte Nummer. Ein mulmiges Gefühl schlich sich ein. Sollte sie vielleicht einfach den Anruf ablehnen? Doch die Neugier war zu groß.

„Hallo?" Im Hintergrund hörte sie ein Rauschen. Es erinnerte sie an Wasserrauschen, aber der Anrufer sagte nichts. „Lass den Scheiß!", fuhr sie die Person an und legte auf. Sie brauchte dringend Schlaf, so viel stand fest. Auf dem Weg in ihr Zimmer sah Mary einen Mann im Flur stehen, der nur auf sein Handy blickte. Da es schon dunkel war, nahm sie nur seine große Silhouette wahr. Kurz hielt sie inne. War es vielleicht der Anrufer von eben? Sie konnte nun nicht mehr umkehren. Er hatte sie definitiv schon bemerkt. Um sich nichts anmerken zu lassen, grüßte sie den Fremden im Vorbeigehen. Doch eine Antwort erhielt sie nicht.

„Tolle Marnieren!", dachte sie spöttisch. Der Mann lachte nur. Hatte sie das eben laut gesagt?

Vor ihrer Tür suchte sie nach der Schlüsselkarte. Aber in den Unterwelten ihrer Handtasche in Kombination mit dem Alkohol fand sie diese nicht sofort. Laut fluchend hockte sie sich auf den Boden um besser in der Tasche wühlen zu können.

„Verdammt!", fluchte sie erneut. Der Alkohol trickste sie aus. Verärgert sah sie sich um. Der Mann war weg. Wie hatte er sich nur so leise wegschleichen können? Endlich fand Mary die Karte und verschwand in ihrem Zimmer. Erschöpft warf sie die Tasche auf ihr Bett und warf sich daneben. Alles drehte sich in ihrem Kopf. Was für ein Abend?! Hatte Thomas sie da wirklich angeflirtet? Sie konnte es noch immer nicht glauben. Ausgerechnet Thomas machte sie an. Er tat ihr auch wirklich leid, aber er war so gar nicht ihr Typ Mann. Weder vom Charakter noch äußerlich fand sie ihn ansprechend. Zudem war zwischen ihnen beiden so viel geschehen. Das konnte sie nicht ausblenden, wenn sie ihn sah.

Lustlos nahm Mary ihr Handy und scrollte sich durch die sozialen Netzwerke. In aller Regelmäßigkeit sah sie ein Bild mit dem Hashtag IAMJake. In ihrer Trauer öffnete sie den Chatverlauf mit ihm. Seine letzten Worte waren, dass er sie lieben würde. Ehe sie an etwas Anderes denken konnte, schrieb sie ihm betrunken Nachrichten.

Mary: Ich weiß nicht, ob du das hier je lesen wirst, aber du fehlst mir so unglaublich sehr.

Mary: Meine Gedanken drehen sich nur um dich. Wo bist du?

Mary: Jessy meinte, dass eine Leiche in den Minen gefunden wurde. Tatsächlich glaube ich, dass du es bist. Aber mein Herz will es nicht wahrhaben.

Mary: Bitte komm zu mir zurück. Ich brauche dich so dringend an meiner Seite.

Frustriert warf sie ihr Handy zur Seite. Doch dann wurde sie wütend und trotzig. Wütend auf die Welt und wütend auf Jake, der sie allein zurückgelassen hatte. Jedoch waren Wut und Alkohol keine guten Freunde.

Mary: Ich bin in Duskwood. Du wolltest das ja nie. Bestimmt, weil du mich nicht bei dir haben wolltest. Wahrscheinlich schreibst du schon mit der nächsten Dummen, die auf dein Gelaber hereinfällt.

Mary: Ach, weißt du was? Ich brauch dich nicht mehr. Ich kam vor dir allein klar und nun schaffe ich es auch. Falls du echt noch am Leben bist, melde dich nie wieder bei mir!

Das Handy flog in einem hohen Bogen in die Kissen. Mary weinte bitterlich. Warum tat er ihr das an? Warum fühlte sich ihr Herz nur so schwer an. Noch nie im Leben hatte sie sich so einsam gefühlt. Er hatte alles geändert. Er hatte sie verändert. Und wofür?

Duskwood - Hinter der MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt