Kapitel 6 - Vertrauen

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Noch einmal atmete Jake tief durch.

„Mein Name ist Jake Thompson und bin 25 Jahre alt. Ich komme ursprünglich aus dem Nachbarort Lakeside und bin dort mit meiner Mutter aufgewachsen. Als Workaholic war ihr die Karriere wichtiger als Familie. Doch genau dort lernte sie meinen Vater kennen - Hannahs und Lillys Vater. Es ging wohl ziemlich schnell zwischen meiner Mutter und ihm zur Sache. So schnell die Affäre begann, endete sie auch wieder. Irgendwo dazwischen wurde ich gezeugt." Jake schmunzelte. Warum, wusste Mary aber nicht. „Meine Mutter war mit meiner Existenz überfordert. Ich stand ihr buchstäblich im weg. So brachte sie mich mit fünf Jahren zu meinen Großeltern. Danach habe ich sie kaum mehr gesehen. Meine Großeltern haben mich aufgezogen." Mary merkte, wie schwer es für Jake war, über seine Vergangenheit zu sprechen. „Mein Opa war ein echter Crack in der Programmierung und brachte mir alles, was Computer anging, bei. Von ihm habe ich meine Talente. Meine Oma war eine begnadete Köchin und hat sich Zuhause um alles gekümmert. Ich hatte eine tolle Kindheit bei ihnen." Sein Blick wurde glasig. „Doch dann starb mein Großvater und meine Oma verkraftete den Verlust nicht. Sie... Naja und dann wurde auch noch meine Mutter schwer krank. Es ging alles ziemlich schnell. Plötzlich war ich allein und hatte niemanden mehr."

„Das tut mir sehr leid. Aber ich bin auch dankbar, dass du dich mir anvertraust, Jake." Mary war von seiner Offenheit sehr überrascht aber auch beeindruckt.

„Das habe ich noch nie jemanden erzählt. Du bist in vielerlei Hinsicht die Erste in meinem Leben." Jake küsste sie sanft. Wieder huschte das schüchterne Lächeln über seine Lippen, was Mary so niedlich fand. „Weißt du, ich habe mich nie einsam gefühlt. Ein Leben allein war stets erträglich für mich. Doch dann kamst du. So lange habe ich mich gegen meine Gefühle für dich gewährt. Sie verdrängt. Bin offline gegangen, bevor es zu intensiv oder zu offensichtlich wurde. Du hast es aber immer wieder provoziert, dass ich an dich nachdenken musste."

„Das tut mir irgendwie gar nicht leid", neckte sie ihn liebevoll. Dabei streichelte sie ihn zärtlich am Arm. Sie fühlte sich richtig wohl bei ihm und hätte so gern den Augenblick eingefroren. Nur sie beide in diesem Zimmer - in diem Bett - ohne Sorgen und Ängste.

„Als ich dann vor zwei Wochen abtauchen musste, hat es mir das Herz gebrochen, dass ich keinen Kontakt zu dir aufnehmen konnte. Ich habe dich an meiner Seite haben wollen, aber es ging nicht und ich wusste nicht mehr weiter." Seine Augen glänzten und eine einzelne Träne lief seine Wange hinab. Nervös spielte Jake mit seinen Fingern und knackte jeden einzelnen Fingerknöchel. „Vor drei Tagen war ich emotional am Ende. Ich hatte gehofft, dich einfach vergessen zu können. Hatte gehofft, dass du mich auch einfach vergisst. Dann sagte mir Nym-Os, dass du auf dem Weg nach Duskwood bist. Ich sah endlich wieder ein Licht in meiner Dunkelheit. Und dieses Licht bist du, Mary."

„Jake...", murmelte sie betroffen. Der Kloß in ihrem Hals erdrückte Mary fast. Die Tatsache, dass jemand und im Besonderen Jake, wegen ihr so sehr litt, tat ihr in der Seele weh. Sie wusste einfach nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollte. „Wenn ich gewusst hätte, dass du..."

„Alles gut", unterbrach er sie und wischte die Träne weg. „Wir sind nun hier zusammen. Endlich kann ich frei erzählen, was mich so lange belastet hat. Über den Chat oder am Telefon wäre das unmöglich gewesen." Sie schmiegte sich an ihn und genoss diesen inniglichen Moment.

„Vielleicht sollte ich dir auch ein bisschen was von mir erzählen. Immerhin kennen wir uns ja kaum", versuchte sie die angespannte Situation aufzulockern. Das Jake nicht gern über sich sprach, war mehr als deutlich. Er haderte sehr mit sich und scheute immer wieder ihren Blick.

„Das brauchst du nicht", sagte er mit einem Unterton, der Mary stutzig werden ließ. Noch immer wusste sie nicht, woran sie bei ihm war. Das machte sie unsicher und sie hasste es.

Duskwood - Hinter der MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt