Jake war einfach nur sprachlos. Unsicher schaute er auf sein Handy. Die Verbindung zu Mary wurde abgebrochen, nachdem er etwas lautstark scheppern hörte. Was war das? Schnell rief er sie an. Es klingelte lange. Zu lange. Fuck!
„Hallo Jake", antworte eine raue männliche Stimme, was Jake einen Schauer eiskalt den Rücken runterlaufen ließ. Phil!
„Wo ist Mary?" Nur mit Mühe brüllte er Phil nicht an.
„Ich habe dich gewarnt, Thompson. Nun gehört sie mir!", lachte Phil so gehässig, dass es Jake die Nackenhaare aufstellte.
„Wo ist sie?!", zischte Jake. Seine kurzen Fingernägel gruben sich tief in die Innenseite seiner Hand, sodass er nur noch diesen stechenden Schmerz spürte.
„Du findest uns nie und ihr Handy lasse ich hier. Leb wohl!" Danach legte Phil auf. Fassungslos sah Jake auf sein Display. In ihm kochte es vor Wut. Das Adrenalin durchströmte ihn und er wollte einfach nur schreien oder was kaputt schlagen oder dieses Zimmer hier kurz und klein hauen. Wieder war es diesem Arschloch gelungen, Mary in seine Gewalt zu bringen. Er war so wütend. Warum hatte er sie nur zu diesem Psychopathen gehen lassen? Warum war er nicht einfach selbst zu ihm gegangen? Jake hasste sich dafür, dass er es hatte soweit kommen lassen. Warum hatte er Mary nicht abgehalten?
„So eine verdammte Scheiße!", fluchte er aufgebracht. „Was soll ich jetzt nur tun?" Tränen schossen ihm in die Augen und rollten seine Wange hinab. Wie automatisiert öffnete er Nym-Os und versuchte Mary zu tracken. Seine Finger flogen förmlich über die Tastatur. Er wollte keine Sekunde mehr verlieren. Das Programm zeigte ihren Standort auf wenige Meter genau an. Sie war noch immer an der Aurora. Entschlossen, seine große Liebe nicht kampflos diesem Monster zu überlassen, griff er nach seinen Sachen und verließ das Motelzimmer.
Am Eingang saß Alfie mit seiner Mutter. Sie nickten ihm freundlich zu, doch er zog die Kapuze nur noch tiefer in sein Gesicht. Für freundliche Floskeln hatte er keine Zeit und auch keinen Nerv. Auf dem Weg zu seinem Auto griff er abermals zum Handy. Keine neuen Nachrichten. Panik stieg in ihm hoch. Es war das selbe Gefühl, als er Mary durch die Überwachungskameras bei Phil beobachtet hatte. Dieser Schmerz, den er damals fühlte, brannte sich so tief in seine Seele ein. Die Frau, die er über alles liebte, für die er alles tun würde, in den Armen eines schmierigen Typen zu sehen, brachte Jake fast um den Verstand. Er wollte doch immer nur seine Familie und seine Liebe beschützen. Ihm ging es doch nie um etwas Anderes. Aber ohne Mary war es nicht das Leben, was er führen wollte. In dem Augenblick ertastete er etwas in seiner rechten Hosentasche, was er schon seit einiger Zeit mit sich führte. Ob je der richtige Moment dafür kommen würde, wusste er nicht. Aber für den Fall der Fälle trug er es immer mit sich herum.
Er sprang ins Auto und fuhr so schnell er konnte und durfte. Jetzt von der Polizei angehalten werden zu müssen, wäre ein Alptraum. Nur wenige Minuten später kam er an der Aurora an. Marys Auto war nicht zu sehen. Hatte Phil sie darin mitgenommen? Leider hatte er keine Möglichkeit ihr Auto zu tracken. Oder vielleicht doch? Aber im Moment wollte er nur die Lage vor Ort analysieren. Die Bar war verdunkelt und abgesperrt. Konzentriert suchte er nach Anhaltspunkten, was hier passiert sein könnte und lief weiter in Richtung von Phils Wohnung. Keinen Meter vor seinen Füßen sah er ihr Handy auf dem Boden liegen. Das Display war komplett gesprungen. Daneben waren dicke Blutstropfen erkennbar. Jake schluckte seine Angst hinunter. Seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich in diesem Moment. Panisch bebte seine Unterlippe, aber er wollte diese Angst nicht über sich triumphieren lassen. Nicht hier und nicht jetzt. Nicht in der Öffentlichkeit. Er entsperrte mühevoll das Display, was dank des Glasbruches kaum lesbar war. Ihm sprang sofort ein Bild entgegen, dass Phil mit Mary und Jessy auf der Rückbank zeigte. Also hatte er auch Jessica in seiner Gewalt. So eine Scheiße, fluchte Jake. Doch wo waren sie nur hingefahren? Wo könnte er sein? Jakes Blick fiel auf die Überwachungskamera an der Aurora. Leider hatte sie diesen Teil des Gebäudes nicht im Blick und Straßenüberwachungskameras gab es in Duskwood nicht. Wo sollte er nur mit der Suche anfangen?
Jake konnte kaum klar denken. Seine Sorge um Mary übermannte ihn so sehr, dass er nicht seine typischen Art Schlussfolgerungen ziehen konnte. Strategisches und fokussiertes Denken war ihm nicht möglich. Wieder schaute er sich um. Jedoch fand Jake nichts weiter als das Handy und die Blutstropfen, die bis zum Bordstein führten. Vielleicht könnte er Jessys Handy orten. Doch dafür müsste er ins Motel zu seinem Laptop. Nervös kaute er an der Innenseite seiner Unterlippe. In solchen Momenten war er es gewohnt Mary zu schreiben. Ihre Ideen, Vorschläge und Schlussfolgerungen halfen ihm fast immer. Der Kloß in seinem Hals schwoll an, als er daran dachte, dass er sie eventuell nie wiedersehen würde. Doch wieder ermahnte er sich selbst, in der Öffentlichkeit keine Schwäche zu zeigen. Er wollte nicht auffallen.
An der Aurora kam er nicht weiter. Wo konnte er nun weitersuchen? Wer könnte ihm helfen? Schlagartig fiel ihm nur eine Person ein, die jetzt helfen konnte. Doch Richy war nicht ohne Weiteres erreichbar und ins Gefängnis zu fahren um ihm einen Besuch abzustatten, ging aus diversen Gründen nicht. Mit zittrigen Fingern nahm er sein Handy und wählte eine andere Nummer:
„Ja, hallo?", antwortete der dem Anruf.
„Guten Tag, Mr. Bloomgate. Ich muss mit Ihnen sprechen", erklärte Jake bevor er überhaupt an die Konsequenzen dieses Telefonates dachte.
„Mit wem spreche ich da?"
„Meine Identität tut nichts zur Sache!"
„Nun gut. Sagen Sie mir, wie ich Ihnen weiterhelfen kann."
„Mary Fisher wurde entführt."
„Sie sind es, Jake Thompson. Habe ich recht?", fragte Alan hellhörig. Jake schwieg lange. „Ich erwarte nicht, dass Sie mir auf diese Frage antworten. Beantworten Sie mir dann bitte die Frage, woher Sie wissen, dass Mary entführt wurde."
„Ich war live am Telefon als es geschah. Es ist ungefähr 20 Minuten her. Ich weiß auch, wer es war und wen die Person noch in seiner Gewalt hat. Es gibt ein Beweisfoto." Jake bebte innerlich. Dieser Anruf fühlte sich so falsch an, dass er am liebsten auflegen wollte. Doch nun gab es kein Zurück mehr und andere Optionen hatte er in dieser kurzen Zeit nicht gefunden.
„Sagen Sie mir, wer es war!"
„Das kann und werde ich nicht tun. Ich kann weder Marys Leben noch meine Sicherheit riskieren."
„Mr. Thompson, Sie rufen hier bei mir an und teilen dem Polizeichef von Duskwood mit, dass in seiner Stadt ein schwerwiegendes Verbrechen geschehen ist und wollen keine Auskünfte geben. Was wollen Sie dann von mir?"
„Ich weiß, dass Sie Michael Hansons Tod fingiert haben. Ich habe Beweise dafür gefunden, dass Sie Geld dafür bekommen haben. So etwas nennt man Bestechung. Aber das wissen Sie als Polizeichef sicherlich selbst. Daher möchte ich wissen, wo man Mary hingebracht hat." Jake reizte seine Karten aus. Dass Alan schwieg, bestätigte seine Annahme. Tatsächlich fand er auf Phils Computer Dokumente, die zeigten, wie der Deal ablief.
„Wie kommen Sie auf solche absurden Vorwürfe?"
„Wo hat man Mary hingebracht?", wiederholte Jake in einem sehr scharfen Tonfall, der unmissverständlich verdeutliche, wie ernst ihm die Angelegenheit war.
„Mr. Thompson, ich..."
„Mr. Bloomgate. Ich habe stichhaltige Beweise für Ihr korruptes Fehlverhalten. Die Person, die Mary entführt hat, steckt unmittelbar mit Ihnen und Michael Hanson unter einer Decke. Zusätzlich haben Sie Richy Roger als Sündenbock vorgeschoben und erschweren seine Haftbedingungen. Kooperieren Sie nicht, werde ich diese Informationen in den nächsten Minuten an Ihren Vorgesetzen und die Presse weiterleiten."
„Ich wusste, dass mich dieser Mist eines Tages einholen wird", resignierte Alan und atmete lautstark ein und aus. „Ich kann mir nur vorstellen, dass er sie zurück in Michaels Haus gebracht hat. Ich habe verhindern lassen, dass dort alles abgeriegelt wird."
„Als Polizeichef von Duskwood sind Sie eine wahre Schande, Alan! Wenn Sie clever sind, stellen Sie sich selbst. Sonst übernehme ich das und Sie werden mich niemals finden. Leben Sie wohl!" Jake legte auf und spürte, wie das Adrenalin in ihm kochte. Er wollte so schnell wie möglich zu diesem Haus, aber ohne die richtige Vorbereitung war das nicht möglich. Wieder tippte er eine Nummer in sein Handy und telefonierte.
„Hallo?"
„Ich brauche deine Hilfe. Wo bist du?", fragte Jake bemüht ruhig.
„Wer isn da?"
„Jake."
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Duskwood - Hinter der Maske
Hayran KurguBei dieser Story handelt es sich um eine Fortsetzung der Geschichte zum Mobilgame Duskwood. Nach dem Ende des 10. Kapitels sind noch viele Fragen offen und Hintergründe ungeklärt. Bleibt dran. ;) Auf der Suche nach Antworten nimmt Mary den langen W...