Kapitel 10 - Erkenntnis

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Die Frage, wie ihre Nummer an Thomas geschickt wurde, hatte Mary schon lange verdrängt. Es gab so viel Anderes, um was sie sich Sorgen machen musste. Und doch hatte Hannah diese Tür nun wieder eingetreten. Woher sollte Richy ihre Nummer haben? Vielleicht war es aber auch die andere Person bei Richy gewesen. Dabei war noch nicht mal klar, wer das war. Wäre Richy technisch dazu in der Lage gewesen, die Nachricht unbemerkt wieder zu löschen? Jessy meinte doch mal, dass sie seinen Bürokram machte, weil er sowas nicht könne. Das passte nicht zusammen. Ein wichtiges Puzzleteil fehlte noch. Doch sie kam nicht drauf. Warum ausgerechnet ihre Nummer? Welche Rolle spielte sie hier? Grübelnd fuhr sie zum Motel zurück.

Sie öffnete die Tür zu ihrem Zimmer und blieb abrupt im Rahmen stehen. Phil lag halbnackt auf ihrem Bett und grinste sie breit und selbstsicher an.

„Was machst du hier?", fragte sie ihn wütend. Nach seiner gestrigen Aktion konnte sie ihn nicht mehr ins Gesicht schauen und vermied es ihm woanders hinzuschauen. Er stand auf und kam ihr zielstrebig entgegen. In seiner Gegenwart fühlte sie sich unwohl. Besonders als er versuchte sie zu küssen. Sie presste die Lippen zusammen und drehte sich von ihm weg. Auf keinen Fall wollte sie sich noch Mal auf ihn einlassen.

„Ich musste dich sehen." Bei diesen Worten überkam sie ein unangenehmer Schauer, denn er sagte es in einer Art, die ihr unerklärlicher Weise bekannt vorkam. Seine Hand glitt ihren Rücken hinab. „Ich habe voll Bock auf eine weitere Runde mit dir." Dabei drückte er sich eng an sie, sodass sie alles spüren konnte. Sie versteifte sich und versuchte sich aus seiner Nähe zu lösen.

„Du solltest gehen, Phil."

„Aber warum denn? Du willst es doch auch oder täusche ich mich?"

„Du täuscht dich!", fauchte sie und schob ihn bestimmend von sich weg. „Ich möchte das nicht."

„Das sah letzte Nacht noch ganz anders aus. Da hast du meinen Namen so laut geschrien. Das war echt geil!" Phil nahm ihre Hand und strich sie über seinen Körper. So schnell sie konnte, entzog sie sich seinem Griff.

„Geh jetzt bitte! Ich möchte das nicht noch mal sagen müssen!", sagte sie entschlossen. Egal, was sie interessant an diesem Mann fand, nun war es nur noch Abscheu. Sie hasste sich dafür, dass sie es überhaupt hat soweit kommen lassen. Ihre Knie zitterten vor Aufregung. Sie überkam eine Angst, die sie nicht definieren konnte.

„Ok, wenn du nicht willst, dann bitte. Aber ich komme wieder, versprochen." Er zwinkerte ihr frech zu und zog sich schnell wieder an. Mary bewegte sich keinen Zentimeter um ihn nicht auf falsche Gedanken zu bringen. Doch beim Vorbeigehen griff er an ihren Hintern und klatschte drauf.

Nachdem Mary hinter sich die Tür zufallen hörte, sackte sie auf ihre Knie zusammen. Das erste Mal seit Wochen hatte sie das Gefühl, das Ganze abbrechen zu wollen. Sie hielt es hier nicht mehr aus. Irgendwas war gestern Abend geschehen. Etwas, das hätte so nicht passieren dürfen. Mary presste ihre Faust fest gegen ihre Zähne, biss hinein und schrie. Dieser eine Abend hatte alles zerstört, was sie mühselig mit Jake aufgebaut hatte. Das Spiel mit dem Feuer entfachte einen Waldbrand und sie konnte einfach nichts dagegen tun. Wie sollte sie das nur überstehen? War es Zeit, einfach aufzugeben? Genau in diesem Moment bekam sie eine Nachricht:

Jake: Schwarzwassersee

Jake ging wieder offline.

Wollte er sie da treffen? Endlich gab er ein Lebenszeichen von sich. Irgendwie heiterte die Tatsache, dass er sich bei ihr meldete, Mary auf. Sicherheitshalber wartete sie noch zehn Minuten, bis sie sich sicher war, dass Phil ihr nicht folgen würde. Dann sprang sie in ihren Leihwagen. Nach wenigen Minuten war sie am Schwarzwassersee. In ihrem Kopf ging sie immer wieder die fiktiven Dialoge mit Jake durch. Sie wusste genau, was sie sagen wollte und hoffte, dass er da sein würde.

Duskwood - Hinter der MaskeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt