24. "Ich wollte dir danken, Saphira."

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6/? Wochen

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Als ich blinzelnd die Augen öffne und versuche etwas um mich herum zu erkennen, resultiert bereits das helle Licht darin, dass mein Kopf wie verrückt zu pochen beginnt. Daher schließe ich meine Augen sofort wieder. Doch jedes weitere Mal, das ich versuche meine Umgebung zu betrachten, scheitert erneut. Wieso reagiere ich gerade so extrem auf Licht. Ich war und bin es doch eigentlich gewohnt in Sonnenlicht zu sehen. Jedoch sind es nicht nur meine Augen, die schmerzen. Auch meine Beine tuen weh. Mein gesamter Körper tut weh. Und ich fühle mich so geschwächt, als hätte ich tagelang keinerlei Energie sammeln können. So, als wäre ich komplett ausgelaugt. So, als hätte man mir meine Magie genommen.
Aber… Was war passiert? Ich kann mich an nichts erinnern. Nur noch daran, dass Fiesta mich gefangengenommen hat, dass man mich versucht hatte zu retten. Ich hatte versucht zu fliehen, aber es hatte nicht funktioniert. Leider. Wobei, wenn ich so darüber nachdenke, würde ich es vorziehen, hierzubleiben, anstatt mit Blue an einem Ort zu sein. Was theoretisch betrachtet recht erschreckend ist, wenn man bedenkt, dass ich gerade die Gesellschaft eines Schattendämons vorziehe, dessen Gemütszustand oft innerhalb von Sekunden umschlägt.

Als ich nun noch einmal den Versuch starte, meine Augen vorsichtig zu öffnen, gelingt es mir und ich erkenne ziemlich schnell, dass ich mich nicht in dem Raum befinde, in dem ich sonst immer bin. Meine gesamte Umgebung ist dunkel. Bis auf ein winzig kleiner Spalt, durch den etwas Sonnenlicht hineingelangt. Aber weshalb blendet mich Licht? Es ist doch Teil meiner Magie. Und weshalb fühle ich mich im Schatten geschwächt, wenn auch er in mir wohnt?
„Wieder wach?“, höre ich Jemanden fragen. Ohne auch nur nachzudenken, wer es ist, weiß ich, dass Fiesta zu mir spricht. Als ich mich umdrehe, gehe ich davon aus, er steht unmittelbar vor mir. Daher bin ich umso verwirrter. Denn Fiesta steht außerhalb dieses Raumes und er macht auch nicht den Anschein, als wolle er hereinkommen. Ebenso sieht es für mich ganz danach aus, dass er eine Art Schutzbarriere im Türrahmen errichtet hatte. Aber wieso?
„Ich denke mal, du fragst dich, was das hier soll. Nun ja, um dir das beantworten zu können, solltest du mir wohl erst einmal erklären, was das sollte.“, antwortet er und deutet auf seine Brust, wo man, wenn man genauer hinsah einige kleine Schrammen erkennen konnte.
„Was, was sollte?“, entgegne ich ahnungslos. „Du hast mich angegriffen. Und das mehr als stark.“, wirft er zurück und man konnte förmlich sehen, wie unangenehm es ihm war, dies auszusprechen. Aber warte… Ich habe ihn angegriffen? Mein Gesichtsausdruck musste Bände sprechen, denn Fiesta fährt fort: „Ich habe leider keine Ahnung, wie du das geschafft hast, aber du hast die Gabe angewendet. Man erinnere sich. Das war die Fähigkeit, mit der man kurz erklärt jedes Pferd, welches Schatten in sich trägt, zur Strecke bringen kann. Du kannst froh sein, dass ich schon mehr als einmal Kontakt damit hatte, sonst wäre das gestern echt knapp gewesen.“
Will Fiesta damit etwa gerade sagen, dass ich ihn beinahe umgebracht hätte? Aber wie habe ich es überhaupt geschafft, die Gabe anzuwenden? Einerseits wusste ich bisher nur, dass ich sie besitze, aber Niemand hatte mir bisher zeigen können, wie ich sie anwende. Zumal ich das sowieso nicht gewollt hätte, da ich damit meinen Vater verletzen könnte. Und das wollte ich auf gar keinen Fall können.
„Und wieso bin ich in diesem Raum?“, frage ich vorsichtig. „Damit du die Gabe vorerst nicht noch einmal anwenden kannst. Dieser Raum ist voll mit reiner Schattenmagie. Das ist im Übrigen auch der Grund dafür, dass du dich so schwach fühlst. Deine Helionmagie hat sich in den Vordergrund gestellt, dadurch, dass du die Gabe angewendet hast. Und daher schwächt dich der Raum hier so extrem. Deine Helionmagie wird wieder in den Hintergrund geschoben, was nebenbei bemerkt auch sicherer für dich ist. Sonst bestünde nämlich die Gefahr, dass du wieder in Ohnmacht fällst. Und ich glaube kaum, dass du das möchtest.“
Fiestas Stimme klang monoton. Doch irgendwie auch mitfühlend. Jedoch war es recht eindeutig, dass Zweiteres nicht gewollt war. Er schien verletzt. Und allein der Fakt, dass ich dafür verantwortlich war, sorgt dafür, dass ich mich selbst schlecht fühle. Ich hatte ihn angegriffen und das nicht gerade leicht. Ich habe ihn verletzt, körperlich und meines Erachtens nach auch seelisch. Was nun über meine Lippen kam, war nicht durchdacht. Meine Worte waren nicht mit Bedacht gewählt, wie ich es sonst immer pflegte zu tun. Jedoch fühlten sie sich in diesem Augenblick mehr als richtig an.
„Es tut mir leid, dass ich dich angegriffen und verletzt habe. Ich habe keine Ahnung, wie ich das gemacht habe, aber ich will nicht, dass es nochmal passiert. Egal was, aber ich tue alles, damit ich diese Gabe loswerde. Ich will nichts, womit ich Anderen schaden kann.“
Fiesta blickt in meine Richtung. Doch nicht so gefasst wie sonst auch immer, nein. Sein Blick war verwirrt. Er hatte sicher mit Vielem gerechnet, aber nicht damit, dass ich mich bei ihm entschuldige.
„Wieso?“, fragte er nur. „Wieso, was?“
„Wieso entschuldigst du dich. So wie es aussieht, konntest du nichts dafür.“
„Mag sein, aber, wenn ich mich recht erinnere, habe ich es gespürt, als diese Magie in mir aufgebrodelt ist. Ich hatte das Gefühl ich könne es kontrollieren, weshalb ich nicht auch nur im Ansatz versucht habe, sie zu unterdrücken. Ich habe mich ihr hingegeben. Hätte ich das nicht getan, wäre es vielleicht garnicht so weit gekommen. Ich habe es zu spät mitbekommen, dass die Magie auf dich zugeschossen ist.“ Ich versuchte mich zu erklären, aber egal wie man es dreht und wendet. „Es war und ist meine Schuld. Ich hätte es verhindern können, aber dieses Gefühl der Macht, hatte mich geblendet.“
In diesem Moment weiteten sich Fiestas Augen. „Gefühl der … Macht? Wie meinst du das?“, entgegnet er erschrocken. „Ich habe gespürt, wie es durch meine Adern fließt und sich ausbreitet. Am Anfang hatte ich noch das Gefühl, ich habe die Kontrolle, aber so blieb es nicht.“ Fiesta schien nachzudenken, was er darauf erwidern sollte, aber er kam schnell zu einer Antwort: „Was war der Auslöser, dass die Magie in dir zu brodeln begann? War es ein Versuch deinerseits deine Magie auf einen Punkt zu konzentrieren oder war es etwas anderes?“
„Ich weiß ni– “
„Saphira, bitte denk nach. Das ist wichtig.“
„Ich glaube es war deswegen, weil ich frustriert war und wütend, dass ich es nicht hinbekommen habe.“
„Warst du auf dich wütend?“, fragt er weiter.
Ich wollte das nicht aussprechen. Ja ich war wütend auf ihn, aber würde ich ihm das sagen, würde er mir dann noch glauben, dass es mir leid tut? Unwahrscheinlich. Fiesta aber sah mich mit einem gewissen Nachdruck an. Ich konnte es ihm nicht verschweigen. „Ich glaube ich war wütend auf dich. Aber das Gefühl war ganz schnell wieder weg, als die Magie aufgetaucht ist.“ Ich versuchte schön zu reden, was nicht schön geredet werden konnte.
„Okay. Dann war es also deine kurzzeitige Wut auf mich, die das ganze ausgelöst hat. Also sollten wir das Training demnächst einfach ruhiger angehen, um starke Emotionen deinerseits zu vermeiden. Zumindest bis du deine Magieanteile besser unter Kontrolle hast.“
Nun bin ich es, die fragt: „Du bist nicht wütend?“
„Nein, warum sollte ich?“
„Ich habe dich beinahe umgebracht.“
„Nein hast du nicht.“
„Aber … Ich habe dich mit der Gabe angegriffen, die jeden, der Schattenmagie hat, töten kann.“
„Ja das mag sein, aber du hättest mich nicht umbringen können. Du weißt noch nicht sehr lange, dass du magische Kräfte besitzt. Daher ist der Zeitraum, in dem du sie zu 100 Prozent ausschöpfen kannst, sehr gering. Ein paar Sekunden mehr und dir wäre erst einmal das Licht ausgegangen.“
„Aber du meintest doch, ich habe dich nicht gerade wenig erwischt.“ Wie konnte er nicht im Geringsten wütend auf mich sein? Jeder andere wäre es. Zumal es ihm nicht einmal zu verübeln wäre…
„Das stimmt, aber glaube mir: Ich war der Gabe schon sehr oft ausgesetzt. In unserem Fall konnte ich ihr sofort ausweichen. In den Situationen, in denen ich mich schon befand, war ich ihr viel länger ausgesetzt und konnte ihr nicht ausweichen. Die längste Zeit waren 3 Tage. Also solltest du jemals auf die Idee kommen, mich umbringen zu wollen, dann musst du dir was einfallen lassen.“ Bei dem letzten Satz, zierte Fiestas Lippen ein Lächeln. 
„Wieso lachst du?“, frage ich verwirrt. Mein Blick, da war ich mir ziemlich sicher, muss sehr entsetzt ausgesehen haben, als Fiesta zu lächeln begonnen hatte.
„Ich weiß es nicht. Aber würde ich die ganzen Mordversuche auf mich nicht mit etwas Humor nehmen, würde ich sehr wahrscheinlich daran zerbrechen.“ Nun wirkte sein Lächeln von zuvor eher so, als versuche er krampfhaft, es aufrecht zu erhalten, nicht als wolle er alles mit Humor nehmen.
„Aber wieso will dich jeder hier umbringen?“
„Das will nur einer. Der ganze Rest ist dafür zu feige.“ Abscheu. Von jetzt auf gleich triefte seine Stimme wieder davon.
„Darf ich fragen, wer?“
„Du hast ihn vor kurzem das erste Mal gesehen. Ich hatte den Anschein, er war dir sehr suspekt.“
„Blue? Was hast du ihm denn getan?“ Blue wollte ihn umbringen? Das wundert mich erschreckenderweise nicht sehr, so, wie er über Fiesta hergezogen ist.
„Das wüsste ich auch gerne. Liegt wahrscheinlich an den Leuten, die sich meine Familie nennen. Wir haben nicht das beste Verhältnis, aber bei deinem Vater ist es sicherlich anders.“
„Wie kannst du das so eindeutig sagen?“, frage ich etwas bedrückt.
„Wie gesagt, ich kenne ihn sehr gut. Er wird dich mögen und du ihn hoffentlich auch.“
Darauf konnte ich nichts antworten. Wie auch. Ich kenne meinen Vater nicht. Noch nicht.

„Ich möchte dir etwas zeigen. Komm mal mit.“, meint mein Gegenüber von einer Sekunde auf die andere.
„Sicher, dass das eine gute Idee ist? Nicht, dass ich dich wieder angreife.“, werfe ich vorsichtig ein.
„Das passiert schon nicht, glaube mir. Und selbst wenn, dann stoppe ich dich rechtzeitig. Und jetzt komm schon.“
Ohne noch etwas zu erwidern, folge ich Fiesta. Der Raum, in dem ich mich befand lag augenscheinlich direkt neben dem, wo ich sonst immer bin. Wirklich wahrgenommen hatte ich jenen aber noch nie so richtig. Wir liefen den Gang bis zur Treppe. Ich wollte jene bereits hinaufgehen, als Fiesta überraschenderweise nach rechts ging. Verblüfft bleibe ich stehen, woraufhin auch er stoppt. „Hier geht’s lang.“, meint er nur. Einen Augenblick später stehen wir im Festungshof.

Ich atme ein paar Mal tief ein und aus. Es fühlt sich beinahe so an, als wäre ich eine halbe Ewigkeit nicht mehr außerhalb dieser Festungsmauern gewesen.
Ich schließe die Augen und spüre eine leichte Brise, die mir durch die Mähne weht. Ein Lächeln schleicht sich in mein Gesicht.
„Einerseits könnten wir laufen, aber andererseits könnten wir auch den schnellen Weg wählen.“, sagt Fiesta und im nächsten Moment war er verschwunden.

Auf einmal höre ich seine Stimme in meinem Kopf:
"Ich bin schon da. Jetzt bist du dran. Denke daran, wie du neben mir stehst. Sehe es vor deinem inneren Auge. Dann schließe sie und teleportiere dich her."
Ohne darüber nachzudenken, befolge ich seine Anweisung und im nächsten Moment stehe ich neben ihm.
Als ich die Augen dann wieder öffne, bin ich mehr als überrascht, als ich mein früheres Geheimversteck erkenne. „Hier ist es wunderbar idyllisch, nicht?“, fragt Fiesta lächelnd.
„Ich liebe es hier. Als Fohlen habe ich mich hier immer versteckt. Naja ich habe es eher versucht. Fuego wusste immer sofort, wo er suchen musste.“
„Ob du es glaubst oder nicht, auch ich habe hier oft Zuflucht gesucht, als ich noch jünger war. Allerdings haben sie mich nie gefunden, da ich hier noch ein kleines Geheimversteck hatte, in das ich immer geflüchtet bin, als sie hier aufgekreuzt sind. Es ist gleich dort hinten zwischen den beiden Felswänden.“, erklärt Fiesta und deutet hinter uns. Tatsächlich war dort ein kleiner Spalt zwischen den Felsen. Davor hing etwas wilder Efeu herunter, sodass man Jemanden, der sich dahinter versteckte, nicht sehen konnte.
Die nächsten Minuten verstrichen in vollkommener Stille. Wir blickten nur auf den See und betrachteten das Glitzern der Sonne auf der Wasseroberfläche.

„Ich wollte dir danken, Saphira.“, meint der schwarze Hengst auf einmal, wie aus dem Nichts.
„Danken wofür?“, frage ich.
„Dass du dich entschuldigt hast. Das sich Jemand bei mir entschuldigt hat, ist mir eigentlich noch nie passiert.“

Fiesta erzählt überraschenderweise noch etwas mehr über seine Kindheit und wirkte so frei und unbeschwert, als er darüber sprach. Er nannte zwar nie auch nur einen Namen der Pferde, über die er sprach, aber das störte mich keineswegs.
Auch ich schwelgte etwas in Erinnerungen, an die Momente, die ich hier mit Fallada verbrachte und auch einfach nur redete.
Fiesta und ich unterhielten uns noch lange über die unterschiedlichsten Sachen, bis irgendwann die Sonne den Horizont erreichte und schließlich das Mondlicht vom Wasser reflektiert wurde.
Kurze Zeit später brachen wir wieder auf in Richtung Festung. Eigentlich hätte ich bedrückt sein sollen, dass ich mich nun wieder in die kalten Gemäuer begeben muss, aber stattdessen fühlt es sich tatsächlich etwas wie ein Ort an, an dem ich mich nicht verstellen muss, sondern einfach ich selbst sein kann.

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Hallihallo liebe Leser... Ich hoffe das neue Kapitel hat euch gefallen.. Lasst mir doch gerne euer Feedback da.

Allerdings fürchte ich das ihr euch bei dem nächsten Kapitel noch etwas gedulden müsst, denn leider kriege ich aktuell mal wieder nichts geschrieben.. Ich weiß was ich schreiben will, aber habe keine Ahnung wie..

LG GiroScheckie

"Wer bin ich?"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt