15. "Ich kenne jede einzelne Schwachstelle." (P.o.V Saphira)

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3/? Wochen

P.o.V. Saphira
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„Na dann lass ich dich mal allein. Suche dir ruhig ein paar Bücher heraus und nimm sie dir mit runter. Aber bitte übernachte nicht hier.“ Dann dreht er sich um und geht. Jetzt stehe ich hier. In dieser riesigen Bibliothek deren Existenz ich vor ein paar Stunden nicht einmal für möglich gehalten hätte. Noch weniger hätte ich erwartet, dass Fiesta liest. Ich meine er ist immernoch Derjenige vor dem jeder hier in Nimarya sofort die Flucht ergreifen würde. Ich auch. Warum ich es nicht längst  getan hatte, ist mir vollkommen schleierhaft. Die Möglichkeit habe ich ja jetzt. Vor meiner Zelle befindet sich kein Schutz, also könnte ich jederzeit abhauen, wenn er nicht in meiner Nähe war. Aber das ist gerade in diesem Moment erst einmal nebensächlich.
Entschlossen, mich hier ausgiebig umzusehen laufe ich rechts herum und befinde mich sogleich auf der ersten Ebene. Immernoch fasziniert von diesem Ort, gehe ich verträumt an den Regalen vorbei. Immer wieder bleibe ich stehen und lasse meinen Blick über die Titel der Bücher fliegen, doch keiner davon fesselt mich so sehr, dass ich die Geschichte dahinter erfahren wollte. Mehrere Stunden lang ist es so. Ich hatte schon die gesamte Ebene abgelaufen und bin danach runter in das ‚Erdgeschoss‘ gegangen, in der Hoffnung, ich finde da etwas Gutes. Ich hatte bereits die gesamte Fantasy- und Kräuterabteilung hinter mir gelassen. Denn auch, wenn ich es eigentlich liebe, in jenen Büchern in eine andere Welt abzutauchen, fand ich nichts Passendes. Auch die Helionabteilung hatte ich fast hinter mir gelassen, bis ich auf einmal ein Buch über die Geschichten des Helions finde. „Geheimnisse des Helions“ lautet der Titel. Es befindet sich direkt neben dem Eingang zu dem Teil der Bibliothek, in dem Fiesta seiner Aussage vorhin zufolge, verbotene Bücher und generell alles zum Schatten aufbewahrte. Anders als alle anderen Bücher hier, stand es nicht neben einem anderen aufrecht im Regal, sondern lag gebettet auf einem roten Samtkissen mit goldenen Fransen. Sieht so aus, als wäre das Buch etwas Besonderes für Fiesta. Seltsam, denke ich mir. Trotzdem halte ich es einige Sekunden später in den Hufen. Allerdings stehe ich immernoch wie erstarrt vor der Schattenabteilung. Sie sieht aus, wie der Rest der Bibliothek. Nicht dunkel oder gar kalt. Weder abstoßend, noch beängstigend. Nicht so, als würde er Schaden bringen wollen, sondern eher einladend. Normal. So normal, wie alles andere hier auch.

Ich schüttle den Kopf. Ich sollte eindeutig aufhören, so etwas zu denken. Der Schatten mag zwar nicht so wirken, aber er ist gefährlich. Er verführt, schadet und tötet. Er ist und bleibt tabu für mich. Niemals werde ich mich dort gut fühlen. Vielleicht wäre es anfangs aufregend, aber später wäre ich allein, dunkel und würde im schlimmsten Fall sogar noch zur Mörderin. Das darf einfach nicht passieren.

Ich wende mich ab und beschließe kurzerhuf mich wieder auf dem Rückweg zu meiner Zelle zu begeben. An der Treppe, die zum Ausgang der Bibliothek führt, angekommen, bleibe ich stehen. Ich spiele mit dem Gedanken, doch in dieses Zimmer zu gehen, aber mein gesunder Verstand hält mich glücklicherweise davon ab. Ich gehe die Treppe hinauf und schließe nachdem ich sie verlassen habe, die Tür zur Bibliothek. Ich gehe die nächste Treppe, die sich nun vor mir erstreckt, hinab und biege dann links in den dunklen Gang ab. Hinten, wo es am dunkelsten ist, laufe ich nach rechts. Zurück in meiner Zelle, lege ich das Buch neben dem Moosbett ab, lege mich hin und starre an die Decke. Ich fühle mich, als läge eine große Last auf meinem Brustkorb. Mir fällt es beinahe schwer zu atmen. Und das obwohl da rein garnichts ist. Immernoch habe ich den Raum vor Augen und egal, was ich tue, er verschwindet nicht aus meinem Kopf. Daher beschließe ich, mich mit Lesen etwas abzulenken.
Ich schlage das Buch auf und halte inne, als ich die Worte sehe, die auf der ersten Seite stehen: „Für meine Prinzessin Aphrodite“ und darunter „von Fallada“. Die Verwunderung muss man mir eindeutig aus dem Gesicht ablesen können. Warum hat Fiesta ein Buch hier, dass für Aphrodite bestimmt war? Es lag auf diesem roten Kissen. Kein anderes Buch habe ich so gefunden und ich bin fast durch die gesamte Bibliothek gelaufen. Aber warum stand da Fallada. Es muss mein Freund Fallada sein. Eindeutig. Aber ich wusste nichts davon, dass Fallada und meine Mutter je etwas miteinander zu tun hatten, geschweigenden, dass sie sich jemals begegnet waren. Fallada hatte nie viel über sich gesprochen, aber das hätte er ihr doch sicher erzählt, oder? Wobei, vielleicht auch nicht. Immerhin wusste früher noch keiner, dass sie meine Mutter ist. Aber die Hauptfrage, auf die ich mir eine Antwort wünsche, war die, warum ausgerechnet Fiesta dieses Buch besitzt und es ihm wichtig ist. Relativ fest entschlossen, ihn das später zu fragen, wenn mir der Moment passend erscheint, blättere ich weiter. In mir breitet sich Vorfreude auf die Heliongeschichten aus, doch diese wird schnell wieder zunichte gemacht. Denn anstatt einer schönen Fohlengeschichte, finde ich einen anderen Buchtitel: „Der Schatten“. Vor lauter Schreck entweicht mir ein kurzer Schrei und das Buch landet in der äußerten Ecke der Zelle. Ich drücke mich an die Wand hinter mir und atme hektisch ein und aus. Dieses Ding enthält Schatten, viel Schatten und es war anscheinend ein Geschenk von Fallada an Aphrodite. Beide sagen mir immer, dass ich mich bloß von dieser Magie fernhalten soll, aber offenbar haben sie es selbst nicht getan. Nein. Sie haben sogar ein Buch darüber gelesen, das eine Art Schatten-Guide zu sein scheint. Ich fühle mich verraten. Belogen. Alle sagen sie, dass sie sich noch nie damit beschäftigt haben und es ebenso wenig wagen würden. Niemals. Und jetzt finde ich dieses Etwas? Warum?

Ich vernehme leise Schritte, die sich in meine Richtung zu bewegen scheinen.  Kurze Zeit später betritt Fiesta meine Zelle und sieht verwundert zu mir. Ich nehme ihn nicht richtig wahr, sondern starre immernoch zu diesem Buch. Fiesta folgt meinem Blick und als er das Buch zu erkennen scheint hält auch er inne. Dann sieht er wieder zu mir. „Ist alles okay?“, fragt er. Ob alles okay ist? Natürlich. Alles bestens. Ich habe nur gerade herausgefunden, dass mein bester Freund und meine Mutter, die mich bis vor kurzem vergessen hatte, mich die ganze Zeit belogen haben. Obwohl ich gerade am liebsten schreien und weinen wollen würde, saß ich regungslos am Boden und reagierte nicht. „Saphira?“, fragte Fiesta nun erneut, wenn ich es richtig wahrgenommen hatte. Vielleicht geht er ja wieder, wenn ich lange genug nichts sage. Ich vernahm ein Seufzen von ihm. „Nein.“ Er machte eine kurze Pause. „Ich gehe nicht, wenn du lange genug nichts sagst, Saphira. Ich hatte nicht vor das Gedankenlesen bei dir anzuwenden, aber so verstört wie du gerade aussiehst, lass ich dich bestimmt nicht alleine hier. Und da du nichts sagst…“ Durch seine Worte bin ich etwas aus meiner Starre erwacht, hatte aber nicht wirklich für voll genommen, was er gesagt hatte. „Was?“, frage ich daher nur. Ich sehe ihn direkt an und anders als sonst, stört es mich nicht. Das ist aber sicher nur so, weil ich gerade andere Sorgen habe.

„Ich werde nicht gehen, wenn du lange genug nichts sagst, Saphira.“, sagt er nun erneut. „Was? Wie…Wie kannst du?“, stammle ich unbeholfen umher. „Ich kann Gedanken lesen, Saphira. Deine Vermutung anfangs hat gestimmt und ja Fuego weiß das. Warum er es dir nicht erzählt hat, sei jetzt einfach mal dahingestellt. Wie schon gesagt: Ich hatte nicht vor diese Fähigkeit bei dir anzuwenden, aber du sahst gerade eben sehr verstört aus. Nur damit du es weißt: Ich kann das ganze kontrollieren. Du musst jetzt also keine Angst haben, dass ich das immer anwende. Das gerade eben, war das erste Mal, dass ich es genutzt habe.“ Ich bin total perplex. Er kann doch Gedanken lesen? Tut er es gerade? „Ich bemerke es, wenn mir Jemand indirekt Fragen stellt.“, erwähnt er nur.

„Anderes Thema: Warum warst du vorhin so verstört?“, fragt er auf einmal. Erneut gleitet mein Blick langsam zu dem Buch, das nur zwei Schritte von Fiesta entfernt in der Ecke der Zelle liegt. Auch sein Blick wandert zu dem Buch und bleibt an Diesem hängen. Er mustert es, scheint zu überlegen und es schließlich zu erkennen. Erneut entweicht ihm ein Seufzen und sein Blick damit wieder zu mir. „Woher hast du das?“ In seiner Stimme liegt etwas, das ich nicht genau benennen kann. „Aus der Bibliothek. Es lag auf einem roten Samtkissen.“ „Das Buch enthält keine Heliongeschichten.“, sagt er nun. Ach was. Was denkst du denn warum das Ding in der Ecke gelandet ist.
„Ich weiß. Das habe ich mitbekommen. Aber nachdem, was auf der ersten Seite steht, gehört es meiner Mutter. Abgesehen hat ein Fallada ihr das Buch geschenkt. Warum liegt das also hier?“ Ich kann nicht glauben, dass ich das gerade wirklich gesagt habe. „Das geht dich nichts an. Noch nicht, Du wirst das alles noch irgendwann verstehen.“ Ich verdrehte meine Augen. Immer heißt es, dass ich Alles später verstehen werde. Was ist, wenn ich es aber jetzt wissen und verstehen will? Das scheint ja hier Niemanden zu interessieren. „Glaube mir Saphira, wenn ich dir das jetzt erklären würde, dann würdest du alles versuchen, um hier irgendwie rauszukommen.“
„Woher willst du das wissen?“, stelle ich seine Aussage in Frage.

„Ganz einfach“, sagt er und plötzlich liegt etwas Schnippisches in seiner Stimme, „Weil ich dich kenne. So, wie ich jeden hier in Nimarya  kenne. Ich kenne alle Stärken, aber genauso gut kenne ich jede einzelne Schwachstelle. Bei dir ist es deine angebliche Angst vor dem Schatten, die du allerdings mit links überwinden könntest, da dein Interesse viel größer ist. Und du suchst deinen Vater schon dein Leben lang, aber hast bisher keinerlei Erfolg dabei gehabt. Das macht dich schwach und vor allem verwundbar.“ Ich kann nicht verhindern, dass mir  Tränen  über das Gesicht kullern. Zu sehr haben mich seine Worte verletzt. Ich hatte ihn ja bereits grausam eingeschätzt, aber so grausam?
Anstatt mir zur Seite zu stehen, wie das letzte Mal, als ich geweint hatte, nimmt Fiesta das Buch behutsam ins Maul und verlässt ohne ein weiteres Wort meine Zelle.

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Hey ihr. Kennt ihr mich noch? Ich weiß, es ist lange her, dass ich etwas hochgeladen habe, aber das ganze hatte einen guten Grund, der ausnahmsweise mal nicht Schule heißt. Zumindest nicht nur. Vor fast 6 Wochen ist einer von meinen Hasen verstorben. Das ganze setzt mir immernoch zu, wenn ich darüber rede. Aber immerhin geht es den anderen beiden bestens.
Und was Schule angeht... Ich habe heute meine erste Vorabi-Prüfung geschrieben.

Wie geht's euch so?

LG GiroScheckie

"Wer bin ich?"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt