6. Gefangen

17 1 5
                                    

Als Aphrodite erwachte fand sie sich in einem kleinen Raum wieder, der trotz seiner geringen Größe relativ gut ausgestaltet war. Sie richtete sich auf, verlor jedoch sofort wieder das Gleichgewicht. Die Augen zusammengekniffen bereitete sie sich darauf vor, auf dem harten Boden zu landen, doch sie fiel weich. Sie drehte sich auf die andere Seite und erkannte ein Moosbett, welches erst vor kurzem angelegt worden sein musste, da man den frischen Waldduft noch riechen konnte. Da der Schwindel nach einigen Minuten immer noch nicht nachgelassen hatte, beschloss Aphrodite den Raum vorerst im Liegen zu betrachten. 
Er besaß eine gute Grundausstattung, sodass man gut für eine längere Zeit hier verweilen könnte. Von ihr aus gesehen in der hinteren rechten Ecke stand ein Wassereimer und ein leerer, welcher hoffentlich für Essen gedacht war. Das Bett befand sich im Mittelpunkt der hinter ihr gelegenen Wand, sodass man den gesamten Raum im Überblick hatte. Einerseits wirkte er bedrohlich auf sie, aber andererseits kam er ihr bekannt vor.
Ihr Schwindel hatte sich etwas zurückgezogen, weshalb sie sich nun auf ihre Beine verlassen und aufstehen konnte. Sie zitterten zwar noch recht stark, aber immerhin stand sie. Als sie allerdings vorwärts gehen wollte, kam sie ins Schwanken, weshalb sie sich dafür entschied, vorerst auf der Stelle stehen blieb. Sie streckte ihren Hals nach vorne, um mit ihrem Horn zu ertasten, ob sie auf eine Barriere stoßen würde, was sie jedoch nicht vermutete. Erschrocken darüber, dass dies der Fall war, zuckte sie zurück und verlor erneut das Gleichgewicht, wodurch sie wieder zurück auf das Moosbett kippte. Als der Schwindel erneut nachgelassen hatte, sah sie sich erneut im Raum um. Sie versuchte sich zu erinnern, woher sie diesen Ort hier kannte.
Dann fiel es ihr ein. Ein Blick aus der Barriere, die wie ein Fenster wirkte, ließ einen dunklen Hinterhof vor ihren Augen erscheinen.
An diesem Ort hatte sie sich vor Jahren mit Fallada vor ihrem Vater Blue versteckt, da dieser es auf ihren Geliebten abgesehen hatte. Er war damals fast umgekommen, weil er von Blue mehr als zehn Stunden im Helion festgehalten hatte. Zum Glück hatte er trotzdem überlebt.
Aber war Fallada nach über zehn Jahren zurückgekehrt, um sie zu überraschen?
Nein. Das konnte nicht sein. Sie hatte ihn damals von sich gewiesen, um zu verhindern, dass er nochmals in Lebensgefahr geriet.
Er allerdings hatte das nicht so einfach aufgenommen. Er war total irritiert.
Deshalb wollte Aphrodite am folgenden Tag nochmals mit ihm sprechen.
Doch wo sie ihn auch suchte… Fallada war wie vom Erdboden verschluckt und bis heute nie wieder irgendwo aufgetaucht. Daher war es beinahe unmöglich, dass er zurückgekehrt war und sie überraschen wollte.
Wer aber war es dann, der sie hier gefangen hielt?

„Na ausgeschlafen?“, fragte sie eine ihr wohl bekannte Stimme hinter ihr. Erschrocken fuhr Aphrodite zusammen und hastete so schnell wie möglich in die nächste Ecke, jedoch gaben ihre Beine nach zwei Schritten nach und sie fand sich am Boden wieder. Damit sie ihr gegenüber im Auge behalten konnte, rappelte sie sich langsam auf, lehnte sich schwerfällig gegen die Wand links von ihr und sah nun schräg nach rechts hinten, wo sie leider Fiesta erblickte.
„Nanana, nicht so hastig. Komm schon, so schwindelig kann dir doch gar nicht mehr sein.“, meinte Fiesta nun genervt. „Seh‘ ich so aus, als ginge es mir blendend? Nein? Gut! Dann hast du dir deine Frage ja selber beantwortet.“, entgegnete Aphrodite erschöpft, mit klopfenden Herzen.
„Wenn du so scharf drauf bist, kannst du gerne noch ein paar Minuten länger in der Luft zirkulieren.“, gab Fiesta gereizt zurück. „Dann hab ich wenigstens meinen Spaß.“ Ein fieses Grinsen zierte sein Gesicht. Allein bei dem Gedanken daran, dass sie sich vorhin sicherlich mehrere Minuten in der Luft gedreht hatte, wurde ihr schlecht. „Der leere Eimer hinter dir ist zum reinkotzen. Essen bekommst du noch, vorausgesetzt du bist brav und machst schön das, was ich dir sage.“ „Warum sollte ich das tun, was du mir sagst? Denn falls ich es sollte, nenn mir mindestens einen triftigen Grund dazu.“ „Zum Beispiel, weil ich exakt weiß wann Saphira sich wo aufhält… Soll ich weitermachen, oder reicht das als Druckmittel?“, fragte Fiesta eindringlich. Nun kullerte Aphrodite eine Träne übers Gesicht, als sie realisierte, dass Fiesta in diesem Augenblick die Fäden in der Hand und sie verloren hatte.
„Da haben wir ja meine Antwort.“, fügte der Dämon triumphierend hinzu. „Mach‘s dir gemütlich, denn das hier wird voraussichtlich für die nächste Zeit dein zu Hause sein!“

„Wieso sollte ich es mir gemütlich machen, wenn ich sowieso alle fünf Minuten von einem gewissen Dämon hochgeschreckt werde, der nebenbei denkt, er könne alles mit mir machen?“, schrie Aphrodite dem Dämon wütend entgegen.
Das aber hätte sie lieber nicht tun sollen, denn jetzt hatte sie Fiesta zur Weißglut gebracht.
Sie wusste nicht, ob er noch wütender werden konnte, als er es gerade war, wollte dies aber bestimmt auch nicht herausfinden, denn man konnte seine Wut jetzt schon förmlich spüren und seine eisblauen Augen blitzten nur so.
„Sprich noch einmal so mit und du lernst mich richtig kennen! Ich hätt dich auch in den Kerker verfrachten können, in dem es um einiges unhygienischer ist, als hier. Habe ich zwar nicht getan, wäre aber wahrscheinlich besser so gewesen. Außerdem… ich sage nur Saphira.
Dein Töchterchen freut sich bestimmt über einen kleinen Besuch meinerseits.
An deiner Stelle würde ich jetzt aber ganz genau darüber nachdenken, was du sagst und was nicht!“

Während Fiesta der Helionstute diese Worte an den Kopf warf, war er immer näher kommen, sodass ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander getrennt waren. Sie spürte, wie er wütend ein- und ausatmete. Die Luft zwischen ihnen war zum Schneiden dick.
Fiesta hatte dieses Moosbett extra angelegt. Und das wusste Aphrodite, das sah er. Aphrodite aber war ebenfalls wütend, sodass ihre ganze Angst gegenüber dem Dämon für diesen Moment von ihr abfiel.
So ließ sie ihrer Wut freien Lauf: „Niemand anders als Fallada hat diesen Raum hier so eingerichtet. Niemand anders als er. Niemand anders,  als der beste Freund den ich jemals hatte.“, sagte sie und schon kullerten die Tränen.
Sie vermisste ihn immer noch, aber sie wollte nicht weinen. Schon gar nicht vor Fiesta.
Dieser jedoch schwieg nur. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Er sah sie nur an.
Er analysierte ihre Gedanken, doch, dass er dies tat, wusste sie nicht. Wenn er sein gegenüber lang genug beobachtete, war es ihm möglich einen Großteil der Gedanken lesen zu können. Bei Aphrodite verstand er jedes noch so kleine Detail. Sie fragte sich, was er überlegte und sie vermutete, dass er etwas mit Falladas Verschwinden zu tun hat. Schließlich stellte sie ihm diese Frage auch, immer noch mit zitternder Stimme, aufgrund des Weinens. „Ich habe rein gar nichts damit zu tun. Und das ist zu 100%-“ „Gelogen!“ , schnitt Aphrodite ihm das Wort ab. „die Wahrheit!“, gab er genervt zurück. „Bevor ich mich hier weiter unnützlich aufrege, gehe ich mal lieber. Bei weiteren Problemen oder Unstimmigkeiten betätigen sie bitte die nicht vorhandene Klingel, um ihr Anliegen loszuwerden. Dankeschön.“
Damit war der Dämon wieder verschwunden.

„Typisch.“, dachte sich Aphrodite. „Das habe ich gehört.“, antwortete auf einmal Fiestas Stimme aus dem Nichts. „Ich höre alles was du sagst und denkst. Blöd gelaufen.“ Genervt verdrehte Aphrodite die Augen. Da der durch Fiesta ausgelöste Adrenalinschub langsam wieder nachließ, kam ihr Schwindel zurück, der jetzt leider auch noch von höllischen Kopfschmerzen begleitet wurde. Erschöpft legte sie sich also wieder auf das weiche Moosbett und fiel mit gemischten Gefühlen in einen unruhigen Schlaf.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Kapitel Nummero 6
Ich habe tatsächlich schon ein bisschen vorproduziert, sodass ich meinen Vorsatz für dieses Jahr, jeden Monat ein Kapitel hochzuladen, bis jetzt denke ich ganz gut einhalten kann.
Vielleicht kommt diesen Monat auch noch eins. Wir werden sehen

LG GiroScheckie

"Wer bin ich?"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt