Vergangenheit 2 (Fallada) - Nächtlicher Spaziergang

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Es war tiefste Nacht. Mir war kalt.
Trotzdem war ich wie jeden Tag auf dem Weg zu der Festung, in welcher mein Vater leben solle.
Ich hoffte sehr, dass er dieses Mal herauskam. Jedoch war dies auch die letzten 8 Jahre kein einziges Mal passiert. Also sollte ich mir lieber nicht zu viel Hoffnung machen.
Ich betrat den Festungshof. Den Meisten würde jetzt sicherlich ein kalter Schauer über den Rücken laufen. Sie würden Angst bekommen, die der düsteren Atmosphäre, zuzuschreiben wäre. Der dichte Nebel, der die Steine der Festung in ein bläulich-graues Licht tauchte, würde sie zum Zittern bringen.
Doch ich fühlte mich wohl hier. So, als wäre ich hier zu Hause. So, als lebe ich hier. Aber das versteht sowieso keiner. Fuego würde es vielleicht noch akzeptieren, aber wenn Blue das Oberhaupt des Helions erfahren würde, dass ich jede Nacht hier bin, dann wäre die Hölle los.

Ich erwartete wie immer einen komplett leeren Hof vorzufinden. Doch als ich in Richtung des linken Festungsflügels blickte, sah ich etwas am Boden liegen. Als ich näher kam erkannte ich ein Buch. Das Buch der Schatten, hieß es. Der Titel klang unspektakulär aber doch irgendwie spannend.
Es war offensichtlich, dass mein Vater dieses Buch dort hingelegt hatte.
Um sicherzugehen, dass niemand sonst hier war, sah ich mich nochmals kurz um, ehe ich mich bückte, das Buch aufhob und mich auf den Rückweg zum Helion machte.

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Ich stand in Fuego und meinem Zimmer im Helion und las.
Als ich aufgewacht war, hatte mein Zwillingsbruder sich bereits nach draußen begeben, um mit den Anderen zu spielen.
Ich las schon den gesamten Vormittag ununterbrochen. Dieses Buch hatte mich in seinen Bann gezogen.
Ich war wie gefesselt davon, sodass ich gar nicht bemerkte, wie Fuego den Raum betrat.
"Was liest du denn da? So ein Buch hab ich in der Helion-Bibliothek ja noch nie gesehen.", meinte er nun.
Als ich realisierte, dass er mich dabei erwischt hatte, wie ich ein Buch des Schattens lese, erschrak ich heftig.
"Ich-... Ähm-...", stotterte ich. Fuego sah mich wartend an. "Ich war letzte Nacht wieder bei der Festung, in der Vater wohnt. Da habe ich dieses Buch gefunden. Er hat es mir geschenkt.", antwortete ich ihm.
"Du weist aber schon, was Blue davon hält, wenn Jemand im Helion Bücher des Schattens liest, geschweige denn davon, dass man dafür Interesse hegt, oder?", sagte Fuego. "Bitte sag ihm nichts. Sonst schmeißt er mich raus." Flehend sah ich ihn an.
Nicht dass ich es hier toll fand, aber hier hatte ich meinen Bruder. Er ist der Einzige meiner Familie, der noch da ist. Der Einzige, dem ich nahe stehe. Wenn er mich bei Blue verpfiff, würde ich auch ihn verlieren.
"Keine Sorge, von mir erfährt er nichts." Erleichtert atmete ich aus, als Fuego dies sagte.
Ich kann also hier bleiben.

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Einige Tage später und ich stand noch immer lesend in unserem Zimmer. Dieses Buch ließ mich einfach nicht mehr los.
Draußen spielten die Anderen Verstecken, aber ich wollte nicht mitspielen. Auf einmal rannte Jemand ins Zimmer. Ich dachte, es wäre Fuego, weshalb ich in Ruhe weiterlas.
Als ich mich aber umdrehte, musste ich erkennen, dass es Panterra war, die hereingerannt war. Sie stand da und ihr Blick schwenkte zwischen mir und dem Buch hin und her. Dieses war von grauem Nebel umhüllt, weil ich diesen kurz zuvor erzeugt habe.
"Bitte sag Blue nichts.", war das Einzige was ich zu ihr sagte.
Panterra aber antwortete nichts. Sie verließ lediglich, so schnell sie konnte, das Zimmer.
Hoffentlich behält sie es für sich.
Hoffentlich kann ich hier bleiben

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Kapitel 2 aus Falladas Vergangenheit...

Was denkt ihr? Wird Panterra das Geheimnis für sich behalten, sodass Fallada bleiben kann?

LG GiroScheckie

"Wer bin ich?"Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt