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Am Nachmittag des gleichen Tages lagen sie im Schatten der Bäume auf einer Decke, die er im Sand ausgebreitet hatte. Ihr Haar war noch feucht vom Wasser und auf der Haut bildeten sich kleine Salzkrusten. Merhibams Heiterkeit war ansteckend gewesen, hatte keinen Platz mehr gelassen für seine Bedenken, hatte sie einfach fortgespült mit einem Lachen. Sie hatten nicht viel gesprochen an diesem Tag, aber viel gelacht, und sich geliebt. Und waren engumschlungen eingeschlafen. Es war so süß, so verführerisch, sich einfach fallenzulassen in diesen Ozean aus purem Glück. Was geschehen war, war geschehen und nicht mehr rückgängig zu machen.

Vor sich hatten sie eine Schale mit Pfirsichen gestellt. Abwechselnd schoben sie sich ein Stück Pfirsich in den Mund. Merhibam fühlte sich jung und alt zugleich, unbeschwert, sinnlos albern und immer noch wie im Rausch der Göttin gefangen. Jetzt behielt sie eines der Pfirsichstücke zwischen ihren Zähnen und ließ ihn abbeißen. Er tat es, und küsste sie darauf, wie erwartet. Sie strich ihm sanft und zärtlich die Haare aus dem Gesicht. Dann wurde sie plötzlich ernst und betrachtete ihn forschend. Wie schön er ist, dachte sie, und fragte, aus einer plötzlichen Eingebung heraus:

„Liebst du mich?"

Er war mit einem Schlag ernüchtert. Liebe! Was war schon Liebe? Ein leeres Wort. Auf seiner Stirn bildete sich eine steile Falte.

„Merhibam! Nötige mich nicht, so etwas zu dir zu sagen. Das..., das klingt so banal!"

Sie erstarrte. Er bemerkte, dass er sie verletzt hatte, und wollte sie auf den Mund küssen, aber sie drehte das Gesicht weg.

„Merhibam, bitte, versteh' mich nicht falsch," flehte er, „Weißt du, es ist nicht das erste Mal, dass mich... hm... jemand so etwas fragt. Und, ehrlich gesagt, ich habe meistens mit ‚ja' geantwortet. Das glaube ich zumindest." Er verzog zerknirscht das Gesicht.. „Ich kann mit dem Wort ‚Liebe' nichts anfangen. Wahrscheinlich habe ich es zu oft falsch verwendet." Er versuchte es mit Lachen, aber es klang leicht missglückt.

Sie sah ihn groß an und bemühte sich zu verstehen, was er meinte, aber sie begriff nicht, was er ihr sagen wollte.

„Bei Rahja!" seufzte er. „Sieh' mich doch nicht so traurig an, bitte. Ich will einfach nicht mit dir so reden, wie ich es schon mit anderen Frauen getan habe. Wenn man etwas sehr oft leichtfertig gesagt hat, verliert es seinen Sinn. Und für das hier... fehlen mir einfach die Worte, und ich will auch keine dafür finden müssen."

Sie sah ihn sehr ernsthaft an. Einen Augenblick überlegte sie, dann sagte sie entschlossen.: „Ich hab' das noch nie leichtfertig gesagt. Ich habe das überhaupt noch nie gesagt, darum darf ich so sprechen. Ich, ich liebe dich."

Die Erkenntnis, dass sie die Wahrheit sprach, traf ihn wie ein Schlag. Nicht genug, dass er ihr die Unschuld geraubt hatte – würde er ihr auch noch das Herz brechen? Der Gedanke an den Kummer, der unweigerlich mit ihrem Liebesgeständnis verbunden war, ließ ihn aufstöhnen, und er verbarg sein Gesicht ihrer Brust. „Das ist schlimm, weißt du das!" murmelte er. „Verdammt, was hab' ich dir angetan!"

Sie fühlte mit einem Mal Mitleid mit ihm und fuhr mit der Hand durch sein Haar. „Hör auf, so zu reden. Das beleidigt mich. Ich habe das genauso getan wie du. Es war meine Entscheidung. Ich habe Arved von Sturmhöhe meine Unschuld geschenkt, und es tut mir nicht leid. Und nichts, was du jetzt noch sagen könntest, wird etwas daran ändern."

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Perlenmeer Teil 1: RahjaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt