Als am nächsten Abend das Schiff erschien, bemühten sich beide unabgesprochen, sich vor der Mannschaft keine Veränderung anmerken zu lassen. Er fand dass er es ihrer Ehre schuldig war, aber dennoch hatte er das Gefühl, eine elende Komödie zu spielen. Sie war nicht so geübt darin, sich zu verstellen, und auch wenn sie Mühe gab, so erkannte er doch die Traurigkeit in ihren Augen, und dies zu sehen, tat ihm weh.
Merhibam stand neben ihm, mit einem Sicherheitsabstand von einigen Metern im Sand und spürte, wie die Angst in ihr hochkroch, immer höher, je näher das Schiff herankam. Aber diesmal war es die Angst, dass all dies zu Ende sein könnte, dass genau das eintrat, was er gesagt hatte: Dass sie wieder die Entführte wäre, und er der Pirat.
Aber als er sie zurücktrug auf das Boot spürte sie, dass er sie diesmal fester an sich drückte, als es nötig gewesen wäre, die Berührung fühlte sich vertraut an, sie nahm den Geruch seines Hemdes wahr und sie hielt ihre Augen gesenkt, weil sie wusste, dass ihr Blick sie sonst verraten hätte. „Rahja!," betete sie still. „Lass mir dies, erhalte es mir, mehr will ich nicht!"
Auf dem Schiff wurde sie erneut in die bekannte Kabine zurückgeführt, wo das Warten auf den Abend ihr schier unerträglich erschien. Sie spürte, dass das Schiff mit einiger Geschwindigkeit segelte, vernahm das Knacken des alten Holzes und fühlte den Wellengang. Draußen vernahm sie Stimmen, manchmal auch Arveds Stimme, die ihr jedoch hart und fremd schien. Verstehen konnte sie nichts. Am liebsten hätte sie sich gegen die Tür geworfen, mit beiden Fäusten dagegen getrommelt und wusste doch, dass nichts sinnloser und unvernünftiger gewesen wäre, als das. Da sie die Untätigkeit nicht ertrug, zog sie sich dreimal um, steckte das Haar hoch, löste es wieder, steckte es anders auf. Sie war nicht sehr geschickt darin, denn es war ihr ungewohnt, diese Tätigkeit selbst ausführen zu müssen. Schließlich ließ sie es offen.
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Perlenmeer Teil 1: Rahja
AdventureDas Schwarze Auge - eine Welt, die hunderttausend Geschichten schreibt. Manche ähneln einander, andere sind ganz eigen oder auch eigenartig. Einige Erzählungen sind phantastisch, einige komisch, alle jedoch sehr abenteuerlich. Das Besondere daran: E...