15 | PLEASE STAY WITH ME

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«Scheiße, Martin, es ist vorbei! Ich pack meine Sachen und dann bin ich weg. Dann kannst du den scheiß alleine machen, ich hab' nämlich die Schnauze voll.»

Das war etwa zwei Tage nach der Bauernhochzeit. Da meine Gefühlswelt zu dem Zeitpunkt auch noch komplett durcheinander war und Martin mich einfach nicht in Ruhe lassen wollte, hatte ich kurzerhand meinen Job hingeschmissen und meine Sachen aus der Firma mitgenommen.

Die Liebe von ihm zu mir hatte sich zu einer krankhaften Besessenheit entwickelt und leider entstand dadurch ein extrem angespanntes Arbeitsverhältnis. Immer wieder waren da diese leichten Berührungen von ihm, die von ihm bewusst ausgeführt wurden; auch wenn er immer was anderes behauptet hatte. Das streifen meiner Brust mit seinem Arm, die rein zufällige Berührung meines Hinterns mit seinem Handrücken oder das Einatmen meines Parfüms, wenn er mal hinter mir stand oder an mir vorbeilief.

Das, was mich jedoch komplett aus der Fassung gebracht hatte, war die Tatsache, dass er mir wirklich zu Hause aufgelauert hatte. Als ich mit Henry zusammen war, hatte er die Finger von mir gelassen, doch als er mitbekommen hatte, dass ich mich von Henry getrennt habe, fing das ganze Desaster an.

Nachdem ich meine Sachen gepackt hatte, fuhr ich direkt zur Polizei und gab eine Anzeige wegen sexueller Belästigung auf. Sie hatten zwar meine Aussage aufgenommen, aber wie lange es dauern würde bis zu einem Prozess - sofern es dazu kommen würde - wussten sie nicht.

Das war nun auch schon wieder ein Monat her. Mittlerweile war es Anfang September und ich saß auf gepackten Taschen und Koffern. Ich hatte Isas Rat angenommen und mich dazu entschieden, ein komplett neues Leben anzufangen. Doch dies würde in Deutschland einfach nicht mehr funktionieren. Ich verband mittlerweile so viel schlechtes damit, dass ich einfach meinen Traum verwirklichen wollte; ein eigenen Cateringservice in Los Angeles.

Zwar war das Auswandern in die USA nicht ganz so einfach, aber dennoch wollte ich diese Hürde nehmen und mir dort ein neues Standbein aufbauen. Da ich jedoch erst mal nur ein Visum für die nächsten sechs Monate hatte, konnte ich noch keinen eigenen Laden aufmachen, denn ich müsste mich erst mal in den USA einleben und etablieren; aber das würde ich schon schaffen. Der nächste Schritt wäre auf jeden Fall, die Beantragung der Green Card für einen dauerhaften Aufenthalt, eine etwas größere Hürde, aber auch diese würde ich sicher meistern. Wichtig war für mich jetzt erst mal aus Deutschland herauszukommen.

Doch was war mit Henry? Bis heute konnte ich ihn einfach nicht vergessen und ich wusste, dass es ihm ebenso ging. Ich hatte mich vor zwei Wochen dazu durchgerungen, seine Nummer zu entsperren, was sich auch direkt bemerkbar machte. Schon wenige Sekunden danach erreichten mich mehrere Nachrichten; Nachrichten, die mein Herz nur noch schwerer werden ließen.

Ich hätte wirklich erwartet, dass er sauer auf mich sein würde, doch dem war nicht so. In beinahe jeder Nachricht stand drin, wie sehr er mich vermisst und wie sehr er mich braucht. Ich wollte es irgendwie wieder in Ordnung bringen, denn auch ich vermisste ihn und das von Tag zu Tag immer mehr.

Durch Instagram erfuhr ich, dass er derzeit auf einer Pressetour war und morgen in Los Angeles landen würde. Zwar wusste er nichts von meinen aktuellen Auswanderungsplänen, doch ich hoffte, dass ich ihn am Flughafen irgendwie abfangen könnte - zwischen all den anderen Fans.

Es war vielleicht ein bisschen verrückt, doch ich wollte mich nicht länger vor meinen Gefühlen verstecken; ich wollte einfach nur ein Leben mit ihm und das würde nur so funktionieren. Ich hoffte so sehr, dass er mir verzeiht, denn den Fehler, den ich begangen hatte, konnte ich leider nicht mehr rückgängig machen.

Aufgeregt und mit gemischten Gefühlen stand ich am Check-In Schalter vom Berliner Flughafen und gab mein Gepäck auf. Der Flug würde einige Stunden dauern und gar eine Zwischenlandung in Amsterdam einfordern, doch das nahm ich gerne in Kauf; nur um aus Deutschland herauszukommen.

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