09 | Sascha

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Um halb zwei traf sich meine Gruppe im Surf-Schuppen. Wir saßen auf Stühlen im Kreis und ich kam mir vor, wie in der Grundschule. Sascha saß ein paar Stühle entfernt und eröffnete die Runde. „Hallo, ich bin Sascha und ich bin 23 Jahre alt. Zum Surfen kam ich durch meinen Vater, der einigen vielleicht unter dem Namen 'The Seal' bekannt sein dürfte." Einige der Anwesenden nickten, doch ich hatte von diesem Mann noch nie etwas gehört.

„Als ich anfing, war ich fünf", fuhr er fort. „Und ich lernte es lieben. Ich habe mich auch mal im Kite-Surfen probiert, doch das Gefühl, wenn man den Wind in den Händen spürt, wenn man das Segel hält, ist für mich unersetzbar. Jetzt leite ich mit meinem besten Freund Hauke die Surfschule meines Vaters und versuche euch das Gefühl näher zu bringen, welches mich die ganzen Jahre über angetrieben hat." Als er geendet hatte, fing die Gruppe an zu klatschen und ich stieg mit ein. Dann übergab Sascha das Wort an seinen Nachbarn, dem ich allerdings kaum zuhörte.

Verstohlen sah ich zu Sascha hinüber, der interessiert dem Bericht des Jungen neben ihm lauschte. Seine blonden Locken hatte er locker in einem Pferdeschwanz zusammengebunden und unter seinem legeren Hemd, trug er einen Hauch von Nichts. Manchmal, wenn er sich bewegte, konnte ich seine braungebrannten Muskeln unter dem Hemd erkennen. Unwillkürlich stellte ich mir vor, wie ich meine Hand in sein Hemd gleiten ließ und darunter seine Brust berührte. Er würde mir tief in die Augen blicken und mich so leidenschaftlich küssen, dass mein Herz fast platzen würde. In Gedanken schob ich sein Hemd weiter hoch und betrachtete mir seinen muskulösen Bauch. Ich stellte mir vor, wie ich mit meiner Zunge in seinem Bauchnabel spielte und mich langsam zu seinen Brustwarzen vorarbeitete. Sein warmer Atem wanderte über meinen Hals und er küsste meine Schultern.

„Und deswegen, möchte ich unbedingt Surfen lernen", hörte ich den Jungen neben mir seinen Satz beenden. ‚War ich schon an der Reihe?' Alle sahen mich erwartungsvoll an, auch Sascha. ‚Hätte ich doch wenigstens aufgepasst, was die anderen gesagt hatten.'

„Also, ich bin Jamie, ich werde diesen Sommer neunzehn und habe grade mein Abitur hinter mich gebracht", stammelte ich. "Und bevor für mich der Ernst des Lebens anfängt, wollte ich noch mal was neues Lernen, was mir mehr Spaß macht, als nur zu büffeln", beendete ich meine Vorstellung und hoffte, dass es genug war. Neben mir fing Bianca, ein hübsches Mädchen mit rundem Gesicht und ein paar Sommersprossen auf der Nase, an zu erzählen und ich beschloss, diesmal aufzupassen.

„Mein Name ist Bianca, ich bin siebzehn und ich fange im Herbst meine Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte an. Und meine Freundin Vanessa meinte, wir sollten vorher noch etwas Spaß haben und ihren Bruder Hauke besuchen. Und deshalb muss ich jetzt wohl oder übel auch surfen lernen." Einige lachten, bei dieser ehrlichen Aussage. Auch Sascha musste schmunzeln. Nun war Vanessa an der Reihe, die sich direkt neben Sascha gesetzt hatte.

„Hallo, ich bin Vanessa. Ich bin achtzehn und auch grade mit dem Abi fertig. Wie ihr schon gehört habt, besuche ich meinen Bruder Hauke, aber im Gegensatz zu Bianca bin ich auch hier, um surfen zu lernen." Entwaffnend lächelte sie zuerst Bianca an und dann in die Runde. „Und ich glaube, dass ich hier auch eine Menge Spaß haben werde", strahlte sie und nach Saschas Grinsen zu urteilen, war er es, der ihr diesen Spaß verschaffen wollte.

 „Und ich glaube, dass ich hier auch eine Menge Spaß haben werde", strahlte sie und nach Saschas Grinsen zu urteilen, war er es, der ihr diesen Spaß verschaffen wollte

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Nachdem Sascha uns ausschweifend alle möglichen Fragen zum Surfen beantwortet hatte, gab es endlich ein wenig Freizeit. Unsere Gruppe strömte nach draußen und traf vor dem Surfschuppen auf die Gruppe von Hauke.

Sofort erspähte ich Micha, der grade sein Surfbrett an die Schuppenwand stellte und dessen Haare in unordentlichen Strähnen vom Kopf abstanden. „Doch im Wasser gewesen?", sprach ich ihn an und er lächelte, als er mich erblickte. „Nur kurz", antwortete er. „Hauke hat uns ein paar Trockenübungen im Sand gezeigt und ich war danach total eingesaut", grinste er. Ich schmunzelte bei dem Gedanken an einen Micha, der ganz mit Sand bedeckt war, und unsere Blicke trafen sich. Es gefiel mir, wie er mich ansah. In seinem Blick lagen so viel Wärme und Geborgenheit und ich wollte ihm gerne sagen, wie süß er mit seinen verwuschelten Haaren aussah.

Doch statt es zu sagen, wanderte meine Hand wie automatisch zu seinem Kopf und fuhr mit den Fingern vorsichtig durch seine Haare. Als ich mir der Unangemessenheit der Aktion bewusst wurde, zog ich meine Hand schnell wieder zurück und murmelte ein leises ‚Sorry'. Etwas verlegen widmete sich Micha wieder seinem Surfbrett und strich sich danach die Haare mit den Fingern nach hinten, so dass sie wieder einigermaßen ordentlich aussahen.

„Wer hat Lust auf eine Runde Boccia an Strand?", fragte Hauke plötzlich in die Runde und alle stimmten freudig zu. Ich sah fragend zu Micha hinüber, der mir kurz zunickte und dann lächelte. „Wir werden euch fertig machen!"

Wir spielten in Gruppen gegeneinander und als ich an der Reihe war, wollte ich zeigen, was ich konnte. Ich fixierte den Pallino und warf meine Kugel. Sie kam nicht weit davon im Sand auf und rollte dann unglücklicherweise in eine Kuhle, in der entgegensetzten Richtung.

„Verdammt!", fluchte ich und sah Micha frech grinsen. Seine Kugel war dem Pallino bisher am nächsten gekommen. Hauke war der Nächste in der Reihe und traf die Startkugel so genau, dass diese aufsprang und in die Kuhle rollte. Direkt neben meine Kugel. Vergnügt streckte ich Micha die Zunge raus und er musste lachen. „Das war kein Können, das war Zufall", rief er mir zu, aber ich versuchte es zu ignorieren. Dann drehte ich mich zu Vanessa um, die nun ihr Glück versuchte.

„Zeig's denen", feuerte ich sie an. Sie schenkte mir ein Lächeln und konzentrierte sich. Sie warf in dieselbe Kuhle wie ich und ihre Kugel kam nicht weit von meiner zum Stehen. „Gut gemacht, Vanessa", lobte Sascha und ich ärgerte mich, dass ihre Kugel ein Stückchen weiter an den Pallino gerollt war als meine. Wir hatten zwar gewonnen, aber richtig genießen konnte ich den Sieg nicht, als Sascha triumphierend die Arme hob und danach Vanessa umarmte.

„Tja Hauke, dein Team war eben nicht so gut wie meins", stichelte er. „Revanche?", fragte Hauke und wir spielten eine weitere Runde. Vanessa durfte anfangen und setzte ihre Kugel fast neben die Startkugel. Ein wilder Kampf entbrannte, indem sich die Teams in der Führung fast immer genseitig abwechselten. Mein Wurf war der letzte.

Steffens Kugel lag so dicht an dem Pallino, dass ich nur die Möglichkeit hatte, meine Kugel direkt zwischen die beiden zu setzen. Tief atmete ich ein und versuchte, nicht nervös zu werden. Plötzlich stand Sascha dicht neben mir. „Du musst jetzt genau in die Mitte zielen. Sonst war's das für uns", flüsterte er mir zu. Jetzt wurde ich doch nervös. Ich sah Vanessa neben mir die Daumen drücken und Hauke siegessicher grinsen. Micha beobachtete, wie Sascha die Hand auf meine Schulter legte und sah demonstrativ weg. Konzentriert holte ich aus und warf. Die Kugel flog durch die Luft und kam direkt auf dem Pallino auf. Doch statt wegzuspringen, begrub die Kugel ihn und ich holte uns so den Sieg.

Sascha sprang wie ein kleines Kind auf und ab und jubelte. „Ja, ja, ja", schrie er. Zwei von zwei bedeutet den Sieg", feixte er und drückte mich spontan. „Super Wurf, Jamie", strahlte er, als hätten wir die World Open gewonnen. Und auch ich fühlte das Glück mich überwältigen und grinste über beide Ohren. „Wer kann, der kann", kommentierte ich übermütig und suchte instinktiv Michas Blick, um ihm meinen Triumph unter die Nase zu reiben. Doch ich konnte ihn nirgends entdecken. Sascha legte freundschaftlich seinen Arm um meine Schulter und zog mich zu ihm heran.

„Hey Jamie, wir Erwachsenen wollen gleich noch Pizza essen gehen. Hast du nicht Lust, uns zu begleiten?", flüsterte er, weil er die jüngeren Kursteilnehmer wohl nicht ausschließen wollte und ich konnte natürlich nicht ‚Nein' sagen.

„Klar, wieso nicht?", freute ich mich und war glücklich, nicht hier zu Abend essen zu müssen.

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