Instinktiv sah ich zu Micha hinüber, der mit Hauke grade über irgendetwas diskutierte. Er schien meinen Blick zu spüren und erwiederte meinen Blick. Während er noch mit Hauke redete, blieb sein Blick an mir haften und er lächelte mir zu. Als ich keine Anstalten machte wegzusehen, obwohl ich immer noch neben Sascha saß, brach er sein Gespräch mit Hauke ab und kam auf uns zu. „Bist du schon stoned, Jamie oder was hat Sascha mit dir gemacht?", fragte er grinsend. Dann sah er Sascha an, der nur mit den Schultern zuckte, und dann wieder zu mir. „Jamie?", fragte er nun etwas besorgt und hockte sich neben mich. Behutsam legte er seine Hände auf meine Schultern. „Ist alles gut bei dir?"
„Ähm, ja, ich glaube schon", brachte ich heraus und war selbst verwirrt über meine plötzliche Sprachlosigkeit. „Na komm. Gehen wir ein Stück?", fragte Micha und half mir aufzustehen. Er drehte sich noch einmal zu Sascha um und gab ihm zu verstehen, dass wir gleich wiederkommen würden.
Wir gingen ein Stück Richtung Wasser und ich wusste nicht so recht, was ich Micha erzählen sollte, wenn er gleich fragen würde, was mit mir los sei. Die Erkenntnis, dass er es war, der mich aus den Fluten gerettet hatte, spülte gleichsam andere Erinnerungen der letzten Tage an die Oberfläche, die ich anfangs übersehen hatte, denen jetzt aber plötzlich eine Bedeutung zukam. In allem, was er gesagt oder getan hatte, war so viel Zuneigung gewesen, das musste doch was bedeuten, oder? Seine Eifersucht auf Sascha. Dass er meine Nähe suchte. Seine Fürsorge am Lagerfeuer.
„Also, Jamie? Was ist mit dir los? Du siehst ja aus, als hättest du einen Geist gesehen." Micha drückte mich sanft auf den Boden, wir setzten uns in den Sand und starrten auf das Meer hinaus. Das gleichbleibende Schlagen der Wellen wirkte beruhigend und mein Herzschlag passte sich langsam an die, an dem Strand brechenden Wellen, an. Tief sog ich die frische salzige Luft ein.
Ich spürte, wie Micha mir liebevoll den Arm um die Schulter legte und meinen Kopf vorsichtig auf seine Schulter drückte. Er fuhr mir durch die Haare und mich überkam eine leichte Gänsehaut, bei seinen Berührungen. „Willst du darüber reden?", fragte er schließlich. „Hat Sascha was gesagt oder was gemacht?" Wieder keine Antwort.
„Ach bitte, spann mich doch nicht so auf die Folter! Warum redest du nicht mit mir. Wir sind doch Freunde, oder?", sagte er nun etwas ungeduldig und ich sah auf. In seinen Augen erkannte ich das vertraute Mitgefühl und seine Besorgtheit um mich. Ich zwang mich, ihn nicht an mich zu reißen und zu küssen. Erst musste ich wissen, ob das Spiel noch lief.
„Sag mal Micha", begann ich und Micha war sichtlich erleichtert, dass ich mich entschlossen hatte, wieder zu reden. „Was ist denn, Jamie?"
„Also, unser Spiel", fragte ich unsicher und wusste nicht genau, wie ich es formulieren sollte. „Das Spiel läuft noch, oder?" Micha sah mich an und musterte mich. „Wenn du es nicht beendet hast, ich bin es nicht gewesen", antwortete er etwas verwirrt.
„Ja, klar", sagte ich und war etwas enttäuscht über die Antwort. Insgeheim hatte ich wohl gehofft, dass Micha vorschlagen würde, dass wir das Spiel abbrechen würden. Aber ich konnte es nicht tun. Ich wollte Micha seine Chance nicht nehmen, Sascha für sich zu gewinnen. „Ich bleib noch ein bisschen hier sitzen", sagte ich und umklammerte meine Beine. „Geh du doch zurück zu Sascha und amüsiere dich. Ich komm dann später nach."
„Was ist denn bloß los mit dir, du laberst ja wirres Zeug!", lachte er und knuffte mich in die Seite. „Nun geh schon, sonst geht er gleich zu Vanessa", sagte ich bissig. „Du kannst mich nicht einfach wegschicken", antwortete er ernst und ich fasste neuen Mut. „Ich entscheide immer noch selbst, bei wem ich sein will. Und jetzt scheinst du mich mehr zu brauchen als Sascha."
„Was ist denn, ihr beiden Turteltauben?", schrie Sascha belustigt zu uns herüber und Micha drehte sich zu ihm um. Dabei verschwand auch seine Hand auf meinem Arm. „Sehr witzig", frotzelte Micha. „Was hast du dem armen Jamie nur gegeben? Der ist ja völlig neben der Spur" rief er zurück.
'Ich kann dich hören, Micha!'
„Ich?", fragte Sascha entrüstet und hob unschuldig die Hände. Hauke grinste breit und schüttelte den Kopf. „Wir müssen eigentlich noch ein bisschen was tun, Sascha", redete er ihm ins Gewissen. „Sofern du dazu in der Lage bist", grinste er. „Ja, ja", wehrte Sascha ab und stand auf. „Bis später ihr Süßen", säuselte er und lachte sich wohl am meisten schlapp, über diesen gelungenen Witz. Als er und Hauke gegangen waren, ergriff Micha das Wort.
„Wird's langsam besser?", schmunzelte er und streichelte mir über den Rücken, wie einem Betrunkenen. „Ja, mir geht es gut", sagte ich. „Und was ist mir dir?", fragte ich. „Wie ist es, seit dem Sascha wieder mit dir spricht?"
„Irgendwie befreiend", schmunzelte Micha. „Ich hatte mich lange Zeit gefragt, was wäre, wenn ich nicht versucht hätte, ihn zu küssen. Jetzt kann ich es mir ungefähr vorstellen. Es ist nicht mehr so wie damals, aber ich bin froh, dass ich ihm jetzt nicht mehr aus dem Weg gehen muss."
Ich nickte und verstand. Micha hatte eine zweite Chance verdient und ich hatte Sascha eigentlich nur aus meiner Lust und einer romantischen Laune heraus gewollt.
„Irgendwie habe ich jetzt Hunger", grinste ich und Micha lachte. „Na dann sollten wir zusehen, dass du was zu essen bekommst", schlug er vor und wir gingen zum Speisesaal. Es war noch eine halbe Stunde bis zum Abendbrot, aber wir setzten uns schon mal an einen der Tische. Meine Hände positionierte ich flach vor mir auf dem Tisch und ich fühlte das Blut in meinen Adern fließen. In meinen Fingerspitzten kribbelte es und ich fuhr langsam mit ihnen über den glatten Tisch. Jede noch so kleine Unebenheit spürte ich unter meinen Fingerkuppen kitzeln.
„Weißt du, was cool sein muss", überlegte ich laut. „Wenn man bekifft Sex hat", sagte ich und Micha sah mich belustigt an. „Ich glaube, das wäre ganz schön komisch, wenn sich beide nur in Zeitlupe bewegen würden", grinste er mich an.
„Nein", sagte ich voller Überzeugung. „Man spürt alles viel intensiver. Fühlt, hört, riecht", erklärte ich und griff nach Michas Hand. Er sah sich kurz um, um sich zu vergewissern, dass wirklich niemand sonst da war. Dann legte er seine Hand auf den Tisch und beobachtete mich aufmerksam, wie ich langsam mit meinem Fingern über seine Handinnenfläche fuhr.
„Ich fühle deine Muskeln", sagte ich. „Und deine Wärme." Ich glitt mit meinen Fingern weiter zu seinen Fingerkuppen. „Du hast Hornhaut auf deinen Fingern", sagte ich und Micha grinste. „Das kommt vom Gitarre spielen."
„Klar", sagte ich gedehnt und drehte seine Hand in meiner. Vorsichtig strich ich über seine glatte Haut. Langsam wanderte meine zweite Hand zu seiner. „Wenn Sascha nicht wäre", begann ich rein hypothetisch, doch Micha wusste, was ich meinte. „Aber er ist, oder?", fragte er und ich vermied es ihn anzusehen.
„Klar", sagte ich und ließ Michas Hände los.
Dumm, dumm, dumm. Du weißt, dass ich damals zu feige war, dir meine Gefühle zu zeigen. Ich war einfach nur dumm.
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Feuertänzer
RomanceJamie wagt sich in einen aufregenden Surfkurs und findet sich plötzlich in einem Strudel der Gefühle wieder. Zwischen den Wellen des Meeres trifft er auf den charmanten Surftrainer Sascha, der mit seinem leidenschaftlichen Wesen Jamies Herz höhersch...