21 | Die Beichte

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Ich schenkte uns noch einmal nach und machte es mir, soweit es ging, im Zelt bequem. Micha schlüpfte in seinen Schlafsack und breitete die Decke vom Strand über mich.

„Letzten Sommer hatte ich mich hier, genau wie du dieses Jahr, zum Surf-Kurs für Anfänger angemeldet", begann er die Geschichte. „Ich hatte mich grade von meiner Freundin getrennt und keine Lust auf irgendwelche Mädchen. Also habe ich mich mit Sascha, Hauke und Steffen angefreundet. Wir hatten wirklich viel Spaß zusammen und nach einer Woche beschloss ich, einen weiteren Kurs hinten anzuhängen. Wir hingen ständig zusammen ab. Besonders mit Sascha verstand ich mich gut. Er ist wirklich ein cooler Kumpel-Typ." Bei diesen Worten glaubte ich eine gewisse Sehnsucht in Michas Stimme zu hören.

„Aber irgendwann kam er mir etwas zu nah, für einen Kumpel", fuhr er merklich vorsichtiger fort. Er schien innerlich abzuwägen, wie viel er mir erzählen konnte. Sicherlich war er erleichtert, sich endlich jemanden anzuvertrauen. Aber ebenso sah ich die Verletzlichkeit in seinen Augen. Schweigend nickte ich ihm zu und er fasste neuen Mut.

„Wir rauften uns im Sand; wir gingen nackt baden; er suchte ständig Körperkontakt. Anfangs maß ich dem ganzen noch keine Bedeutung bei. Ich dachte mir, dass er eben so sei. Bis ich festgestellt habe, dass ich auf einmal mehr sein will, als nur sein Kumpel. Es hat mich ziemlich doll erwischt", gab er zu und suchte meinen Blick, bei dieser Beichte.

Als ich ihn anlächelte, fuhr er fort. „Ich hatte mir bis dahin niemals vorgestellt, dass ich vielleicht auf Jungs stehen könnte. Aber du kennst ja Sascha", grinste er verlegen. „Er ist einfach so anziehend. Er hat mich in seinen Bann gezogen." Wieder nickte ich Micha aufmunternd zu, denn ich wusste genau, was er meinte. Und dass Micha sich in ihn verliebt hatte, obwohl er bis dahin nicht wusste, dass er schwul, oder Bi war, konnte ich mir gut vorstellen.

„Wie gesagt, ich fühlte irgendwann mehr. Und ich war mir eigentlich ziemlich sicher, dass es Sascha auch so gehen musste. Er kümmerte sich um mich und wir verbrachten viel Zeit miteinander." Micha holte tief Luft und leerte den Becher Whiskey, als müsse er für das Folgende, all seine Kraft zusammennehmen.

„An einem Abend waren wir mal wieder allein am Strand unterwegs. Wir hatten uns ein kleines Lagerfeuer gemacht und lagen nebeneinander auf einer Decke. Ich weiß gar nicht mehr genau, worüber wir uns unterhielten, doch auf einmal drehte er sich zu mir und flüsterte mir etwas zu."

Micha drehte sich zu mir und sah mir tief in die Augen. Ich spürte, wie sich der Alkohol in mir ausbreitete und meinen ganzen Körper in eine wohlige Wärme hüllte. „Ich möchte einmal Sex am Strand haben", flüsterte Micha sehr nah an meinem Ohr und ich glaubte, echtes Verlangen in seinen Augen zu sehen. Unwillkürlich wanderte meine Hand zu Michas Gesicht und ich streichelte ihm über seine Wange.

„Ha!", rief Micha aus. Ich erschrak und zog meine Hand wieder weg. „Du wärst also auch auf ihn reingefallen!", freute er sich triumphierend und ich merkte, wie mir das Blut in den Kopf schoss. Beleidigt drehte ich mich auf den Rücken und starrte an die Zeltdecke. Natürlich wäre ich auf Sascha reingefallen. Aber eben war ich eindeutig auf Micha reingefallen.

Wir schwiegen uns eine Weile an, bis Micha über mich griff und uns noch einen Whiskey einschenkte.

„Natürlich habe ich das Gleiche gedacht, aber Sascha fand es gar nicht lustig und stieß mich weg. Er beschimpfte mich und warf mir ein paar fiese Worte an den Kopf. Von da an ging er mir aus dem Weg und war sichtlich erleichtert, als der Kurs ein paar Tage später vorbei war und ich abreisen musste. Ich habe noch ein paar Mal versucht mich zu entschuldigen und mit ihm darüber zu reden. Aber er ist nicht auf mich eingegangen."

Micha atmete hörbar aus. Ein Stein schien ihm vom Herzen gefallen zu sein. Und ich war froh, endlich beide Seiten zu kennen. Micha tat mir leid und ich fühlte mit ihm. Er hatte sein Herz für jemanden geöffnet und war dafür bestraft worden. Schlimmer noch, er hatte einen Freund verloren.

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