Kapitel 5

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Ich hatte Kopfschmerzen. Mein Kreislauf war auch nicht gerade der beste. Mir war bewusst, dass ich seit dem Tod meiner Mum zu wenig gegessen hatte, aber ich hatte keinen Hunger.

Nachdem wir wieder zurück ins Hotel gefahren waren, hatten wir uns zusammen gesetzt und beschlossen, dass ich erstmal mit zu Harry kommen würde und wenn alles klappte hoffentlich auch bald dort einziehen konnte.

Nun war ich in meinem Hotelzimmer um meine Tasche zu holen und danach wieder runter zu den anderen zu gehen.
Ich sah mich nocheinmal um zu gucken ob ich etwas liegen gelassen hatte, da ich allerdings nichts fand, verließ ich das Zimmer und lief die Treppe hinunter.

Wir verabschiedeten uns von meiner Oma und fuhren mit dem Taxi zum Flughafen. Mit meiner Mum hatte ich gerne immer in den Buchhandlungen am Bahnhof gestöbert, doch wenn ich mit Harry unterwegs war wollte ich immer gerne schnell möglichst ins Flugzeug. Besonders heute. Ich hatte keine Lust mich mit kreischenden Teenagern abzugeben und später noch heulende Bilder von mir im Internet zu finden.

Zu meinem Glück kamen wir recht schnell durch und waren schließlich da.

Harry schloss die Tür auf und wir betraten, voll beladen, das Haus.
Ich ließ meine Schuhe im Flur stehen und Harry nahm mir meine Sachen ab. "Danke", meinte ich und sah mir die Bilder an der Wand an. Auf einem lachten Harry und Olivia, die Freundin meines Onkels, zusammen, im Hintergrund konnte man das Meer erkennen. Auf einem anderen spielten Daisy, Otis, die Kinder von Olivia, mit Harry im Garten Fußball.
Mein Blick fiel auf ein Bild von meiner Mum und Harry, schnell sah ich wieder weg.
Es gab meinem Herzen einen Stich.

"Hey", Olivia kam auf uns zu gab Harry einen Kuss und umarmte mich.

"Ich hab oben ein Zimmer für dich bereit gemacht, wenn du willst können wir schon deine Sachen hoch bringen", meinte sie und ich nickte.

"Otis und Daisy freuen sich schon auf dich", sagte sie, während wir die Treppe hoch zu meinem Zimmer gingen. Ich brachte ein schwaches Lächeln hervor.

Nachdem wir meine Sachen abgestellt hatten gingen wir wieder runter ins Wohnzimmer.

"Willst du was trinken?", fragte Harry. "Ja, gerne", ich nickte. Er brachte mir ein Glas und ich leerte es in einem Zug.
"Wir haben schon gegessen, wollt ihr auch was?", fragte sie.
"Ne, danke", antwortete ich und sie nickte verständnisvoll. "Später", meinte Harry, erst jetzt bemerkte ich wie fertig und müde er aussah.

Ich sah auf die Terrasse, draußen spielten Otis und Daisy. Otis war acht und Daisy fünf, wurde aber dieses Jahr noch 6, woran sie einen ziemlich oft erinnerte.

"Ich geh mal raus", sagte ich und stand auf.
Die beiden sahen erfreut auf, als sie mich erblickten und liefen auf mich zu.
"Tilly", Daisy umarmte mich. "Hey ihr beiden", ich kniete mich hin. "Willst du mit Fußball spielen?", fragte Otis. Ich nickte und wusste, dass ich den beiden damit einen Gefallen tat, vielleicht würde es mir ja auch ganz gut tun und mich ein wenig ablenken können .

"Ihr beide gegen mich", meinte er und nahm den Fußball in die Hand.
Es war mir scheiß egal wie gut oder eher gesagt schlecht ich Fußball spielte und im Nachhinein wusste ich nicht mal mehr wer gewonnen hatte. Darum ging es nicht.

Nach ungefähr 20 Minuten blieb Daisy keuchend stehen. "Ich kann nicht mehr", meinte sie und wir gingen lachend nach drinnen. Es war schön gewesen und wir hatten alle drei Spaß gehabt.

Olivia und Harry saßen immer nach auf der Couch und hatten offenbar geredet, hörten allerdings auf, als wir kamen und Olivia lächelte uns an.
"Hallo Harry", Daisy strahlte ihn an und er brachte ein Lächeln hervor. Fuck. Ihm ging's genau so dreckig wie mir. "Daisy, wie wär's mal mit ins Bett gehen", fragte Olivia. Erschöpft nahm Daisy ihre Hand, nachdem sie etwas getrunken hatte.

"Ich geh auch mal hoch", meinte Otis und verschwand nach oben. "Harry", sagte ich und er sah mich an. "Ich hab Hunger", sprach ich weiter und er stand lächelnd auf. "Das freut mich wirklich, Matilda. Was willst du haben?", er kam in die Küche. Ich war auch froh endlich wieder Hunger zu verspüren. Dass ich das mal dachte, normalerweise konnte ich den ganzen Tag essen.

Während Harry uns etwas zu essen machte zog ich seinen Pulli aus und legte ihn gefaltet auf den Tisch. Draußen war es immer noch nicht besonders warm, aber angenehm. Hier drinnen bemerkte man allerdings nichts von den eher kälteren Temperaturen.

Nachdem wir gegessen hatten gingen auch wir nach oben. Mein Zimmer war weiß gestrichen, an der Wand stand ein Bett und daneben ein Kleiderschrank. Es gab recht große Fenster und, mein Highlight, eine breite Fensterbank, auf die man sich setzten konnte. Der perkte Platz um zu lesen.

Ich nahm meine Sachen und ging ins Bad, auf dem Weg begegnete ich Olivia. "Wenn du was brauchst sag bescheid", sagte sie. "Danke", ich lächelte, sie hieß mich sehr willkommen hier, was nicht selbstverständlich war.
"Gute Nacht", sie sah mich liebevoll an. "Gute Nacht", erwiderte ich und ging ins Bad, wo ich Musik anmachte und meine Zähne putze.

Als ich schließlich im Bett lag sah ich das erste Mal auf die ganzen unbeantworteten Nachrichten. Sämtliche Bekannte, Familienmitglieder oder Freunde hatten geschrieben.
Ich war zu müde und eigentlich hatte ich auch keine Lust mir die gleiche Nachricht 100 mal durchzulesen.
Hallo Matilda, es tut mir schrecklich leid. Mein Beileid. Ich kann mir vorstellen wie schlimm das für dich sein muss. Meld dich, wenn was ist.
Nein, keiner, der sowas nicht selbst erlebt hatte, konnte sich vorstellen wie ich mich fühlte. Es war alles nett gemeint, aber jetzt gerade hatte ich keine Kraft dafür.

Ich legte mein Handy neben mein Bett und drehte mich auf die andere Seite.

Auch wenn ich meine Mum vermisste, war ich froh hier zu sein.

Matilda Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt