Kapitel 1 - Ankunft im Fliedergrund

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Die sinkende Sonne tauchte das Dorf Fliedergrund in ein schimmerndes Abendrot, als die Hexe Clementine auf einem Hügel in der Nähe landete und von ihrem Besen stieg.

Sie band einen Beutel mit ihrem Gepäck vom Stiel des Besens ab und legte ihn sich vorsichtig über die Schulter. Dann schickte sie den Besen mit einem leisen Pfiff davon und stiefelte mit einem Lächeln auf den Lippen in die Richtung des Dorfes.

Am Rande des Dorfes stand ein kleines und wirklich altes Haus, in das Clementine heute einziehen wollte. Die morschen Holzfenster standen offen und knarrten schon beim kleinsten Windzug. Der Schornstein stand in einem so schiefen Winkel ab, dass sich jeder Baumeister wohl lange gefragt hätte, wie das möglich sein konnte, und dabei wahrscheinlich stark die Augenbrauen gerunzelt.
Clementine öffnete langsam die Tür und blickte in das staubige Wohnzimmer. Auf der anderen Seite des Raumes befand sich ein großer breiter Kamin. An den Wänden reihten sich jede Menge Regale, die von oben bis unten mit Büchern gefüllt waren. Mehrere Truhen und Kisten stapelten sich unter der Treppe, die in das Dachgeschoss führte. In der Mitte des Raumes stand ein massiver Holztisch mit drei Stühlen, von denen keiner wie der andere gebaut war. Auf der Lehne des vordersten Stuhles saß bereits das Krähenmännchen Kalixtus und begrüßte Clementine mit einem vorwurfsvollen Krächzen: "Du kommst spät Clems". Clems. Das war der Spitzname, den nur er ihr gab - und den nur er ihr geben durfte. "Auch dir einen schönen guten Abend Kalixtus", antwortete Clementine. "Ja, es hat dieses Mal noch länger gedauert, das ganze Teeservice sicher zu verpacken. Es ist ja erheblich mehr geworden seit dem letzten Umzug..." "Und es wird sicherlich noch mehr werden", erwiderte Kalixtus schelmisch. "Schließlich gibt es jede Menge Kinder in diesem Dorf." Clementine nickte nachdenklich. Dann öffnete sie ihren Beutel und stellte ihn auf den Boden. Nach dem langen Tag und dem Flug auf dem Besen hatte sie keine Lust alles selbst einzurichten. Sie murmelte eine kleine Beschwörung und die Dinge aus ihrem Beutel bewegten sich wie von Geisterhand durch den Raum und suchten sich einen Platz. "Nein, nicht dorthin!", schimpfte Clementine mit dem Bettlaken, das sich gerade vor dem Kamin ausbreiten wollte. "Das Schlafzimmer ist oben. Du musst die Treppe hoch." Widerwillig segelte das Laken über die Treppe durch die Luke in das obere Zimmer. Clementines geliebten Bücher reihten sich brav und ordentlich in eines der Regale. Das zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie besaß diese Bücher schon lange und hatte sie gut erzogen. Das gesamte Porzellanservice stand mittlerweile unsicher auf dem Tisch und wartete auf weitere Anweisungen.

Während Clementine wie eine Dirigentin ihre Habseligkeiten durch die Hütte schickte, unterbrach Kalixtus sie forsch: "Clems, mir ist kalt." Ihr selbst fröstelte es auch ein bisschen. So entschied sie sich, mit einer kleinen Beschwörung den Kamin zu entzünden. Dann stellte sie eine alte, gusseiserne Teekanne in die Flammen, in der sie Wasser erhitze, um sich einen Tee aus Krötenzungen und Vanilleblüten zuzubereiten.

Clementine nahm sich die größte ihrer Tassen, um sich einzuschenken, und erinnerte sich dabei an einen kleinen dicken Jungen, der einst ihr Schüler gewesen war. Ständig war er in ihrem Unterricht eingeschlafen und hatte geschnarcht. Die bauchige Tasse gefiel Clementine auch außerordentlich gut, da sie dank der rundlichen Form gut in ihren Händen lag. Sie seufzte leise bei dem Gedanken an ihren ehemaligen Schüler und schlürfte vorsichtig ihren Tee, während sie über die kommenden Tage nachdachte. Morgen würde sie wieder die neue Lehrerin in einem neuen Dorf sein. Daran hatte sie sich schon gewöhnt: Ein paar Schuljahre und dann weiterreisen.

Geistesabwesend servierte Clementine Kalixtus einen Krötenschenkel und blickte sich in ihrem neuen Zuhause um. Sie konnte sofort sehen, dass hier schon immer Hexen gewohnt hatten. Sie erkannte es an dem großen Kessel, der neben dem Kamin stand, und auch an den Regalen, die eigentlich schon viel zu alt und zu morsch waren, um ihre Bücher zu tragen. Magie steckte in jeder Ecke des Raumes und Clementine fühlte sich sofort zuhause. Die Flammen im Kamin wärmten langsam den ganzen Raum auf und schufen ein gemütliches Licht, während draußen langsam die Nacht hereinbrach.
Als sich Clementine aufgewärmt hatte, musste sie gähnen. Es war aber auch ein verflixt anstrengender Tag gewesen. Sie entschied sich, das Feuer über Nacht brennen zu lassen, denn, in einem Hexenhaus traut sich so ein Kaminfeuer überhaupt nicht, den Kamin zu verlassen und Schaden anzurichten.

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