Kapitel 12 - Der Hexensabbat

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Am Morgen wachte Clementine dadurch auf, dass Kalixtus an ihr Fenster pickte. Er war wie ein persönlicher Wecker. Clementine gähnte erschöpft. Nach einem wirklich anstrengenden Tag, kam sie am nächsten Morgen manchmal nur schwer aus dem Bett. Müde winkte sie ein paar mal mit der linken Hand und sprach einen kleinen Zauber. Dann zog sie sich die Decke über den Kopf und machte noch einmal kurz die Augen zu. Ein paar Minuten später schwebte eine große Tasse mit schwarzem Tee hoch an ihr Bett und landete auf dem Nachttisch. Clementine kroch unter der Bettdecke hervor und nahm einen großen Schluck. Der Tee war wirklich stark und half ihr dabei, wieder wach zu werden. Sie schaute sich die große Tasse mit dem dunkelblauen Muster an. Dabei dachte sie traurig an das Mädchen, die sie einst gewesen war.
 Es war elf Jahre alt gewesen und für ihr Alter recht groß und auch ganz schön dick. Das Mädchen war unglaublich geschickt mit Bastelarbeiten gewesen und hatte ein Gespür für schöne Farben. In der Schule wurde sie von den anderen Schülern wegen ihres Aussehens schikaniert. Die Eltern hatten ein Gasthaus besessen und wollten, dass ihre Tochter kochen und kellnern lernte. Clementine hatte lange mit ihnen geredet und versucht zu erklären, dass ihre Tochter unbedingt eine Lehre als Schneiderin beginnen sollte. An dem Tag, als die Eltern schließlich eingewilligt hatten, bekam Clementine dann den Auftrag, das Mädchen zu beseitigen.
Sie dachte nur ungern daran zurück. Sie hätte gern gesehen, was aus dem Mädchen hätte werden können. Clementine besaß sogar noch eine bunte Strickjacke, die ihr das Mädchen einmal gemacht hatte. Sie beschloß genau diese Strickjacke heute auch anzuziehen. Nachdem der Tee leer war, kleidete sich Clementine schnell an und ging los, um nicht zu spät in der Schule zu sein. Ihre Tasche packte sich von selbst und wartete schon an der Tür auf sie. Als sie aus dem Haus trat, wandte sie sich noch einmal an ihren Freund und Mitbewohner. "Kalixtus, mein Lieber. Heute kommen die Hexen für einen richtigen Sabbat zu Besuch. Könntest du vorher noch einmal zu unserem Geheimversteck am Kieferbach fliegen und ein paar Stücken von der Wunderwurzel holen?" Wie die meisten Hexen hatte Clementine mehrere Geheimverstecke, um ihre Schätze zu horten. In den letzten hundert Jahren hatte Clementine nämlich ziemlich viele Schätze gesammelt. Kalixtus lächelte sie verschmitzt an. "Gibt es dann heute Abend auch einige von den in Rum eingelegten Erdbeeren?", fragte er. Clementine lächelte fröhlich. "Wenn die Wunderwurzeln rechtzeitig da sind, dann mache ich gern ein Glas auf", antwortete sie. Kalixtus krächzte fröhlich und flog sogleich davon.


Der Schultag verlief sehr ruhig für Clementine. Weil Ru zuhause ihren Großvater pflegte, konnte Clementine wieder nach Herzenslust hexen. Sie spielte den Schülern ein paar Streiche und genoß den Tag in vollen Zügen. Den Nachmittag verbrachte sie in ihrem Garten. Der Kirschbaum, den sie vor ein paar Wochen gepflanzt hatte, wuchs prächtig. Viel zu schnell für einen normalen Baum, aber das würde hoffentlich niemand merken.
Am späten Nachmittag kam Kalixtus mit den Wunderwurzeln heim. Clementine steckte ein paar davon in ihre Manteltasche. Die Übrigen füllte sie in ein Glas ab und verschloss es fest. Das würde ihr Abschiedsgeschenk an Thymia sein. Eine junge Hexe konnte sich nämlich aus vielen brenzligen Situationen durch Hexerei befreien. Richtig gefährlich wurde es aber manchmal dann, wenn sie keinen Zugang zur Magie hatte. Da war es immer gut, ein bisschen Magie für den Notfall dabei zu haben.

Nicht viel später kamen dann die anderen Hexen. Zuerst Kamilla und Thymia. Die beiden begannen sofort das mitgebrachte Essen auf dem Tisch zu platzieren. Clementine hatte den Tisch und die Stühle heute allesamt nach draußen gebracht. Der Himmel war klar und die Luft warm. Kurz darauf kam Rhabarbara dazu. Sie brachte eine große Flasche Kichererbsenschnaps mit. Aber zu Clementines Erleichterung auch ein paar Flaschen verschiedener Obstsäfte. Rhabarbara goss allen einen großen Schluck Stachelbeersaft ein und Kamilla tat ihnen etwas Kastaniensalat auf. Die vier Hexen setzten sich und unterhielten sich über verschiedene Dinge. Thymia hatte einige Fragen darüber, wie das Kreidetal so war und was sie in ihrem ersten Zirkel erwarten würde. Die anderen Hexen beantworteten ihre Fragen so gut sie konnten. Und alle erzählten Geschichten aus der Zeit ihres ersten Hexenzirkels. Selbst Kamilla, die sonst immer so ernst war, taute ein wenig auf und teilte ein paar lustige Geschichten über einige Hexereien, die sie in ihrer Jugend vermurkst hatte, mit ihnen.

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