Kapitel 7 - Abendlicher Besuch

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Ein paar Tage später kam der Sonntag. Clementine hatte sich gerade wieder einen Tee aufgebrüht und saß auf der Bank in ihrem Garten. Sie genoß ihren freien Sonntag, indem sie nicht arbeitete. Clementine hatte in ihrem langen Leben gelernt, dass es wichtig war, sich immer mal wieder Zeit zu nehmen, um wirklich nichts zu tun.
Eine Weile lang blickte Clementine die hellblaue Tasse in ihren Händen an. Nur ein einziger Finger passte durch den kleinen Henkel der Tasse. Während sie ihre Gedanken schweifen ließ, hörte sie ein leises Rauschen. Sie richtete den Blick nach oben und sah eine Hexe auf ihrem Besen näherkommen. Nur einen kurzen Moment später landete diese und Clementine erkannte die große Frau mit den dunklen Haaren. Es war Kamilla. Clementine war es nicht mehr gewöhnt, Gäste in ihrem Heim zu empfangen, so dass sie noch nicht so richtig mit solchen Situation umzugehen wusste. Sie fühlte sich ein wenig ertappt dabei, dass sie gemütlich faulenzte. Insbesondere weil Kamilla selbst immer sehr beschäftigt wirkte.
"Grüß dich, Schwester", begrüßte Kamilla sie mit einem leichten Lächeln, nachdem sie von ihrem Besen stieg. Das freundliche Auftreten der Besucherin beruhigte Clementine ein wenig. "Grüß dich Kamilla.", antwortete sie. Kamilla eröffnete gleich das Gespräch. "Ich hoffe, du verzeihst, dass ich so unangekündigt hier auftauche. Aber die Zeit ist immer knapp, mit fünf heranwachsenden Hexen daheim. Ich wollte mich nur eben erkundigen, ob du dich bereits eingefunden hast und ob die Magie bei dir schon besser fließt."

Erleichtert seufzte Clementine aus.

"Ja, tatsächlich. Die Regenwürmer haben sich schon gut durchgearbeitet. Und nicht nur die Magie fließt wieder besser, auch mein Garten blüht auf. Möchtest du dich nicht kurz setzen, und einen frischen Kräutertee probieren?"
Kamilla nahm sich kurz Zeit bevor sie antwortete: "Nun gut. Für eine kleine Tasse Tee sollte doch Zeit sein. Vielleicht hast du ja auch noch einen oder zwei Kekse übrig?" Clementine konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und erntete durch ihre Reaktion ein verschmitztes Lächeln von Kamilla. Nun war alles Unbehagen aus Clementines Bauch verschwunden. Sie vollführte eine kleine Bewegung mit ihrem Finger und schon kamen eine weitere Teetasse sowie ein kleiner Teller mit Zitronen-Plätzchen aus ihrem Häuschen angeflogen. Kurz darauf erhob sich auch die Teekanne und füllte Kamillas Tasse auf. Währenddessen ließ Kamilla einen prüfenden Blick über das Grundstück schweifen.

"Das hast du sehr gut gemacht, mit dem Garten. Und das in so kurzer Zeit. Ich bin sehr beeindruckt." "Danke", erwiderte Clementine nicht ohne Stolz. Sie wusste, dass sie ein besonderes Händchen für Gärten hatte. Kamilla fuhr fort: "Je mehr ich dich kennenlerne, desto mehr verstehe ich, warum Brokkola so große Stücke auf dich hält. Sie sagt, du seist sehr gut in dem, was du tust. Du weißt schon, beim..." Sie zögerte kurz, bevor sie weitersprach: "Aussortieren der nichtsnutzigen Kinder. Ich bin neugierig, Clementine. Wie machst du das? Wie entledigst du dich so leicht all der Kinder? Ich habe nie davon gehört, was mit ihnen passiert ist. Also erzähle mir doch bitte, was hast du mit ihnen gemacht?" Diese Frage kam so unerwartet, dass sich Clementine vor Schreck fast an ihrem Tee verschluckte. Natürlich war sie allgemein darauf vorbereitet, dass diese Frage irgendwann mal kommen würde und natürlich hatte sie sich für diesen Fall schon eine Antwort parat gelegt. Es war immer das Beste, wenn eine Lüge nicht zu weit weg von der Wahrheit lag. Clementine legte ein schelmisches Hexengrinsen auf, sah Kamilla direkt in die Augen und erzählte dann: "Nun, werte Schwester, die Tasse, aus der du gerade trinkst, war einst ein Mädchen, das am Kiefernbach lebte. Sie war 10 Jahre alt und so frech, dass du es mir kaum glauben würdest." Kamillas Gesichtsausdruck war wie so oft schwer zu entschlüsseln.

Sie musterte die Tasse in ihrer Hand und schien zu überlegen, ob sie noch einen weiteren Schluck trinken wollte. Dann antwortete sie langsam: "Das ist eine ungewöhnliche Art und Weise Kinder loszuwerden." Sie legte eine kurze Pause ein, bevor sie hinzufügte: "Und auch um Tee zu genießen." Clementine war innerlich sehr angespannt. Schließlich durfte die Hexe nicht merken, dass die Seelen der Kinder in den Tassen noch am Leben waren. So konnte Clementine die Kinder nämlich noch jederzeit zurückverwandeln.

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