Kapitel 6 - Ein Ritual im Mondschein

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Es war soweit: Mittwochabend! Clementine hatte es geschafft alles für das Ritual vorzubereiten und war jetzt bereit aufzubrechen, um den Fliedergrund wieder mit mehr Magie zu versorgen.

Sie schwang sich auf ihren Besen, um zur Lichtung der träumenden Bäume zu fliegen. Während des Fluges dachte sie darüber nach, was das für ein schöner Name für einen so traurigen Ort war. Rhabarbara hatte ihr erzählt, dass an dieser Lichtung einst einige besonders prächtige Buchen gestanden hatten. Damals war es noch die Lichtung der tanzenden Bäume gewesen und ein beliebter Treffpunkt der Hexen der Umgebung. Eines Tages im Sommer war dort ein Feuer ausgebrochen und hatte all die Buchen in Flammen gesetzt. Wie es zu dem Feuer gekommen war, sei bis heute ungeklärt.

Als Clementine bei der Lichtung ankam, verstand sie, warum sie die Lichtung der träumenden Bäume genannt wurde. Die verbrannten Reste der Buchen sahen gar nicht wie totes Holz aus, sondern eher wie graue Bäume, die schliefen. Die ganze Lichtung machte den Eindruck, als wäre sie einem Traum entsprungen, statt real zu existieren. Mit diesem Ort hatte Rhabarbara eine hervorragende Wahl getroffen.
Sobald sie gelandet war, konnte sie sofort spüren, dass sich keinerlei Magie mehr im Boden befand. Clementine blickte sich um. Rhabarbara stand bereits in der Mitte der Lichtung und entfachte ein Feuer unter einem gigantischen Kessel. Kamilla war auch schon da. Sie hatte die Aufgabe sicherzustellen, dass an diesem Abend keine Menschen in die Nähe der Lichtung kommen würden. Sie hatte auch ihre Tochter Thymia dabei. Wahrscheinlich damit diese zusehen und lernen konnte. Rhabarbara sprach Clementine an, ohne vom Feuer aufzusehen. "Der Kessel ist bereit, meine Liebe. Wirf einfach alles hinein, was du mitgebracht hast."

Clementine schritt zum Kessel. Für das Ritual gab es kein genaues Rezept, es brauchte jede Menge Zutaten, die mit Magie in Kontakt gekommen waren. Worauf es dabei ganz genau ankam, hatte noch keine Hexe herausfinden können. Deswegen war es meistens so, dass einfach möglichst viele verschiedene Sachen hineingeworfen wurden und dann gehofft, dass die Wirkung möglichst groß sei.
Heute hatte Clementine ein gutes Gefühl. Sie erkannte jede Menge verrückte Sachen im Kessel und hatte selbst eine beachtliche Sammlung dabei, die sie hinzufügen wollte. Sie begann mit einigem verfluchten Unkraut aus ihrem alten Garten - Was sie auch versucht hatte, es war wirklich nicht tot zu kriegen und so hatte sie das Unkraut mitsamt Erde ausgebuddelt. - Es folgte ein Kieselstein, der immer nach oben fiel. Diesen musste sie an anderen Dingen im dem Kessel festbinden. Anschließend gab sie einen alten Hexenhut, zwei ihrer eigenen Milchzähne und ein paar von Kalixtus Federn dazu. Als nächstes leerte sie zwei Taschen ihres Mantels aus, in die sie seit Jahren nicht mehr hineingeschaut hatte. Erstaunliches kam dort zum Vorschein: Kirschkerne, eine Echsenzunge, eine geschrumpfte Kutsche - die gehörte einst einem Grafen, den sie nicht besonders leiden konnte - verrostete Schlüssel, Schokolade und einiges mehr. Clementine hatte noch einen kurzen Moment, alles zu begutachten, ehe sich das Sammelsurium in den Tiefen des Kessels verlor. Sie goss noch ein Tintenfaß blauer Tinte hinterher. (Die Tinte verwandelte das Geschriebene immer in Schimpfwörter). Zuletzt warf sie noch ein paar Zauberbohnen in den Kessel. Sie hatte sie von einem alten Mann auf der Straße gekauft. Zwar war Clementine sich ziemlich sicher, dass es nur gewöhnliche Bohnen waren, aber man konnte ja nie wissen.

Mittlerweile hatten sich auch die anderen Hexen am Kessel zusammengefunden und sie konnten gemeinsam mit dem Ritual beginnen. Alle wussten intuitiv genau was zu tun war und mussten sich nicht mehr absprechen. Sie sangen und tanzten um den Kessel. Dabei summten sie allerlei magische Beschwörungen. Es sah ziemlich genau so aus, wie man sich ein magisches Hexenritual in der Dämmerung vorstellen würde. Grüner, blauer und purpurfarbener Qualm stieg aus dem Kessel auf. Es fing mächtig an zu blubbern und zu zischen. Als die Mischung sich wie ein kräftiger Sud aus Magie anfühlte, sprach Rhabarbara die entscheidenden Worte. Das war ihr Vorrecht als Älteste der Drei.

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