Kapitel 8 - Ein verhängnisvoller Brief

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Am nächsten Morgen trank Clementine ihren ersten Tee wieder in ihrem Garten. Sie hielt eine kleine und sehr zarte Porzellantasse in der Hand. Es war eine ganz besondere Tasse für sie. Das zierliche Mädchen, mit einer sehr hohen Stimme, war die allererste Tasse ihrer Sammlung geworden. Als Clementine damals von Brokkola den Auftrag erhielt, das Mädchen zu beseitigen, hatte Clementine tagelang gegrübelt, was sie machen könnte.
Damals hatte sie ihren Plan entwickelt, wie sie die Kinder verschonen konnte. Clementine war eben nicht nur eine Hexe, sondern auch Lehrerin. Und welche Lehrerin konnte schon zulassen, dass ihren Schützlingen etwas passiert? So hatte Clementine also beschlossen, die Kinder erst einmal in Geschirr zu verwandeln. Das Problem war nur, dass sie hier nicht weiter wusste. Sie wollte die Kinder ja nicht für alle Ewigkeit in Tassen verwandelt lassen. Und die Tasse, die sie gerade in der Hand hielt, hatte sie immerhin schon seit beinahe zwei Jahren. Aber solange Brokkola die Oberhexe war, würde es immer so weiter gehen. Und es war noch kein Ende in Aussicht.

Während Clementine so grübelte, kam ein Rabe in den Garten geflogen. Clementine erkannte ihn sofort. Es war ein großer schwarzer Kolkrabe. Er gehörte zu den Botenraben, die Brokkola des Öfteren verschickte. Der Rabe landete vor Clementine und warf ihr einen Brief vor die Füße, den er im Schnabel getragen hatte. Kalixtus beäugte den Raben misstrauisch. Der Rabe war nämlich eineinhalb mal so groß wie Kalixtus und flößte diesem eine Menge Respekt ein. So schnell wie er gekommen war, verschwand der Rabe auch wieder. Mit einem flauen Gefühl im Magen rollte Clementine den Brief aus:

'Hochgeschätzte Hexenschwester,

eine neue Gefahr hat sich mir offenbart: Ein junger Bursche namens Oliver, 11 Jahre alt. Sohn des Schmieds. Er muss unbedingt zeitnah beseitigt werden.

Schrecklich giftige Grüße,
Brokkola - Oberhexe und Mitglied 1. Grades des Ordens der garstigen Grünhexen'

Clementine legte den Brief seufzend zur Seite. Früher oder später hatte es ja so kommen müssen. Kalixtus blickte sie fragend an: "Ein Neuer?"

Clementine nickte kurz. "Es ist der Sohn des Schmieds. Ein nerviger Junge. Allerdings sehr charismatisch. Wenn er erst einmal erwachsen ist, wird er sicher der neue Schmied der Gegend. Mit seiner Ausstrahlung hätte er wahrscheinlich eine Menge Einfluss. Außerdem ist er streng katholisch erzogen. Wenn der Junge verschwindet, werden sie wahrscheinlich einen anderen Jungen in die Ausbildung nehmen. Kamilla hat einen Sohn, der gerade acht Jahre alt ist und noch keine Ausbildung begonnen hat."

Kalixtus sah nachdenklich aus. "Wäre gut für den Hexenrat, wenn der Schmied der Gegend der Sohn einer Hexe ist, oder?" Clementine nickte wieder, dann nahm sie einen großen Schluck von ihrem Tee.

Kalixtus redete in der Zwischenzeit weiter: "Klingt so, als ob die gute Kamilla mit der Oberhexe unter einer Decke steckt. Bestimmt ist sie so motiviert bei der Sache, damit ihre Söhne eine gute Zukunft bekommen."

Clementine seufzte lange. "Lass uns nicht vorschnell urteilen", sagte sie. Innerlich zog sich ihr aber alles zusammen. Was wenn Kamilla ihr Geheimnis durchschaut und alles der Oberhexe erzählt hatte?

Sie biss ihre Zähne fest zusammen, dann stand sie auf und kippte den restlichen Tee weg.

Es half alles nichts. Sie musste bei ihrem bisherigen Plan bleiben und dann irgendwie einen Weg aus diesem ganzen Desaster finden. Wenn sie aufhörte die Kinder zu verwandeln, würde Brokkola eine andere 'Jägerin' finden und die würde dann wahrscheinlich keinen Weg finden, um die Kinder zu verschonen. Clementine packte ihre Tasche und machte sich dann fertig für den Weg zur Arbeit. Sie drehte sich noch einmal zu Kalixtus. "Bist du mit deiner Suche schon weitergekommen?" Kalixtus sah sie fragend an: "Willst du Kamilla dabei wirklich immer noch helfen?" Clementine blickte ihm eindringlich in die Augen. "Ich tue damit Thymia einen Gefallen und das gehört sich so für eine Schwester. Also hilf mir bitte."

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