"Bewährung?", fragte ich entgeistert, während ich mit aufgerissenen Augen Sal anstarrte, die sich völlig ungerührt in ihrem Schreibtischstuhl zurücklehnte. "Was, bitte schön, erwartest du denn?", entgegnete sie mir mit hochgezogener Augenbraue." Dachtest du, du schreibst mal eben eine gute Note und schon sei dir verziehen?" Eigentlich hatte ich mir genau das vorgestellt, doch so wie Sal es sagte, klang es total abwegig. Ich kribbelte an meinem Nagelbett, eine Angewohnheit, die ich als kleines Kind eigentlich abgelegt hatte. "Naja, um ehrlich zu sein bin ich davon ausgegangen, die Regeln würden mich ein wenig verschonen, da ich doch Reue zeige... und Demut.", setzte ich noch schnell hinterher und kreuzte gedanklich die Finger, meine gewählte Ausdrucksweise möge mich vor Schlimmerem bewahren. Leider erntete ich von Sal nur ein belustigtes Schnauben. "Wie schön, dass du dich von deiner besten Seite zeigen möchtest und ich glaube dir auch, wenn du mir sagst, wie sehr du auf Appleville bleiben möchtest, aber die Regeln sind nun mal die Regeln."
Sal hatte recht. Was auch sonst? Vor wenigen Stunden hatte ich schon auf gepackten Koffern gesessen und auf meinen Rückflug nach New York gewartet. Javor hatte mir im wahrsten Sinne des Wortes den Hintern gerettet, als er Mr. Oak beinahe dazu gezwungen hatte, meine Arbeit ein bisschen schneller zu korrigieren. Die Note, die ich für meinen Test in britischer Literatur erhalten hatte war sicherlich nichts im Vergleich zu Javor's oder Bethany's Standards, doch für mich war es ein erster Schritt. So oder so ähnlich musste wohl letztlich das Urteil des Elternbeirats geklungen haben, die mich am liebsten eigenhändig aus dem Internat werfen wollten. Doch nicht mit mir, der super-duper-mega-Powerfrau, die sich selbst in den dunkelsten Zeiten nicht von ihrem Weg abbringen ließ. Und natürlich durch Javor's Unterstützung. Gemeinsam mit ihm hatten wir Sal regelrecht überfallen und sie dazu gedrängt, ein gutes Wort für mich beim Elternbeirat und der Internatsleitung einzulegen. Am folgenden Morgen hatte ich die Erlaubnis bekommen zu bleiben- vorerst!
"Deine Bewährungsauflagen sind nun wirklich nicht einengend.", ermutigte mich Sal, doch ich zog einen Flunsch, wenn auch eher aus Prinzip. "Ich muss bis zum Ende des Halbjahres einen Schnitt von mindestens 3,0 haben. Gewöhnliche Schüler bestehen auch noch mit 4,0. Also ist das in jeglicher Hinsicht absolut unfair.", jammerte ich. "Gewöhnliche Schüler bescheren weder ihren Lehrern, noch ihren Tutoren graue Haare.", erklärte sie mit strengem Blick. "Es ist ja nicht so, als wären deine schulischen Leistungen das einzige Problem gewesen. Du hast eine Menge Blödsinn angestellt und dich nicht unbedingt beliebt gemacht bei deinen Mitschülern." Wow, ihre Worte klangen härter als erwartet. "Du wirst einen Schnitt von 3,0 erreichen und mindestens einer außerschulischen Aktivität beiwohnen. Zusätzlich werde ich genau im Auge behalten, wie du dich gegenüber deinen Mitschülern verhältst. Höre ich nur ein schlechtes Wort über dich, dann..." Wie zur Untermauerung ihrer Worte hob sie drohend den Zeigefinger und fuchtelte damit wild vor meiner Nase herum. Ergeben seufzte ich. Die Zeit bis zu den Halbjahreszeugnissen würde extrem hart werden. Ich lehnte mich geplättet in meinem Stuhl zurück und fühlte mich, als hätte man mich angeschossen und auf einer strak befahrenen Autobahn zurückgelassen. Im Regen.
"Vergiss nicht, dass Javor dich weiterhin unterstützen wird. Er meinte vorhin zu mir, er habe bereits einen Lernplan für dich zusammengestellt. Vermutlich wird er dich nach unserem Gespräch aufsuchen und ihn mit dir besprechen." Ich verzog meinen Mund zu einem gezwungenen Lächeln, welches wohl eher in einer Grimasse endete. "Ich kanns kaum erwarten.", erwiderte ich mit vor Sarkasmus triefender Stimme. "Sienna hat ebenfalls ihre Hilfe angeboten.", erwähnte Sal beiläufig und ich fiel fast vom Stuhl. "Sienna?", rief ich ungläubig aus und richtete mich etwas auf. Bisher hatte ich den Eindruck gewonnen, meine Mitbewohnerin Sienna wolle lieber nicht ihre wertvolle Zeit mit mir verbringen. Seit meiner Ankunft auf Appleville hatten wir uns nicht wirklich gut verstanden und kaum ein Wort miteinander geredet. Mit Susan war ich weitaus besser ausgekommen, aber auch sie hatte ich in den letzten Tagen kaum gesprochen. Mein neuerliches Verhalten war bestimmt abschreckend gewesen. "Sienna hat vorgeschlagen, dass ihr beide den Stoff wiederholen könnt in den Kursen, die ihr gemeinsam belegt. Was genau sie sich darunter vorstellt, musst du sie schon selbst fragen." Ich nickte abwesend und überlegte fieberhaft, ob das ein Trick sein könnte. "Ist das denn so überraschend für dich?" Sal's Stimme riss mich aus meinen Gedanken. "Tatsächlich ja.", gab ich zurück. Grübelnd ließ ich mein Kinn in meine Handfläche sinken und trippelte mit den Fingerspitzen über meine Haut. "Das hier ist eine Gemeinschaft, Autumn!", rief Sal mir in Erinnerung. "Die Leute stehen füreinander ein. Ich weiß, ihr beiden Mädels hattet einen schwierigen Start. Doch Sienna reicht dir ihre Hand. Du solltest sie ergreifen!"
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#grl_pwr, oder wie man ohne Wlan überlebt
Teen FictionZwei Qualitäten zeichnen Autumns Eltern aus: sie sind reich und immer unterwegs. Ihre Tochter bleibt daher sorglos und verwöhnt mit einer Kreditkarte in New York und lebt in den Tag hinein. Als sie die Schule abbrechen will um sich auf ihr eigenes B...