„Was macht ihr denn für einen Lärm? Werden wir evakuiert?"
Ungläubig und noch etwas verschlafen starrte ich meine Zimmergenossinnen an, die eilig Bücher, Aufzeichnungen und Stifte in ihre Taschen packten. Es war zuemlich früh am Morgen und im Gegensatz zu Sienna und Susan trug ich noch meinen Pyjama, ganz zu schweigen von meinen strubbeligen Haaren.„Wir gehen in die Bibliothek zum Lernen", erklärte mir Sienna.
„An einem Sonntag?"
Unglaublich. Meine erste Woche war gerade vorbei und schon wurde ich mit solchem Stress konfrontiert. Zwar waren wir bereits mitten im Schuljahr, weshalb die Mädchen schon den ein oder anderen Test hinter sich hatten, doch bisher hatte ich gehofft eine Art Schonfrist zu bekommen.„Nächsten Freitag schreiben wir Englisch. Hast du das vergessen? Du solltest besser auch lernen, immerhin macht die Klausur 40% der Note aus."
Ich sah Susan nur verständnislos an. „Englisch ist unsere Muttersprache. Was muss man dafür großartig lernen?", fragte ich.
Englisch war das einzigste Fach am Internat, in welchem Sienna, Susan und ich den gleichen Kurs besuchten. Somit hatte ich natürlich bemerkt, dass meine Zimmergenossinnen problemlos im Unterricht glänzten- ebenso wie ich, überraschender Weise. Englisch war nunmal keine große Sache, wenn man aus einem englischsprachigen Land kam. Selbst Sienna, die in Italien geboren war und erst mit zehn Jahren nach England gezogen war, sprach akzentfrei, doch sie war ja auch der Inbegriff von Streberin.Wieso setzten die Mädchen sich so unter Druck?
„Autumn, wenn du willst, kannst du zu unserer Lerngruppe dazustoßen. Misa, Siennas Sitznachbarin, wird noch dabei sein, also sind wir zu dritt. Als Quartett könnten wir vielleicht produktiver sein", schlug Susan vor. Sienna schnaubte. „Als ob wir mit Autumn überhaupt produktiv sein könnten!"
Natürlich konnte man mit mir produktiv sein. Die zwei hätten mich mal beim Shoppen erleben müssen!„Also gut, ich komme mit", erklärte ich bestimmt aber auch ein wenig gekränkt. Ich könnte ja ein paar Minuten dabei bleiben, mit meinem Wissen glänzen und dann ganz schnell wieder verschwinden. Ich war perfekt vorbereitet, keine Frage. Die beiden waren einfach nur zu verklemmt und besorgt um ihren ach so tollen Notendurchschnitt. Ich hingegen wusste was ich konnte. Zwar war ich noch nie die beste in der Schule gewesen, aber meine eigene Sprache beherrschte ich absolut.
„Wie du meinst," lenkte Sienna ein, „aber sobald du störst, fliegst du raus. Hochkant."
Ihr Zynismus wurde langsam lächerlich.
„Warte es ab, Sienna. Am Ende kannst du sogar noch was von mir lernen", entgegnete ich säuerlich.Beide Mädchen waren schon vorgegangen, während ich mich in aller Ruhe fertig machte. Ich benutzte sogar ausnahmsweise die Badewanne, auch wenn die komischen Dellen und dunklen Spuren des starken Gebrauchs mich bisher in die Dusche getrieben hatten, konnte ich jetzt nicht widerstehen. Danach fühlte ich mich wunderbar entspannt und der lästigen Lernkonferenz gewappnet. Meine Haare band ich mit einem Haarband zu einem lockeren Zopf im Nacken und entschied mich für eine helle Bluse. Die Oberteile hatte ich inzwischen schon in meinem Abschnitt des Kleiderschranks untergebracht. Die Unterteile lagen alle noch im Koffer. Auf der Suche nach meinem roséfarbenen Plissé- Rock, kramte ich mich durch den Rest Klamotten in meinem Koffer.
Das gute Stück war etwas faltig, doch für die Bibliothek absolut tragbar. Doch etwas anderes zog meine Aufmerksamkeit auf sich: Zwischen ein paar Hosen blitzte ein Milimeter bedrucktes Papier heraus. Ich zog daran und erstarrte. In meinen Händen hielt ich ein Modemagazin. Ein relativ aktuelles, das ich mir kurz vor der Abreise gekauft und vollkommen vergessen hatte. Vorsichtig, als könnte es brechen, blätterte ich es auf um das Inhaltsverzeichnis zu durchforsten. Eine genaue Style- Analyse von Pippa Middleton, ein großer Frisurencheck der Promis und ganz viel Klatsch und Tratsch. Ich schwebte im siebten Himmel. Das Magazin war meine einzige Verbindung zur Außenwelt; ein Gunke Hoffnung nach all den Entbehrungen der letzten Woche, einschließlich meiner Würde. Ich konnte mein Glück kaum fassen.
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#grl_pwr, oder wie man ohne Wlan überlebt
Teen FictionZwei Qualitäten zeichnen Autumns Eltern aus: sie sind reich und immer unterwegs. Ihre Tochter bleibt daher sorglos und verwöhnt mit einer Kreditkarte in New York und lebt in den Tag hinein. Als sie die Schule abbrechen will um sich auf ihr eigenes B...