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„Verdammt, mein Ergebnis war ganz anders. Ich hab mich viel zu sehr auf die Kindheit des Autors fokussiert."
„Das ist doch ein guter Ansatz."
„Aber ich habe vergessen, die Spielsucht zu erwähnen."

Am Freitag liefen Susan, Sienna und ich nach dem Test durch den Korridor zurück zu unserem Zimmer. Unsere moosgrünen Röcke wippten ungehalten um unsere Beime herum; das etwa beschrieb die Stimmung meiner Zimmergenossinnen.

„Außerdem hatte ich bei der letzten Aufgabe auf einen Teil zum freien Schreiben gehofft. Darauf hatte ich mich besonders gut vorbereitet."
„Ich weiß doch, Sienna. Doch so wie ich dich kenne, wirst du wieder die Beste sein."
„Meinst du?"
Ja, selbst ich war davon überzeugt, doch ich schwieg besser, denn für mich war der Test garnicht rund gelaufen. Die Mädchen hatten ja sowas von recht gehabt, was das Lernen anging. Zuvor hatte ich den Namen des Autors noch nie gehört, dessen Leben wir bis ins Detail analysieren mussten. Inzwischen hatte ich den Namen auch wieder vergessen. Aus purer Not hatte ich ihm angedichtet, ein Tierfreund und Frauenschwarm gewesen zu sein, was nach den Schilderungen der Mädchen offenbar vollkommen deplatziert zu sein schien.

Wer hätte gedacht, dass ein Test in der Muttersprache so kompliziert sein konnte? Ich zumindest nicht.

„Wenn wir den Test rausbekommen und eine gute Note haben, feiern wir das im Café Cat und ich bezahle. Sogar du bist dann eingeladen, Autumn. Ganz egal, wie schlecht du abgeschnitten hast", sagte Sienna voller Häme.
„Wie kommst du darauf, dass ich schlecht abgeschnitten habe?"
„Naja, du hast nicht ein einziges Mal nach einem weiteren Blatt zum Schreiben gefragt", behauptete Susan. „Und du hast die ganze Zeit aus dem Fenster geschaut oder versucht auf Benjamins Test zu linsen", führte Sienna weiter aus.

Fieberhaft suchte ich nach einer bissigen Antwort, stammelte aber nur unverständlich ein paar Wörter.

„Du wolltest bei Benjamin abschauen? Autumn, das ist ja noch viel schlimmer als gedacht! Benjamin ist nur noch bis zum Ende des Halbjahres hier, dann muss er auf eine reguläre Schule. Der Kerl hat nur Flausen im Kopf!", erklärte Susan geschockt.

Ach Susan. Die ewige Jungfrau.
„Wahrscheinlich ist Autumn die nächste, die fliegt", meinte Sienna an sie gewandt und tat so, als stünde ich nicht neben ihr.
„Hey, Leute? Ich kann euch hören!"
„Du hättest dir einfach mehr Mühe geben müssen", sagte Sienna mit gerunzelter Stirn. Gott, wie ich ihre guten Ratschläge hasste, besonders, wenn sie recht hatte.

Wir passierten gerade die aneinandergereihten Büroräume der Lehrer mit besonderen Aufgaben auf Appleville und waren in unser Gespräch über die Ergebnisse vertieft, als sich plötzlich neben uns schwungvoll eine der dunklen Holztüren öffnete und eine Sekretärin mit dunklem Pagenschnitt und engem Kostüm ihren Kopf zu uns auf den Flur streckte. „Miss Nicholson, gut, dass ich sie erwische."

Irritiert blieben wir stehen. Die Mädchen starrten mich beinahe ängstlich an. Ich war doch keine Massenmörderin!
„Ja, wie kann ich Ihnen helfen?", fragte ich besorgt und trat einen Schritt näher an sie heran.
„Viel eher geht es darum, wie ich Ihnen helfen kann. Kommen Sie bitte in mein Büro", orderte sie. Unsicher warf ich einen Blick über meine Schulter zu Sienna und Susan. Beide Mädchen schauten voller Unbehagen zu mir. „Wir gehen schonmal in unser Zimmer. Dann sehen wir uns später", meinte Susan versönlich, anschließend wandten sie sich zum Gehen.

Zögerlich folgte ich der Dame und rückte meine Tasche über der Schulter zurecht. Was kam denn nun? Hatte Sal mir Ärger bereitet, wegen unserem missglückten Ausflug? Musste ich irgendwelche Sozialstunden ableisten?

„Setzen Sie sich, Miss Nicholson", bat mich die Sekretärin und deutete auf einen gepolsterten Sitz vor ihrem Schreibtisch. Ihr Büro war ganz hübsch: auf ihrem weißen Tisch stand ein moderner Computer (ich wollte schon vor Freude in die Luft springen, da bemerkte ich das Internetkabel, welches den Laptop mit der Steckdose und somit mit der Außenwelt verband) und haufenweise Akten. Die Fenster in ihrem Rücken waren durch blassgelbe Vorhänge verdeckt, die kurz vor der Fensterbank endeten. Darauf standen einige Pflanzen; Gewächse in allen Schattierungen von Grün und verschiedenfarbige Orchideen.

Die Sekretärin durchblätterte eine Akte und schob ihre Brille zurecht, die mit einer Kette um ihren Hals verbunden war. Sie war so alt wie der Durchschnitt des Personals auf Appleville: gefühlte 100 Jahre alt. Ein echtes Urgestein, vermutete ich.

„Miss Nicholson, Sie wissen, warum Sie hier sind?", fragte sie mit notorischer Stimme, ohne von der Akte aufzusehen. „Ähm nein, also nicht wirklich", stammelte ich und umklammerte nervös die Tasche auf meinem Schoß.

„Dann werde ich Ihnen helfen", meinte die Sekretärin und legte ein liniertes Blatt vor mir auf den Schreibtisch. Sofort erkannte ich es wieder, hielt ich es noch vor wenigen Minuten zur Abgabe in der Hand: mein Englischtest.

„Wie sind Sie denn so schnell daran gekommen?", fragte ich verwundert. „Die Lehrerin hat ihn sofort aussortiert und in mein Büro gebracht. Autumn, haben Sie etwa nicht für diesen Test gelernt?"
Ich konnte Ihre Frage nicht ganz nachvollziehen.
„Wie kommen Sie darauf?"
Die Dame nahm das Blattpapier wieder an sich, rückte ihre Brille weiter vor auf die Nase und las: „Der Auto hat vor langer Zeit gelebt. Er mochte Tiere, denn er trägt einen Pferdeschwanz. Warum man das im 18. Jahrhundert oder so gemacht hat, verstehe ich selbst nicht. Dafür gefällt mir der Kragen, den er auf dem beigelegten Bild trägt, der ist bestimmt aus Spitze. Die Frauen musste ihn vergöttert haben."

Ein wenig pikiert legte sie das Blatt zurück zur Akte. „Das ist alles, was Sie geschrieben haben, Miss Nicholson. Das ist nicht ansatzweise die Leistung, die wir von unseren Schülern fordern, geschweige eine Leistung allgemein."

Beschämt kaute ich auf meiner Unterlippe.
„Haben Sie etwas dazu zu sagen?"
„Naja, ich bin noch neu hier", begann ich, doch die Sekretärin schüttelte entschieden den Kopf. „Sie sind mitten im Schuljahr zu uns gestoßen und haben bisher nur gestört. Nicht nur lernen Sie nicht für Überprüfungen, Sie schikanieren Ihre Mitschüler, weigern sich, an außerschulischen Aktivitäten teilzunehmen und integrieren sich nicht in unsere Gemeinschaft. Einige Lehrer bemängeln zudem Ihre Lustlosigkeit im Unterricht und sogar Abwesenheit!"
„Das klingt schlimmer als es ist", versuchte ich die Situation zu beschwichtigen. „Miss Nicholson, es ist schlimm!"
Die Stimme der Sekretärin schwoll an und sie erhob sich von ihrem Platz, um quer durch den Raum zu tigern.

„Ihre Eltern sind bereits informiert und nicht erfreut über ihr mangelndes Interesse."
„Dann werde ich nach Hause geschickt?", fragte ich in halber Freude ubd halber Angst.
„Nein. Ich habe Ihre Akte gründlich studiert und bin zu dem Entschluss gekommen, Ihnen eine letzte Chance zu ermöglichen. Werfen wir Sie von der Schule, hätten Sie keinerlei Zukunftsperspektiven. Ein Rausschmiss aus zwei Schulen würde Ihnen das Genick brechen."

Erschrocken quietschte ich und starrte die Dame im geschmacklosen Kostüm angsterfüllt an. „Wir müssenIhr sozialverhalten und ihre schulischen Leistungen auf Vordermann bringen. Aus diesem Grund, habe ich mich mit den Vertrauensschülern kurzgeschlossen und einen Lernpaten für sie engagiert. Er wird Ihnen helfen, sich hier besser zurecht zu finden. Zum Ende des Halbjahres sehen wir weiter."

Ihre Worte prallten auf mich nieder wie eine Hiobsbotschaft. „Ich soll einen Babysitter bekommen, der mich zum Lernen antreibt? Ist das überhaupt legal?", fragte ich perplex. „Miss Nicholson, strapazieren Sie nicht weiter meine Nerven. Es ist Ihre letzte Chance und ich erwarte, dass Sie diese annehmen und nicht weiter negativ auffallen. Sie sind erst zwei Wochen hier und schon ist Ihre Akte dicker, als die der Abschlussschüler!"
Ich zuckte kaum merklich zusammen, als sie lauter wurde.

Mit einer zackigen Handbewegung bedeutete mir die Sekretärin, ihr Büro zu verlassen. Ich ging mit eingezogenem Kopf.

Na toll! Was hatte ich mir da nur wieder eingebrockt?

#grl_pwr, oder wie man ohne Wlan überlebtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt