#grl_pwr, oder wie man ohne Wlan überlebt

2.5

*Seufz*
Das hatte ich einfach nicht verdient. Nach all meinen guten Taten. Einmal startete ich ein Gewinnspiel auf meinem Instagram Account. Eine glückliche Gewinnerin erhielt ein komplettes Beautycase. Da sah man doch, was für ein guter Mensch ich war, oder nicht?
Mein Instagram!
Die Geister kehrten in meinen Körper zurück und ich schlug die Augen auf. Die Realität gefiel mir ganz und gar nicht. Triste Wände und die drückende, verbrauchte Luft.
Gerne hätte ich mich gefragt, wo ich mich befand, was wohl passiert war, doch an Erinnerung mangelte es keinesfalls.

Nach meinem Zusammenbruch am Tag zuvor, waren Sanitäter des Campus gerufen worden. Mein übrig gebliebenes Selbst hatte jammernd auf dem von Tau feuchtem Gras gelegen und musste medikamentös beruhigt werden. Die Beruhigungsspritze hatte einer der Sanitätsstümper brutal in meinem Oberarm gejagt- die Einstichstelle tat immernoch weh.
Nach einer unruhigen Nacht in zwischenzeitlichem Dämmerschlaf, blinzelte ich nun in die Strahlen der aufgehenden Sonne.

*Seufz*
Mir tat alles weh. Teilweise geschuldet durch das unbequeme Bett mit der durchgelegenen Matratze, die Nachwirkungen des Betäubungsmittels und mein angekratzter Stolz. Ganz im Ernst, ich wurde hier nicht standesgerecht behandelt.
*Seufz*

Mit größtmöglichem Aufwand wandte ich den Kopf zur Seite und erblickte nur zwei leere Betten, eines völlig zerwühlt, das andere fein säuberlich zurecht gemacht. Die Persönlichkeiten meiner Zimmergenossinen interessierten mich recht wenig, doch konnte ich genau bestimmen, welches Bett zu Susan und welches zu Sienna gehörte. Jedenfalls konnte ich mir nicht vorstellen, die akkurate und steife Sienna würde ihr Bett im Chaos zurück lassen. Was jedoch Susan betraf...

*Seufz*
Müsste ich nicht auf einer Krankenstation liegen? Echte Spezialisten sollten eigentlich meinen Gesundheitszustand überwachen. Ich hätte hier ohnmächtig werden können. Ich hätte hier ins Koma fallen können. Ich hätte  krepieren können. Niemanden schien das zu kümmern.
*Seufz*
Ich musste mich wohl damit abfinden, New York nie wieder zu sehen. Dieses Internat würde mich zerstören.
*Seufz*

„Versinkst du in Selbstmitleid? Du bist doch kein kleines Kind mehr."
Der schnippische Tonfall gehörte Sienna, die soeben mein Zimmer betrat und mich kurz abfällig musterte.
„Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, wir haben gleich Unterricht und an deinem ersten Tag zu schwänzen kommt absolut nicht gut an", meinte sie arrogant.
Ich zog einen Flunsch.
„Mir geht es offenbar nicht gut, da gehe ich doch nicht in den Unterricht!", schmollte ich und seufzte wie zur Bestätigung noch einmal laut auf.

Sienna, die nach ihrem Rucksack unter dem Bett griff, rollte mit den Augen.
„Du bist eine echte Dramaqueen."
Offensichtlich kein Kompliment.
„Wie fühlst du dich?"
Auch Susan hatte das Zimmer betreten und warf mir einen mitleidigen Blick zu. Ihr krauses Haar hatte sie zu einem unebenen Pferdeschwanz zusammengebunden und ihr grauer Lidstrich war verschmiert.
Mitleid von ihr? Darauf konnte ich getrost verzichten.
„Du sahst gestern echt fertig aus", spulte Susan ihre Mitleidstour ab. „Deswegen benötige ich dringend einen Doktor", erklärte ich mit hochgezogener Augenbraue. Eine ganz klare Aufforderung an die zwei Grazien. Sienna verschränkte schon die Arme vor der Brust und funkelte mir eisig entgegen. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Susan ihr einen bittenden Blick zuwarf, auf den die Italienerin tatsächlich reagierte. Ergeben warf sie die Hände in die Luft, fluchte auf ihrer Muttersprache und verließ das Zimmer.

Susan warf mir ein gequältes Lächeln zu. „Sie gibt der Krankenschwester bescheid, dass sie mal einen Blick auf dich werfen soll", erklärte sie und setzte sich auf meine Bettkante. Hatte ich ihr diese Nähe etwa erlaubt?
„Sienna und ich sind beide das zweite Jahr hier. Schon letztes Jahr haben wir uns ein Zimmer geteilt, zusammen mit Marry, doch die wurde leider letztes Jahr rausgeworfen."
„Interessant", murmelte ich lediglich. Mir war jetzt wirklich nicht nach tiefgreifenden Gesprächen oder Konversationen anderer Art. Das verstärkte nur meine Kopfschmerzen.