„Du hast mich verraten!"
„Doch nicht absichtlich", verteidigte sich Amina beleidigt.
„Und ob es absichtlich war. Dir rutscht doch sonst nichts raus, wieso konntest du nicht einfach dicht halten?"
„Ich wollte es ja, aber dein Vater hat totalen Druck gemacht und ich hatte echt Angst."
„Du und Angst?" Ich wünschte ich hätte mich verhört. Fassungslos hielt ich weiterhin den Hörer verkrampft an meinem Ohr. Dabei handelte es sich ausnahmsweise nicht um mein Handy, oh nein. Meine Eltern hatten ihre Drohungen wahr gemacht, weshalb ich die sogenannten „Konsequenzen" nun endlich in voller Härte zu spüren bekam.„Du hast vor nichts und niemandem Angst, ausser vor der Rebellion des Proletariats also verrate mir endlich den wahren Grund, weswegen du mich verpfiffen hast!", schnauzte ich nun wütender.
„Irgendeine Sicherung ist da wohl mit mir durchgebrannt", versuchte sie matt sich zu verteidigen.
„Eine schöne Freundin bist du mir. Bist du vielleicht eifersüchtig, weil ich beinahe den Traum gelebt hätte? Immerhin wärest du auch gerne abgedüst um Influencer zu werden, gib es wenigstens zu!"
„Gar nichts geb ich zu!", zickte Amina. „Du hättest deinen Abgang einfach besser planen müssen. Ich selbst hab dich auf die Idee gebracht die Schule zu schmeissen. Du bist einfach nur unfähig dein Handeln zu kontrollieren; das ist aber nicht meine Schuld."Erschrocken sog ich die Luft ein. Amina war von allen Mädchen, die ich an der Upper East Side kennen gelernt hatte, das größte Miststück. Hinterhältig und intrigant, hatte sie schon so manches Mädchen ins Verderben gebracht, doch nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass sie sich eines Tages auch gegen mich stellen würde. Sie kannte meinen widerwärtigen Charakter ebenso, wie ich ihren. Das machte uns nicht nur zu besten Freundinnen, sondern auch zu Schwestern im Geiste, Seelenverwandte. Und nun?
Tränen der Verzweiflung rannen über meine Wange und ruinierten den letzten Hauch Makeup, das sich noch wacker auf meinem Gesicht gehalten hatte. „Amina ich brauch dich jetzt. Hier passiert gerade eine richtige Scheisse."
Meine Worte schienen sie nicht zu berühren.Mittlerweile war eine ganze Woche seit meiner versuchten Flucht vergangen. Seit dem besaß ich weder ein Handy, noch Anschluss zur Zivilisation. Krampfhaft hatte ich versucht abzuwenden, was nun eingetroffen war: Miss Welch hatte sich entschieden, mich bis auf weiteres zu suspendieren. Worte wie „schlechter Charakter", „Störenfried", „Realitätsfern" waren gefallen, während einem hitzigen Gespräch mit meinen Eltern. Von all dem hatte ich nichts mitbekommen, da ich mich auf dem Weg zum Flughafen befunden hatte. Ein Anruf bei Amina- zumindest soweit wussten meine Eltern über mich bescheid, dass sie sicher sein konnten, ich informierte meine beste Freundin über jeden Schritt, den ich tätigte- und schon wussten sie über meinen Aufenthaltsort bescheid.
Nun konnte ich nicht sagen, was mich mehr schmerzte: zu wissen, dass Amina mich verraten hatte, oder die Anschuldigungen von Miss Welch. Na gut, sie hatte ja größtenteils recht, mit meinen 17 Jahren sollte man meinen, ich könnte verantwortungsbewusst sein. Meinen Eltern lag die Bildung sehr am Herzen, aber das war nunmal nicht mein Ding. Ich konnte nicht still sitzen und dem abstrakten Geschwafel diverser Lehrer lauschen. Schließlich war ich Autumn Nicholson! Eine Nicholson war schon immer zu höherem geboren! Ich musste mein eigener Herr sein.
Aber machte mich das gleich zu einem schlechten Menschen? Meiner Familie mangelte es nicht an Geld, ich konnte tun und lassen was ich will, oder etwa nicht?„Du bist meine beste Freundin, ich brauche wirklich deine Unterstützung", startete ich einen neuen Versuch.
„Mama und Papa sprechen seit gestern von einem besonderen Aufenthalt. Wir wissen wohl beide, dass sie damit kein Spa in Europa meinen", überlegte ich laut. „Denkst du, sie schicken dich in ein Bootcamp? Sowas wie Social Detox?"
Ich hatte offenbar Aminas Interesse geweckt.
DU LIEST GERADE
#grl_pwr, oder wie man ohne Wlan überlebt
Teen FictionZwei Qualitäten zeichnen Autumns Eltern aus: sie sind reich und immer unterwegs. Ihre Tochter bleibt daher sorglos und verwöhnt mit einer Kreditkarte in New York und lebt in den Tag hinein. Als sie die Schule abbrechen will um sich auf ihr eigenes B...