Teil 3

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2 Jahre später

"Wieviel Termine habe ich heute noch?", will ich von Kim wissen, die gedankenverloren eine pinke Haarsträhne um ihren Finger wickelt und laut mit ihrem Kaugummi knallt. Ich ziehe meine schwarzen Handschuhe aus und schmeiße sie in den Müll, lasse mich auf die Kante des Schreibtisches, unterhalb des Tresens fallen. Meine beste Freundin starrt weiterhin auf den Terminplaner, gibt mir aber keine Antwort.

"Hallo? Erde an Kim?!", rufe ich ihr ins Ohr und sie fährt erschrocken zusammen.

"Was? Hast du was gesagt?"

"Ja hab ich, ich wollte wissen wieviel Termine ich heute noch habe?" Mein Kunde kommt aus dem Tättoowierzimmer und steckt vorsichtig sein T-Shirt in die Hose.

"Lass es lieber über der Hose, dann klebt es nicht mit der Folie fest. Denk dran, erst abmachen wenn du zuhause bist."

"Du hättest mich ja mal vorwarnen können, dass die Stelle so schmerzhaft ist", beschwert er sich gespielt und lächelt mich etwas gequält an.

"Dann hättest du es nicht stechen lassen, außerdem hast du dich doch tapfer geschlagen, ist ja schließlich nicht dein erstes Tattoo."

"Von dir schon, es sieht wirklich echt Hammermäßig aus."

"Vielen Dank, du kannst mich gerne weiter empfehlen. Wir sehen uns dann in acht Wochen zur Kontrolle. Ciao Leo", wir reichen uns die Hand und er verschwindet nach draußen. Ein warmes Sommerlüftchen weht in den Laden, als sich die Tür langsam schließt.

"Also, was steht heute noch an?"

"Phil hat sich mal wieder eingetragen", grinst Kim mich schief an, da fällt mein Blick auf ihren Hals.

"Sag mal", ich drehe ihren Kopf leicht schräg, damit ich ihren Hals besser begutachten kann, "hast du da etwa einen Knutschfleck?!", ich grinse sie dreckig an und ihre Wangen verfärben sich leicht rot. Schnell zieht sie den Kopf weg, steht auf und geht mit großen Schritten auf die Tür zu.

"Ist dir auch so warm? Ich lass mal ein bisschen frische Luft rein", sie reißt die Tür auf und setzt sich draußen auf die Fensterbank.

"Ich will jedes schmutzige Detail hören, aber erstmal brauche ich was zu trinken und Kaffee", rufe ich nach draußen und stelle eine Tasse unter den Vollautomaten, der seit fast einem Jahr unser Goldstück ist. Dann schnappe ich mir eine eiskalte Cola aus dem neuen Designerkühlschrank, bei dem man vorne auf die Tür klopft und dann sieht was sich alles für tolle Sachen im Inneren befinden. Der aufdringliche Verkäufer hat mir noch irgendetwas von einer App erzählt, die mir sagt, ich muss Milch, oder was auch immer einkaufen. Aber mit diesem Schnick Schnack komme ich noch nicht klar.

Mit meinem Getränken geselle ich mich zu meiner besten Freundin auf die Fensterbank, strecke stöhnend meine Beine aus und drehe meinen Kopf langsam hin und her.

"Du erzählst mir auch seit Monaten nicht mehr alles", spielt sie die beleidigte Leberwurst.

"Stimmt doch gar nicht, du weißt alles."

"Nein, weiß ich nicht. Du schleppst in letzter Zeit immer wieder die neuesten technischen Dinge hier an, aber dein Laden wirft nicht mehr Gewinn ab als sonst", sie schließt die Augen und lehnt ihren Kopf an die Fensterscheibe.

"Meine Mutter hat doch das Haus verkauft und ist in eine kleine Wohnung über der Pflaume gezogen. Sie hat mir schon ein Teil meines Erbes gegeben", sage ich angespannt.

"Erzähl doch keinen Scheiß! Deine Mutter hat mir vor ein paar Tagen erzählt, dass sie nicht weiß, wie sie ihre nächste Rechnung von der Brauerei bezahlen soll", giftet mich Kim an. Das wusste ich gar nicht?!

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