Teil 33

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Ich trinke schweigend mein Bier aus und winke mit der leeren Flasche, auch Jack leert seine und ich gehe zwei neue holen.

"Okay, bist du bereit?", frage ich ihn und mache den großen Tischkamin an, damit wir uns sehen können. Mittlerweile ist die Nacht über Hamburg reingebrochen, der Hafen bildet zwar eine schöne Lichtkulisse, doch für genügend Beleuchtung auf den Dachterrassen sorgt er nicht.

"Yes Baby. Egal was du jetzt sagst, ich bin hier und bleibe auch, weil ich dich liebe", er greift nach meiner rechten Hand und ich drehe meine Flasche Bier in der Linken nervös hin und her.

"Ich hatte einen Zwillingsbruder, Matts, er war damals frisches Mitglied bei den Dock's, als es zu einem Zwischenfall gekommen ist. Die Bloody Ghosts und die Docks sind auf der Reeperbahn in eine üble Massenschlägerei geraten und Matts hat einen von denen Krankenhausreif geprügelt. Seitdem ist der Typ ein Pflegefall, weil er doof auf die Kante eines Bürgersteiges gefallen ist. Er hat zwei Kinder und eine Frau, die sich ein paar Wochen später von ihm getrennt hat, der Typ lebt jetzt in einem Pflegeheim. Die Ghost's haben Rache geschworen und Matts beschattet, was von uns niemand wusste", ich trinke noch einen Schluck und Jack hält weiterhin meine Hand fest umschlossen.

"Da bei allen MC's keine Frauen zugelassen sind, habe ich während einer Tattoostunde beschlossen, einen eigenen Club nur für die Mädels zu gründen. Wir haben uns immer im Tattoostudio getroffen. Ich habe das Logo mit den Flügeln entworfen und Zoe hat es einer Freundin gegeben, die es uns perfekt auf die Lederwesten geschneidert hat. Alles war friedlich, wir haben uns regelmäßig mit den Mitgliedern der Dock's getroffen und gefeiert. Martin  hat mich für meinen Mut bewundert, einen eigenen MC nur für Frauen gegründet zu haben. Keiner hat mehr an den Vorfall mit den Bloody Ghosts gedacht, bis zu diesem einem Tag, der mein ganzes Leben in den Abgrund gestoßen hat. Matts kam mit seiner neuen Harley zu mir um sich ein neues Tattoo stechen zu lassen, doch wie aus dem Nichts, tauchte der Typ von den Ghost's auf. Es kam zu einer Rangelei zwischen den Beiden, dann ging alles rasend schnell, ich saß am Schreibtisch -", Tränen verschleiern meinen Blick, ich versuche sie zurück zu drängen, doch sie laufen ungehindert an den Wangen herab. Ich habe es so ausführlich noch niemanden erzählt, nicht der Polizei, nicht meiner Mutter und auch Kim weiß nur einen Bruchteil.

"Hey", Jack zieht mich in seinen Arm und ich muss eine Pause machen. "Geht's wieder", fragt er leise als ich die letzten Tränen weg wische. Ich nicke, nehme die Füße vom Tisch, klemme sie unter meinen Arsch und drehe mich näher zu Jack, der mir einen mitfühlenden Blick zuwirft.

"Ich habe die kurze Rangelei beobachtet, dann hat dieses feige Arschloch eine Waffe gezogen, sie Matts in den Unterbauch gehalten und ohne mit der Wimper zu zucken, abgedrückt. Matts ist ganz langsam auf den Boden gesunken, der Wichser ist auf seine Maschine gestiegen und abgehauen. Ich habe noch den Notruf gewählt und bin dann wie in Zeitlupe nach draußen gerannt, habe mich zu Matts auf den Boden gesetzt, seinen Kopf in meinen Schoß gezogen und er hat mir das Patch von dem Typ in die Hand gelegt. Seine letzten Worte waren: "Ich liebe dich mein Herz, pass auf Phil auf!", dann hat er für immer seine Augen geschlossen. Es kam mir wie Stunden vor, bis der Notarzt endlich kam und Matts von meinem Schoß gezogen haben. Der Versuch ihn  wieder zu beleben, scheiterte. Es war zu spät", ich verstumme und Jack trinkt seine Flasche aus, jetzt ist er es, der vor meinem Gesicht hin und her winkt. Ich trinke schnell aus und er geht rein um Nachschub zu holen.

Ich stehe in der Zwischenzeit auf, stelle mich an das Milchglasgeländer und blicke in den rabenschwarzen Himmel. Zwei Arme schieben sich rechts und links an mir vorbei und Jack hält mir eine Flasche hin. Ich lehne mich müde an seine harte Brust und schließe für einen kurzen Moment meine Augen.

"Dein Zwilling, das ist eine extrem harte Nummer", flüstert Jack auf meinem Scheitel.

"Die Ghosts sind sehr eitel, daher haben alle Mitglieder ihren Namen als Patch auf den Kutten. Ich habe den Patch noch in der Hand gehabt, als der Notarzt mir Matts weggezogen hat. Eine Sanitäterin hat mir später hoch geholfen und mir eine Beruhigungsspritze gegeben. Der Patch war die ganze Zeit in meiner Hand und ich habe sie erst wieder aufgemacht, als Matts mit dem Leichenwagen abtransportiert wurde. Danach habe ich ihn in meine Jeanstasche gesteckt, bin in meinen Laden gegangen, habe abgeschlossen und einfach nur geweint, bis meine Mutter mich nach Stunden gefunden hat."

1000 Meter in 5 SekundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt