Die Woche plätschert so dahin, und ehe ich mich versehe, ist fast Wochenende. Ich stehe vor meinem Kleiderschrank und überlege krampfhaft was ich zum Elternabend anziehen soll. Am besten Rollkragenpullover mit einer Jeans die mir drei Nummern zu groß ist, Haare streng frisiert.
"Ach Scheiße, ich hab nichts zum anziehen", frustriert, weil ich nichts finde, lasse ich mich auf mein Bett fallen, seit Sonntag habe ich versucht nicht in die rechte Bettseite zu rutschen. Sie riecht immer noch ein bisschen nach Jack. "Maggie Thomas, reiß dich zusammen!", schimpfe ich mit mir und streiche über die Bettdecke. Jack habe ich seitdem nicht mehr gesehen.
"Mom?!", ruft Phil auf einmal im Flur.
"Hier, ich muss sterben", rufe ich theatralisch aus meinem Zimmer.
"Was?!", er reißt die Tür auf und guckt mich grinsend an. "Was machst du da, nur im knappen Höschen und Spitzen-BH, willst du so meinen Klassenlehrer rumkriegen? Der sieht gar nicht mal übel aus, wenn ich da an unsere alte Schabracke von Lehrerin denke", er verdreht die Augen und schmeißt sich in die freie Bettseite.
"Hey, raus aus meinem Bett!", schreie ich und schubse ihn runter, so dass er mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden landet.
"Was läuft denn mit dir falsch?", fragt er sichtlich irritiert und legt seine Arme auf der Bettkante ab.
"Nichts!", schnauze ich zurück und stelle mich erneut vor den Schrank. "Was zieht man den heutzutage zu Elternabenden an?! Ich war gefühlt, das letzte Mal in der Grundschule, und da auch nur auf dem Ersten."
"Warte", Phil geht zum Schrank, zieht eine schwarze Skinny-Jeans, ein weißes enges T-Shirt mit tiefen V-Ausschnitt raus und bückt sich im Schrank nach meinen Boots mit den silbernen Nieten. "Zieh das an, Nathalie kommt auch. Miguel hat es mir vorhin gesagt, sie hat auch kein Bock auf den Scheiß und ist der Meinung, dass wir alle alt genug sind und selbst entscheiden können, was wir auf unserer Abschlussfahrt anstellen. Ich habe übrigens heute das Schreiben für die Oberstufen-Anmeldung bekommen."
"Was?! Das erzählst du mir mal so eben zwischen Tür und Angel?!", ich gucke meinen Sohn entgeistert an, er ist eigentlich sehr faul, aber in den letzten Wochen, habe ich ihn doch das ein oder andere mal etwas für die Schule tun sehen. Aber das es für die Oberstufe reicht, überrascht mich jetzt doch.
"Willst du denn Abi machen?"
"Ja warum nicht, ich weiß sowieso noch nicht was ich für eine Ausbildung machen will. Und zum Profiboxer fehlt mir einfach die nötige Erfahrung."
"Hallo? Was ist in den letzten Wochen passiert? Hast du beim Training zu oft eins auf die Mütze bekommen", wir lachen beide und ich schließe Phil stolz in meine Arme. Tränen brennen in meinen Augen und ich verberge mein Gesicht an seiner Schulter.
"Hey Mama, nicht weinen", sagt er tröstend und streicht mir über den Rücken.
"Du bist so schnell groß geworden, ich sehe dich immer noch unten im Studio mit meinen Gummihandschuhen, oder bei Oma und Opa im Garten Fußball spielen, und jetzt denkst du auf einmal drüber nach Abitur zu machen. Dein Halbjahreszeugnis war doch nicht so pralle."
"Ja, ich weiß, aber unser Klassenlehrer hat uns echt in den Arsch getreten, weil er der Parallel-Klasse eins auswischen will. Von uns schaffen es zehn in die Oberstufe und von den anderen gerade mal drei", er grinst mich schief an und ich ziehe die Klamotten, die er immer noch in der Hand hat, einfach an.
"Und du kriegst das hin, so mit lernen, Training, feiern gehen, Mädchen und so weiter?!"
"Ja ein Versuch ist es Wert", er lässt mich allein und ich mache mich im Bad noch ein bisschen zurecht. Nehme die Schlüssel von meiner Harley, fahre in die Stadt zur Gesamtschule und lasse mir alles was Phil eben gesagt hat, nochmal durch den Kopf gehen. Mein Junge macht Abi, das Gen hat er definitiv nicht von mir, ich habe mit hängen und würgen gerade mal mein Realschulabschluss hinbekommen und dann eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Mit sechzehn kam der One-Night-Stand dazwischen und ich habe meine Lehre trotz Baby zu Ende gemacht. Dank der Hilfe meiner Eltern und Matts, der eine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker mit Auszeichnung abgeschlossen hat.
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1000 Meter in 5 Sekunden
AçãoMaggie, mit Anfang dreißig in ihren besten Jahren, taff, selbstständige Tattoo-Künstlerin, gründet einfach ihren eigenen Motorradclub in einer unangefochtenen Männerdomäne. Beziehungen liegen ihr nicht, denn bevor es im peinlichen Schweigen am näch...