Ein lange überfälliges Gespräch

539 48 3
                                    

"Endlich", seufzte Hannah glücklich. 

Die Hufflepuff fielen aus der Starre, in der sie Megan gelauscht hatten und erinnerten sich daran, dass im Gemeinschaftsraum Kekse und Heiße Schokolade bereit standen. 

Megan lächelte gefährlich. "Freut euch nicht zu früh. Diese letzten Tage vor Ende der Ferien waren so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm."

Das Lagerfeuer knackte und ließ goldene Funken über die Bergkuppe schweben, auf der sie ihr Lager aufgeschlagen hatten. Von hier hatten sie einen guten Blick auf Schloss Hogwarts, das sich majestätisch zwischen die Berge schmiegte. Im See, weit unter ihnen, reflektierte sich das Sternenlicht. Als die Teekanne, die sie heraufbeschworen hatten, pfiff, nahm Megan sie vom Feuer und goss ihnen von der warmen Flüssigkeit ein.
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir hier sind", sagte Hermine und lehnte sich gegen den Stamm einer verwachsenen Kiefer.
Draco schaute auf die makellose Stelle an seinem Unterarm, die noch vor kurzem vom Dunklen Mal verunstaltet worden war. „Glaube mir, niemand ist so überrascht wie ich", sagte er gedankenvoll.
Hermine wirkte für einen Moment, als wollte sie die Stelle ebenfalls berühren, dann ließ sie es bleiben und faltete die Hände stattdessen auf ihrem Schoß zusammen. „Jedes einzelne Element in seiner reinen Form besitzt die Fähigkeit, verderbte Magie auszutreiben. Wir alle Vier beherrschen ein solches Element. Ihrer vereinigten Form hatte das Dunkle Mal nichts entgegenzusetzen."
Mit funkelnden Augen schaute Megan in die Runde. „Dass wir eine zweite Chance bekommen ... dass wir alle wieder hier sind ... es ist ein einziges Wunder."
Hermine drückte ihre Hand. Eine Weile verfielen sie ihn andachtsvolle Stille. Eine Eule schwebte über ihren Köpfen auf die erleuchteten Fenster von Hogwarts zu.
Irgendwann wandte sich Hermine an Draco. „Ich hätte nie gedacht, dass du es bist. Ich meine, so, wie du dich verhalten hast, lag es nicht gerade auf der Hand."
Draco schürte das Feuer, sodass Funken in die Nacht stoben. „Ich schätze, ich habe mich für einiges zu entschuldigen. Deinen Schlag im letzten Schuljahr hatte ich definitiv verdient."
„Wie kam es zu diesem Wechsel in deinen Überzeugungen?", fragte Megan neugierig.
Nachdenklich starrte Draco in die Flammen. „Ich bin einfach damit aufgewachsen. Mein Vater machte sehr deutlich, dass Reinblüter das Recht haben, über andere zu herrschen. Ich habe meine vermeintliche Überlegenheit nie in Frage gestellt. Und es ist leicht auf anderen herumzuhacken, wenn man sie nicht als vollwertige Menschen betrachtet."
„Warum besonders auf mir?", fragte Hermine.
Draco lächelte ironisch. „Weil du schlauer bist als ich. Und laut meinem Vater war es nicht möglich, dass eine einfache Muggelgeborene bessere Leistungen erbringt als ein Reinblüter. Als ich merkte, dass ich dir schulisch nie gewachsen sein würde, habe ich versucht, dich anders unterzukriegen." Er schüttelte den Kopf. „Nun, wo ich dich von früher kenne, ist mir natürlich klar, dass ich dich mit einem solchen Verhalten höchstens noch anstachelte."
Megan warf einen Kiefernzapfen so heftig in den Wald hinein, dass Mor auf ihrer Schulter erschreckt aufflatterte. „Es ist alles wegen diesem dummen Häusersystem! Wäre das nicht gewesen, ich bin mir sicher, wir wären schon vor Jahren Freunde geworden! So aber haben wir uns kaum kennen gelernt und was manche von uns angeht, sogar zu echten Feinden entwickelt!"
Draco und Harry tauschten einen betretenen Blick.
„Ich muss dringend mal mit meinem alten Hut sprechen", murmelte Draco. „Einst ging es uns darum, Seelen zu heilen. Ich weiß auch nicht, was passiert ist, dass er begonnen hat, Kinder in so oberflächliche Kategorien einzuteilen."
Harry blickte in die Flammen. „Dein Hut war einer der ersten Gegenstände, die gespeist von der Magie von Hogwarts, unserer Magie, ein Eigenleben entwickelten. Gegen Ende waren wir keine Einheit mehr. Und unmerklich, durch die Jahre, ist Hogwarts von einem Ort der Heilung zu dem Austragungsort eines Kampfes geworden. Ich glaube, dass der Hut das gespürt hat. Vielleicht war das seine Art, darauf zu reagieren?" Er wandte sich ab „Es sieht aus, als hätte ich noch viel mehr zerstört, als ich ursprünglich annahm."
Draco blickte ihn eindringlich an. „Wir alle haben unsere Entscheidungen getroffen, Salazar. Und wir alle haben an dem Ende mitgewirkt, das letztlich über uns hereingebrochen ist. Also übernehme nicht die Verantwortung für Dinge, die nie in deiner Macht lagen."
Hermine nickte. „Damals, als wir gegen Asmodai gekämpft haben ... du hast uns gerettet Harry. Du hättest dich selbst für uns und für Hogwarts aufgeopfert. Das kann man nicht so einfach vergessen."
Durchdringend blickte Harry von einem zum anderen. „Aber all die Jahre danach könnt ihr verzeihen? Als ich an den Dementoren forschte? Als es immer öfter zwischen uns zum Streit kam? Als ich immer entschiedener gegen Muggelgeborene vorging und euren Willen im Geheimen missachtete?"
„Wer spricht hier von vergessen?", fragte Megan. „Ich habe nicht vor, diese Jahre aus meinem Gedächtnis zu streichen!", sagte sie entschieden. Dann wurde ihre Miene weicher. „Denn ich lasse nicht zu, dass so etwas noch einmal passiert." Sie lächelte warm. „Ich bin so froh, dass du mich nicht mehr mit dieser Kälte in den Augen anblickst. Ich hatte Alpträume davon, weißt du?"
Harry lehnte sich vor und legte eine Hand auf ihren Arm. „Helga ... Ich ..."
Sie winkte ab und blinzelte mehrmals, um die Tränen aus ihren Augen zu vertreiben. „Es ist vorbei. Das ist alles, was zählt."
„Ich danke euch", sagte er rau. „Euch allen."

Ron, der bisher schweigend im Feuer gestochert hatte, erhob sich ruckartig. Sofort waren alle Blicke auf ihn gerichtet. „Was ist los, Ron?", fragte Hermine.
Der rothaarige Teenager zwang sich zu einem Lächeln. „Nichts. Gar nichts. Ich dachte nur, wir könnten noch etwas Feuerholz brauchen." Schnell, bevor ihn jemand daran hindern konnte, stapfte er aus dem Lichtkreis des Feuers.
Besorgt beobachtete Hermine, wie Rons Gestalt in der Dunkelheit verschwand. „Schon als ihr in der Anderswelt wart, ging es ihm nicht gut. Er fühlt sich ausgeschlossen." Entschuldigend blickte sie Draco an. „Und ich fürchte, er war etwas enttäuscht davon, dass ausgerechnet du Godrics Wiedergeburt bist."
Malfoy seufzte. „Wenn er nur halb so entsetzt war, wie ich selbst, ist das die Untertreibung des Jahrhunderts."
Gedankenvoll streichelte Megan über Mors Gefieder. „Ich denke, er hatte gehofft, dass er Godrics Wiedergeburt ist."
„Was?", fragte Hermine und ihre Wangen färbten sich rot. „Aber das ist absurd."
„Nicht, wenn er sich nicht erinnert", sagte Draco ernst. „Und das tut er nicht, nicht wahr?"
Harry nickte. „Er ist nicht wie wir durch unsere Magie verbunden. Wie sollte er sich erinnern?" Er erhob sich. „Ich sehe nach ihm."
Draco tat es ihm nach. „Ich komme mit."
Seite an Seite schritten sie durch die Nacht.
Hermine betrachtete aufmerksam ihre Freundin. „Du weinst ja schon wieder", sagte sie sanft.
Megan lächelte durch den Schleier aus Tränen hindurch. „Es ist nichts. Ich bin nur glücklich. So viele Jahre habe ich Salazar und Godric nicht mehr als Einheit erleben dürfen. Und nun ist es fast, als wären all diese furchtbaren letzten Jahre nie passiert."
Hermine lehnte sich an die Schulter der Freundin. „Ich bin immer noch verwirrt, dass Godric Malfoy ist. Der Teil von mir, der Rowena ist, erkennt ihn ohne einen Moment des Zögerns. Aber alles, was ich von ihm in diesem Leben weiß ... es spricht dem einfach diametral dagegen."
„Findest du?", fragte Megan. „Godric hat immer für die Gesellschaft gekämpft, in die er hineingeboren wurde. Bei unserem ersten Mal waren das die Muggel. Nun sind es die reinblütigen Zauberer. Und er hat dieses wie letztes Mal die Seiten gewechselt, sobald er seinen Irrtum eingesehen hat. Was daraus resultierte, war, wie schon damals, ein großes Verständnis für beide Sichtweisen."
Hermine nickte nachdenklich. „Wenn du es so siehst." Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Es wird trotzdem noch eine Weile brauchen, bis ich mich daran gewöhnt habe, dass er mich nicht mehr beleidigt."
Megan kicherte. „Das solltest du ihm sagen. Godric ist niemand, der die Wünsche einer Dame zurückweist. Ich bin mir sicher, er ist weniger nett zu dir, wenn du ihn darum bittest."
Hermine zog die Nase kraus. „Das ist nicht das, was ich meinte."
Als ihre Freundin darauf lachte, gab Hermine ihr einen Klaps auf den Hinterkopf. Kurze Zeit später wurde ihre Miene jedoch wieder ernst. „Ich hoffe nur, dass Ron seinen Platz trotz all dem findet", sagte sie besorgt. „Es muss schwer für ihn sein, ohne Erinnerungen. Für mich war es so abwegig, dass er sich für Godric halten könnte, dass ich nie auch nur daran gedacht habe."
„Du hast ihn ein Leben lang in einer anderen Rolle erlebt", sagte die Hufflepuff nachdenklich. „Das macht es ziemlich schwer, an so etwas zu denken." Sie knuffte Hermine in die Seite. „Vor allem als seine Ehefrau."
Hermine wurde rot. „Ich glaube nicht, dass er in diesem Leben schon so weit ist. Wir haben noch nicht mal Händchen gehalten."
Sacht strich Megan der Freundin über den Rücken. „Ich kann mir vorstellen, dass du dich deswegen zurückhältst. Aber Ron braucht gerade deinen Zuspruch mehr als den aller anderen. Er hat Angst dich zu verlieren, weißt du?"
Sprachlos blickte Hermine sie an. „Das ist vollkommener Schwachsinn!"
„Nicht wenn du das Ganze aus seiner Sicht betrachtest. Wir haben vor wenigen Stunden eine Menge an Lebenserfahrung gewonnen, Hermine. Und nicht nur die beliebiger Hexen und Zauberer, sondern die der Gründer von Hogwarts. Es ist ganz natürlich, dass sich Ron im Vergleich dazu sehr unzureichend vorkommen muss."
Hermine nickte langsam. „So habe ich das noch nie betrachtet."
„Deswegen hast du ja mich", sagte Megan augenzwinkernd und nahm einen Schluck Tee. „Aber es ist auch wichtig, dass er seine Differenzen mit Draco überwindet. Und da mache mich mir deutlich größere Sorgen."
Hermine nickte. „Gryffindor war für ihn ein Idol. Und zumindest bisher hat Draco diesem Bild nicht gerade entsprochen."
Seufzend beobachtete Megan, wie die Funken des Feuers im kalten Wind verglommen, „Genau das macht mir Sorgen."

XXX

Ron fühlte sich so einsam wie schon lang nicht mehr. Er hatte einen umgestürzten Baumstamm gefunden und starrte nun von seinem Sitzplatz hinab auf das erleuchtete Schloss im Tal unter ihm. Hogwarts war für ihn immer ein zweites Zuhause gewesen. Und nun hatte sich herausgestellt, dass seine besten Freunde eben diese Schule gegründet hatten. Nur er selbst, er war daran nie beteiligt gewesen. Wie hatte er auch annehmen können, er wäre Teil etwas Größeren? Am Ende lief es immer darauf hinaus, dass Harry die Probleme allein löste. Ron half ihm höchstens auf dem Weg dorthin. Vielleicht taugte er einfach nicht zum Helden? Aber warum war es dann Malfoy? Taugte der nicht noch viel weniger als er? Wo war da die Gerechtigkeit? Er hörte leise Schritte herannahmen und wischte sich hastig über die Augen.
„Hey", sagte Harry. In diesem Moment wirkte er nicht wie der Gründer von Slytherin. Nur wie der Junge, den er kannte. Irgendwie half das.
„Hey", sagte Ron.
„Darf ich mich zu dir setzen?", fragte Harry leise.
Ron zuckte mit den Schultern und rückte etwas zur Seite. Harry setzt sich neben ihn. Eine Weile starrten sie schweigend in die Nacht.
„Du kannst ruhig zurück", sagte Ron schließlich zögernd. „Ich weiß doch wie sehr du dich freust, die anderen wieder zu sehen."
„Schon", sagte Harry und fing Rons Blick ein. „Aber du gehörst auch dazu."
Ron konnte nicht anders als ungläubig zu schnauben. „Na klar", murmelte er. „Das letzte Mal, als ich geguckt habe, hatte Hogwarts nur vier Häuser."
Harry zog eine Augenbraue hoch. „Wir waren alle von Adel und Annehmlichkeiten gewohnt. Jeder von uns nahm einen Teil seiner Getreuen und seines Haushalts mit. Andernfalls wäre es kaum möglich gewesen, ein so großes Schloss zu bewirtschaften."
„Getreue?", fragte Ron und hätte sich ohrfeigen können, dass er tatsächlich so etwas wie Hoffnung empfand.
„Es war früher üblich, dass Jungen von Adel gemeinsam aufgezogen wurden. Auf diese Weise sollten Bündnisse geschmiedet werden, die auch noch im Erwachsenenalter Bestand hatten. In meinem Fall teilte ich sogar die Amme mit einem solchen Jungen. Dazu gab es sogar ein Wort, man nannte eine solche Verbindung Milchbrüder." Harry schmunzelte. „Roderick und ich wurden gemeinsam von Hauslehrern unterrichtet. Wir schlugen uns zusammen durch Geschichte und Geographie und erlernten die Grundlagen der Zauberei und des Waffenhandwerks."
Ron schwieg mit pochendem Herzen.
„Als mein Vater starb und ich seinen Platz als der Herr des Landes einnahm, gab es einen einflussreichen Lord in der Nachbarschaft, der ein großes Misstrauen gegenüber sämtlichen Spielarten der Magie hegte. Sein großer militärischer Erfolg war auf einen brillanten Heerführer zurückzuführen, der unter ihm diente. Ich hegte große Sorge, dass Lord Salodain auch eines Tages vor meinem Land nicht Halt machen würde und die einzige Möglichkeit, die ich sah, dem Einhalt zu gebieten, war mehr über seinen Heerführer zu erfahren. Jeder Mensch hat ein Geheimnis. Und auch wenn man generell sagt, dass Erpressung ein schmutziges Geschäft ist, so halte ich diese Methode doch für deutlich sauberer als ein Blutvergießen. Roderick gehörte zu meinen engsten Vertrauten und er meldete sich freiwillig. So schickte ich ihn aus, sich den Männern von Godric Gryffindor zum Schein anzuschließen, um mehr über ihn zu erfahren."
Harry blickte ihn eindringlich an.
Ron räusperte sich zögernd. Schmerzhaft laut pochte sein Herz in seiner Brust. "Warte. Du willst sagen, dass ich ..."
Harry nickte.
„Du warst jung, ehrgeizig und schienst das Herz auf der Zunge zu tragen", ließ sich eine zweite Stimme vernehmen. „Ich brauchte Männer wie dich und sah keinen Grund, dir zu misstrauen." Malfoy trat aus den Schatten und ließ sich auf Rons anderer Seite auf dem Baumstumpf nieder. Ron war so gefangen von der Geschichte, dass er ganz vergaß, ihm böse zu sein, weil er gelauscht hatte.
„Auch wenn es dir heute seltsam erscheinen mag, machte ich wohl damals einen ganz guten Eindruck auf dich. Trotz unserer schwierigen Ausgangssituation wurden wir Freunde." Er warf Harry einen Blick zu, den dieser mit einem Nicken erwiderte. „Salazar kam erst auf die Idee, mir einen Waffenschwur anzutragen, weil du für mich plädiert hattest."
„Kaum vorstellbar", murmelte Ron und senkte den Blick. „Eher lernen Kobolde fliegen, als dass ich in irgendeiner Sache für dich spreche."
Harry warf ihm einen Blick zu. „Ron ... du hast unter ihm fast so lange gedient wie unter mir."
Draco lächelte schief. „Ich weiß nicht, ob diese Beschreibung passt. Ich hatte nie das Gefühl, dass Ro- Weasley unter mir gedient hat."
„Nicht?", fragte Ron gedehnt. „Das kann ich mir vorstellen. Ich glaube nicht, dass ich jemals zu deinen Speichelleckern oder Gorillas gehört habe!" Innerlich fühlte er sich leicht vor Erleichterung. Auch er war damals dabei gewesen. Er hatte an der Seite seiner Freude gekämpft, auch wenn er sich nicht daran erinnerte.
Anstatt eine Beleidigung zurückzuschleudern, tat Malfoy nicht mehr als zu schmunzeln. „Weißt du, wenn nicht mein Vater, sondern ich selbst meine Freunde aussuche, dann habe ich durchaus eine Vorliebe für Rückgrat und Gehirn."
Ron blickte ihn ungläubig an. „Aber ich sehe dich immer nur mit Crabbe, Goyle und Parkinson."
„Ich bin ein Slytherin, Weasley", sagte Malfoy mit einer Spur der alten Arroganz in der Stimme. Angesichts der Situation wirkte es ziemlich ironisch. Das schien dann auch Malfoy zu merken, denn er tauschte mit Harry einen langen Blick. Dann wurde seine Stimme wieder ernst. "Die Leute, dir mir etwas bedeuten, halte ich gerne aus der Schusslinie. Es gibt so schon genug Möglichkeiten, mich zu erpressen."
Ron starrte ihn mit großen Augen an. „D-du scherst dich um andere Menschen als dich selbst?"
Draco lachte ein bitteres Lachen. „Ich gebe zu, dass sich mein Fokus bisher auf Reinblüter beschränkt hatte. Aber ja, Weasley. Auch wenn ich mir Mühe gebe, dass es nicht so erscheint, kümmere ich mich durchaus um das Schicksal der Menschen um mich herum. Aus anderen Gründen schließt man sich keinem Zauberer an, der verspricht, die Welt zu einem besseren Ort zu machen." Abwesend strich er über seinen Unterarm. „Wenngleich es scheint, als wäre ich auch in diesem Leben auf falsche Versprechungen hereingefallen."
Ron starrte den wiedergeborenen Zauberer an. „Moment! War das gerade ein Schuldeingeständnis?"
Draco blickte ihn säuerlich an. „Möchtest du es schriftlich, Weasley? Ja, ich war zweimal ein Dummkopf, der auf einen machthungrigen Idioten hereingefallen ist. Zufrieden?"
Ungläubig betrachtete Ron den Jungen neben sich. Mit seinen hochgezogenen Augenbrauen und der ungeduldigen Art, meinte er, den Schatten des Jungen zu erkennen, der er vor kurzem noch gewesen war. Nur, dass Malfoy nie ein solches Schuldeingeständnis dargelegt hätte. Erst recht nicht vor jemanden wie Ron.
„Kann es sein, dass ich dir wirklich mal wichtig war?", fragte er zögernd. Noch immer war der Gedanke so abwegig, dass er beinah gelacht hätte. Umso überraschter war er, als sich Malfoys Augen mit Wärme füllten. „Ich verzeihe wenigen, dass sie mich jahrelang ausspioniert haben. Du warst die goldene Ausnahme von der Regel. Es mag geholfen haben, dass wir uns zuvor mehrfach gestritten und wieder vertragen haben. Wenn es jemanden vor Salazar gegeben hat, der mir die Augen für die wahre Natur der magischen Gemeinschaft geöffnet hat, dann warst das du."
Ron schwieg eine ganze Weile. Sein Mund fühlte sich trocken an. Aber auf eine gute Weise „Das mit dem Streit glaube ich dir sofort", sagte er schließlich.
Malfoy lachte. Es war nicht das hämische Lachen, das er bis dahin so oft gehört hatte. Es klang überraschend tief und ansteckend und weniger gekünstelt „Glaube mir. Ich brauchte auch früher jemanden, der mich hin und wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte. Diese Aufgabe hast du sehr pflichtbewusst erfüllt."
Ron spürte wie sich ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. „Ich kann mir vorstellen, dass das Spaß gemacht hat."
„Nicht immer", gab Malfoy mit einem selbstironischen Lächeln zu. „Aber ich gebe zu, dass es nötig war."
Ron hätte sich beinah an seiner Spucke verschluckt. „Sicher, dass ich gerade noch mit Draco Malfoy rede? Oder hat jemand mit Vielsafttrank deine Stelle eingenommen?"
„Weasley", sagte Draco ernst. „Ich habe vor wenigen Stunden achtzig Jahre an Lebenserfahrung gewonnen. Es wäre sehr traurig, wenn ich mich immer noch wie ein sechzehnjähriger Teenager verhalten würde."
Es war hart, auf diese Weise mit der Wahrheit konfrontiert zu werden. Bei Merlin! Das hatte er noch gar nicht bedacht! Die anderen waren mit einem Schlag viel, viel älter als er selbst. Naja ... zumindest irgendwie. Ron lächelte nervös. „Wenn du es so siehst ..."
Harry, der bisher mit einem stillen Lächeln daneben gesessen hatte, ergriff erneut das Wort. „Du warst noch in Godrics Diensten, als du an Lord Salodains Hof einer jungen Frau namens Rowena Ravenclaw begegnetest. Aufgrund unserer schwierigen Situation hatte ich nicht die Möglichkeit, sie persönlich kennen zu lernen. Und so konnte ich euch nur aus der Ferne gratulieren. Ihr habt schon kurze Zeit später geheiratet."
Ron spürte, wie sein Mund aufklappte und schloss ihn hastig. „Hermine und ich haben geheiratet?"
„Ich weiß, das muss vollkommen abwegig für dich klingen" sagte Harry mit warmer Ironie in der Stimme.
Ron versuchte mehrmals etwas zu sagen, ohne dass ein artikulierter Laut hervorkam.
Malfoy spann den Gesprächsfaden weiter. „In eurer ersten Zeit als Ehepaar habt ihr nicht viele Stunden miteinander verbracht. Du hast weiterhin unter mir gedient, während Rowena sich weigerte, zu Hause auf deine Rückkehr zu warten. Die Ehe und die Geburt ihrer beiden Kinder hielt sie nicht lange davon ab, Wissen zu sammeln, das in den Wirren des Krieges verloren zu gehen drohte. Helga Hufflepuff, ihre Freundin aus Kindertagen, begleitete sie auf dieser Reise und half den Menschen als Heilerin und Priesterin. Als ich spontan mitten in einem Gefecht um ein Zaubererdorf die Seiten wechselte, bliebst du an meiner Seite. Und als wir vor der Übermacht von Salodains Heer fliehen mussten, führtest du mich zu einer Kutsche, in der wir uns verbergen konnten. Rowena und Helga, die bisher mit diesem Gefährt gereist waren, versicherten jedem Diener Lord Salaodains glaubhaft, sie hätten uns nicht gesehen. Und niemand nimmt so schnell die Kutsche zweier adeliger Damen auseinander, wenn es sich vermeiden lässt. Selbst dann, wenn sie nicht so ehrfurchtgebietend sind, wie unsere beiden Freundinnen. Ich hatte die Bekanntschaft der beiden durch dich schon deutlich früher gemacht. Aber erst in dieser Nacht lernte ich sie wirklich kennen."
Harry lächelte. „Rowena und Helga waren nur dort wegen dir. Als sie erfuhren, dass du in Kampfhandlungen verwickelt warst, änderten sie ihre Route, um dir beizustehen. Nur aus diesem Grund waren sie vor Ort und konnten Godric und dir das Leben retten. Was lag näher, als euch alle auf meine Ländereien einzuladen, nachdem der Feind erfolgreich zurückgeschlagen worden war? Sein Blick haftete an dem Schloss im Tal unter ihnen. „In diesen Wochen wurde der Grundstein für Hogwarts gelegt." Er hob den Blick und sah seinem Freund in die Augen. „Du warst von Anfang an dabei, Ron. Mehr noch, du warst das Bindeglied, das uns alle zusammen führte."
Draco nickte ernst. „Ohne dich hätten wir einander nie getroffen. Und Hogwarts wäre niemals entstanden, wenn es dich nicht gegeben hätte."
Rons Stimme klang heiser. „Ernsthaft? Ihr ... ihr sagt das nicht einfach so, oder?"
Beide erwiderten offen seinen Blick. „Ich würde dich nicht in einer solchen Sache belügen, Ron", sagte Harry nachdrücklich.
Ron zeigte mit dem Finger auf Malfoy. „Aber er schon!"
Malfoy hab eine Augenbraue. „Dann sollte es dir doch zu denken geben, dass wir beide dasselbe behaupten, oder?"
Eine steile Falte bildete sich auf Rons Stirn. „Wenn es stimmt, was ihr sagt, warum habe ich dann kein eigenes Haus?"
Malfoy zeichnete mit den Fingern die Konturen des Schlosses nach, während er redete. „Du hast bei der Verteidigung von Hogwarts mitgewirkt, wie es schon unter Salazar und später unter mir deine Aufgabe war. Außerdem hast du mir immer wieder im Unterricht ausgeholfen. Aber du wurdest nie müde zu erklären, wie froh du warst, die kleinen Bälger nicht jeden Tag ertragen zu müssen."
„Außerdem hattest du keine Lust auf Politik", ergänzte Harry. „Und auch diese Pflicht wäre mit dem Vorstand über Hogwarts einhergegangen."
„Das klingt ganz nach mir", murmelte Ron und sah zögerlich von einem zum anderen. Dann jedoch schlich sich etwas von der alten Hoffnungslosigkeit zurück in seine Stimme. „Aber wie kommt es, dass ich mich nicht so erinnere wie ihr?"
Harry faltete die Hände in seinem Schoß, während er nach den passenden Worten suchte. „Beinah jedes Haus mit magischen Bewohnern ist irgendwie mit Magie ausgebessert. Aber mit Hogwarts wollten wir mehr erreichen als das. Es sollte ein Ort sein, der so mit Magie angereichert ist, das er ein Eigenleben führt, vielleicht sogar ein Bewusstsein, wenn du es so nennen willst. Eine Burg, die nicht nur beschützt, weil ein paar Schutzzauber in den Wänden verankert sind, sondern ein Wesen, dessen tiefstes Bedürfnis es ist, jene zu beschützen, die in seinen Hallen wandeln."
„Wow." Ron nickte beeindruckt.
„Richtig", sagte Malfoy mit unverhohlenem Stolz in der Stimme. „Aber um das zu erreichen, musste unsere Magie und alle Elemente, die wir vertreten, in perfekter Harmonie zueinander liegen. Wir haben uns so sehr aufeinander eingestimmt, dass sich unsere Magie verflochten hat und nun untrennbar miteinander verbunden ist. Und als sich Salazar erinnerte, taten es durch diese Verbindung zwischen uns, auch nach und nach wir anderen."
Harry nickte zustimmend. „Wir Vier verbanden unsere Magie, um Hogwarts zu errichten. Keiner von uns hat damals einen Gedanken daran verschwendet, welche Auswirkung diese Tat auf eine eventuelle Wiedergeburt haben würde. Es ist diese Verbindung, die uns erinnern lässt."
„Verstehe", sagte Ron zögernd. Unruhig rutsche er auf seinem Platz hin und her. „Als das Tor in die Anderswelt zusammenfiel, da habe ich mich, glaube ich, an etwas erinnert." Er blickte hinab auf seine Füße. „Plötzlich wusste ich wieder, wie es war, mit euch zu kämpfen."
Die beiden Gründer tauschten einen nachdenklichen Blick.
Draco fuhr sich über das Kinn. Eine Angewohnheit von Godric, die ohne Bart seltsam wirkte. „Du hast Rowena nach den alten Traditionen geheiratet. Vielleicht bist du nicht mit uns allen verbunden, aber mit ihr bist du es allemal."
Ron schüttelte den Kopf. „Hermine ... geheiratet ... Oh Mann ... Da komme ich nicht so schnell drüber weg." Dann blitzte Hoffnung in seinen Augen. „Das heißt, ich werde mich auch erinnern? So wie ihr?"
Harry nickte nachdenklich. „Es könnte etwas länger dauern, du bist immerhin nur mit einem Menschen auf diese Weise verbunden und nicht mit drei. Aber ja, ich halte das für sehr wahrscheinlich."
Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander und gaben Ron die Gelegenheit, das Gehörte zu verarbeiten. Bäume raschelten im Wind und irgendwo zirpte eine Grille. „Was ist mit euch?", fragte der Rothaarige nach einer Weile. „Wart ihr auch ... verheiratet?"
Harrys Blick verdüsterte sich. „Nein. Ein Dämon kam dazwischen."
Als Rons Blick hastig zu Malfoy weiter glitt, zuckte der Blondhaarige mit den Schultern. „Zwischen Angriffen auf Hogwarts, Unruhen in der Schule und der Arbeit als Lehrer war wenig Zeit für solche Dinge. Helga, du und Rowena könnt von Glück reden, dass ihr es schon vorher geschafft habt."
„Helga war mit jemanden zusammen?", fragte Ron interessiert.
„Und ist es noch, wenn ich mich nicht irre", sagte Harry trocken. „Aber das ist kompliziert."
„Echt?", fragte Ron neugierig. „Was ist denn so kompliziert? Wer ist es? Kenne ich sie?"
Malfoy rollte mit den Augen. „Die Geschichte erzähle ich nicht für Megan. Das kann sie ruhig selbst tun."
Ron blinzelte verwirrt. „Okay", sagte er gedehnt. Dann fand sein Blick den von Harry. „Warte. Beruft sich Du-weißt-schon-wer nicht darauf, von dir abzustammen, Harry?"
„Wenn er nicht gerade aus einem Ei der Dementoren herausgekrochen ist, halte ich das für mehr als unwahrscheinlich", sagte Harry bitter. „Ich hatte einen Cousin. Aber ... er ist kurz nach mir verstorben. Wenn er mit mir verwandt ist, dann ist das eine sehr ferne Verbindung."
„Wenn es um Voldemort geht, sollte man ohnehin nichts glauben, was er von sich gibt", sagte Draco düster.
Für einen Moment wirkte es, als wollte Harry Draco mitfühlend an der Schulter berühren, dann überlegte er es sich scheinbar anders. „Es ist furchtbar, wie er deine Familie benutzt hat", sagte er stattdessen. „Ich verspreche dir, dass es damit bald ein Ende haben wird."
Ein aufrichtiges Lächeln breitete sich auf Dracos Zügen aus. „Danke."
Unvermutet brach Ron in keuchendes Lachen aus. Als ihn sowohl Draco als auch Harry verwirrt anschauten, wurde es nur noch schlimmer. „Tut mir leid, Leute", brachte er schließlich hervor. „Aber dass ihr beide euch vertragt, das ist immer noch echt schwer vorstellbar."
Malfoy warf Harry einen Blick zu. „Ich denke, dass wir unbewusst einen Streit fortführten, der nie geklärt wurde." Seine Lippen verzogen sich zu einem selbstironischen Lächeln. „Außerdem hat er mich bei unserer ersten Begegnung im Hogwarts-Express in meinem Stolz gekränkt."
Harry erwiderte das Lächeln. „Irgendjemand musste seinem arroganten Gerede doch Einhalt gebieten."
Ron blickte von einem zum anderen. Mit einem Mal überkam ihn die vage Vermutung, dass die Dinge damals gar nicht so anders gewesen waren. Nur eben ... freundschaftlicher.
Nachdenklich blickte Ron den blondhaarigen Teenager an. „Weißt du, ich hätte nie gedacht, das ich das mal sage, aber vielleicht bist du gar nicht so übel."
Malfoy zog die Augenbrauen hoch, bevor sich ein Lächeln auf seine Züge legte. „Was für ein Eingeständnis, Weasley. Bist du sicher, dass mit dir alles in Ordnung ist?"
„Ron", korrigierte der Rothaarige. „Lass das mit dem Weasley. Das ist komisch."
„Ist es das?", fragte Malfoy neckend. „Das heißt, du wirst mich von nun an Draco nennen?"
Ron verzog das Gesicht. „Oh Mann, das ist wirklich seltsam."
Draco lächelte. „Es klingt fast, als wären wir Freunde."
„Nicht auszudenken", murmelte Ron.
„Nicht wahr?", fragte Draco.
Dann brachen sie alle drei in Gelächter aus.

Harry Potter und die Legende der GründerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt