Ein Erbe des Hauses Black

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Ernies Hände krampften sich um seine Decke. „Nein! Nicht Sirius!"
Megan seufzte. „Leider doch." 


Severus Snape war ein Mann mit einem gewissen Stolz. Er würde nicht wie ein aufgeschrecktes Kaninchen durch die Gänge stürmen und nach Godric Gryffindor Ausschau halten. Sein Verstand sagte ihm ohnehin, dass der Gründer Gryffindors damit beschäftigt sein würde, Lord Slytherin zu unterstützen. Wenn an der unwahrscheinlichen Geschichte dieses Abends auch nur etwas wahres dran war, so wäre dies die Konsequenz. So eilte er stattdessen mit wehendem Umhang in sein eigenes Labor und ließ, mit einem geübten Schlenker seines Zauberstabes, ein Feuer unter einem Kessel empor züngeln.

Draco war am Leben.

Draco war die Wiedergeburt von Godric Gryffindor.

Sein Patenkind war ein guter Freund von Harry Potter.

Harry Potter, der Sohn seiner Nemesis und seiner großen Liebe ... war Salazar Slytherin.

Und ... Draco war am Leben!

Keiner dieser Gedanken ergab einen Sinn. Und doch waren sie alle unzweifelhafte Wahrheit. Severus ließ drei Tropfen Murtlap-Essenz in den Kessel gleiten, rührte einmal mit und einmal gegen den Uhrzeigersinn, bevor er nach den bereitliegenden Salbeiblättern griff. Brauen war etwas, das ihn beruhigte. Und Beruhigung hatte er bitter nötig. Zu sehr zerrten die Ereignisse dieser Nacht an seinen Gedanken. Während er eine Zutat nach der anderen hinzufügte, begann er seinen Geist zu ordnen. Die Gründer waren wiedergeborene Schüler, die zurückgekehrt waren, um Lord Voldemort zu Fall zu bringen. Jetzt, in diesem Moment, fand das Aufeinandertreffen von Salazar Slytherin und dem Dunklen Lord statt. Severus konnte nur hoffen, dass Potter keinen Fehler machte. Doch halt - er musste sein Bild von Potter überdenken. Severus war in der letzten Woche Zeuge der Schauspielkunst des Jungen geworden. Salazar Slytherin war exakt als der dunkle und mächtige Zauberer erschienen, als den ihn die Geschichte darstellte. Severus selbst war darauf hereingefallen, hatte sich sogar dafür geschämt, dass er den Gründer seines Hauses bewunderte. Die Darstellung dieses Jungen – dieses Mannes – war brillant. Auch Voldemort würde nicht an dieser kühlen Maske zweifeln, wie sollte er, wo sie doch alles war, was er erwartete? Der Dunkle Lord hatte nicht durch Snapes Maske geblickt, und mit einem Mal war sich Severus sicher, dass er an der von Salazar Slytherin zerschellen würde.

Er hatte Harry Potter bewundert und tat es noch. Beinah hätte Severus in die falsche Richtung gerührt. Wäre er nicht bereits ein Zyniker gewesen, das allein wäre ein Grund, es zu werden.

Und Godric Gryffindor, dieser Mann, der vor Ritterlichkeit und Heldenmut beinahe leuchtete, sollte Draco Malfoy sein?

Nichts daran passte. Draco war kein Held. Sein Patenkind besaß einen gesunden Überlebenswillen, der sich nicht gut mit dem Dasein als Held vertrug. Draco war nicht kameradschaftlich und freundlich. Und er war nur höflich, wenn es ihm gelegen kam. Wie nur sollten diese Menschen ein und dieselbe Person sein? Oder war Godric Gryffindor ein ebenso guter Schauspieler wie Salazar Slytherin? Allerdings war Draco auch nie ein sonderlich guter Schauspieler gewesen. Dumbledore hatte ihm versichert, dass die beiden ein und dieselbe Person waren, doch wie sollte das möglich sein?

Ein leises Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. Wie spät mochte es sein? Unmöglich zu sagen, wie lange er gedankenversunken über dem brodelnden Kessel gestanden hatte. Unwillig schritt er zur Tür, bereit jeden anzufahren, der es gewagt hatte, ihn in seinen Gedanken zu stören.

Doch der Anblick des Mannes, der vor seiner Tür stand, ließ ihn so plötzlich erstarren, als hätte man einen Stupor auf ihn gewirkt. Godric Gryffindors Kettenhemd schimmerte im Zwielicht der Kerker. Der rote Umhang wurde mit einer Löwenbrosche geschlossen. Seine ganze Haltung zeugte von Ritterlichkeit und Tapferkeit. Jedes Kind hätte in ihm den Gründer Gryffindors erkannt. Aber Severus wusste bereits von dieser Identität seines Gegenübers.

Was er suchte, mit aller Kraft zu finden hoffte, war sein totgeglaubtes Patenkind.

Das hellblonde Haar passte, genau wie die silbergraue Farbe der Augen, und doch war da keine Spur von Arroganz, oder Großspurigkeit, unter der Draco seinen wahren Charakter und seine Unsicherheiten verborgen hatte. Nichts in Körpersprache oder Auftreten erinnerte an den Jungen, den er kannte. Ernst und offen erwiderte Godric Gryffindor seinen Blick. Aus der ganzen Haltung des Ritters sprach ehrliche Erleichterung. „Ich hörte, dass Sie erwacht sind", sagte er heiser. „Aber ich wollte mich selbst davon überzeugen."
Wenn sich Severus verunsichert, oder in die Ecke gedrängt fühlte, ging er zum Angriff über. Manche Dinge würden sich niemals ändern. „Wie komme ich zu der Ehre, die Sorge von Sir Gryffindor zu verdienen?", fragte er sarkastisch.
„Jeder in diesem Schloss gehört zu meinen Schutzbefohlenen. Auch Sie."
Bedrohlich langsam schritt Snape auf den Ritter zu. „Und woher nehmen Sie die Arroganz, sich über jeden anderen Bewohner dieses Schlosses zu erheben? Sie haben hier niemanden ausgebildet. Dies ist nicht ihre Zeit. Sie wissen nichts, Sir Gryffindor."
Graue Augen verengten sich. „Der Wunsch zu beschützen muss nicht aus Arroganz entspringen. Er kann auch daher rühren, dass wir das beschützen, was uns selbst am Herzen liegt. Warum suchen Sie Streit, Professor?"
Draco Malfoy hätte eine solche Beleidigung niemals auf sich beruhen lassen. Dafür war der Junge stets zu stolz gewesen. Aber sollte nicht Stolz etwas sein, das auch den Ritter vor ihm ausmachte? Severus suchte nach irgendetwas Vertrautem und musste mit Schrecken feststellen, dass er nichts fand.
„Also handeln sie letztlich aus Egoismus?", fragte er höhnisch.
„Wenn Sie es egoistisch nennen, das zu verteidigen, an das man glaubt, dann bin ich das wohl."
Noch immer keine Spur von Draco Malfoy. Zu Anfang der Ferien hatte er Draco seine Hilfe angeboten, aber der Junge war zu stolz gewesen. Sein Patenkind hatte Severus vorgeworfen, den Ruhm für sich haben zu wollen. Draco hatte beteuert, dass er bei der unmöglichen Aufgabe, den Schulleiter zu töten, keine Hilfe benötigte. Er war zu stolz gewesen, Hilfe anzunehmen. Und er hatte Severus fortstoßen wollen, um ihn zu beschützen. Damals hatte sein Patenkind noch nicht gewusst, dass er einen unbrechbaren Schwur geleistet hatte. Und selbst wenn er etwas geahnt hätte, wäre er sich nicht sicher, ob die Erkenntnis für Draco etwas geändert hätte. Beschützen ... Draco hatte ihn und seine Familie beschützen wollen, indem er den Auftrag des Dunklen Lords ganz allein auf seinen Schultern trug. Womöglich unterschied ihn diese Intention gar nicht sosehr von dem Gründer Gryffindors? Vielleicht war er es falsch herum angegangen, vielleicht musste er in seiner Erinnerung von Draco Malfoy nach Spuren des Ritters vor sich suchen? Er spürte, wie ihn ein Zittern übermannte, das nichts mit dem Cruciatus gemein hatte, aber ähnlich schmerzhaft war.
Er hörte wie ein Muffliato gesprochen wurde. In wenigen Schritten war der Ritter heran und betrachtete ihn kritisch „Geht es dir wirklich gut? Ich kenne diese Laune. Normalerweise bist du nur so griesgrämig, wenn du Schmerzen hast."
Diese Schmerzen hatten nicht körperliches an sich und doch hatte der Ritter vor ihm irgendwie recht. Nicht, dass er das in irgendeiner Weise eingestehen würde. „Mir geht es gut", erwiderte er kalt.
Der Gründer Gryffindors ließ sich in keinster Weise durch seinen Ton abschrecken. Draco hatte das übrigens auch nicht getan. Schon als Kleinkind hatte er sich nie von Severus Art aus der Fassung bringen lassen.
Auch jetzt erwiderte er einfach nur offen Severus Blick. „Als dich Salazar ohnmächtig im Wald fand ... ich bin beinah umgekommen vor Sorge."
Erstarrt stand Severus im Türrahmen. Eine solche Art der Gefühlsbekundung war nicht üblich für Draco Malfoy. Es war nichts, was man als Sohn eines reinblütigen Hauses tat. Trotzdem war die Gefühle ohne jeden Zweifel echt.
Severus traute seiner Stimme nicht. „Draco?", flüsterte er.
Der Ritter rollte mit den Augen. „Sag bloß, du hast mit jemand anderen in diesen Farben gerechnet. Vielleicht mit jemanden wie Harry Potter?"
Das Augenrollen – die sarkastische Art – mit einem Mal erkannte er den Jungen in dem Mann wieder.
Unendliche Erleichterung durchflutete ihn. Er konnte nicht verhindern, dass seine Lippen zuckten. „Ich gebe zu, das wäre für mich die wahrscheinlichere Variante gewesen."
Draco lächelte. „Wir sind alle nicht das, was wir scheinen." Er lächelte schief. „Außer Rowena. Sie ist tatsächlich die klügste Hexe, die es jemals gegeben hat."
„Granger?", fragte er halblaut.
Dracos Lächeln vertiefte sich „Wer sonst?"
Severus hob eine Augenbraue. „Es beruhigt mich zu wissen, dass du dich nicht in einen kopflosen Idioten verwandelt hast."
Draco schnaubte. „Ich bin Taktiker. In Gryffindor lernt man für seine Überzeugungen zu leben, nicht bei erster Gelegenheit für sie zu sterben."
Erneut ein Satz, der nach Draco Malfoy klang. Vielleicht nicht nach dem Jungen, aber nach dem Mann, der er hätte werden können – der er geworden war.
Severus berührte Dracos Schulter. „Es war ein Schock, von deinem Tod zu erfahren. Ich bin froh, dich bei guter Gesundheit vorzufinden."
Sein plötzlich erwachsenes Patenkind erwiderte die Bewegung und legte seine behandschuhte Hand auf die Schulter des Tränkemeisters. Sie verharrten so einige Sekunden, während das Schloss um sie mit den ersten Strahlen der Morgensonne langsam zum Leben erwachte.
„Wie ist das Treffen mit dem Dunklen Lord verlaufen?"
Draco lächelte grimmig. „Er hat Salazar aus der Hand gefressen. In drei Tagen schnappt unsere Falle zu."

XXX

In der Geschichte der Zauberei waren schon viele Bündnisse geschlossen worden. Beinah ebenso viele waren im Laufe der Zeit vergessen, oder durch später einsetzende Feindschaft auseinandergerissen worden. Aber als Sirius Black, der Muggelfreund und Rebell, an der Seite von niemand anderem als Lucius Malfoy das Wizengamot betrat, ging ein Raunen durch die Menge. Bevor die beiden Zauberer auseinandergingen, schüttelten sie, für jedermann gut sichtbar, die Hände. Und wenn Lucius Malfoy dabei auch schaute, als hätte er in eine Zitrone gebissen, grinste Sirius strahlend genug für sie beide. In einer Zeit, wo sich die Konflikte im Ministerium zugespitzt hatten, wie niemals zuvor, war die zur Schau getragene Partnerschaft dieser beiden ein einmaliges Ereignis. Durch die Rückkehr der Gründer und das Erstarken Voldemorts waren die Fronten verhärteter als jemals zuvor und es schien unmöglich, auch nur ruhig in einem Ratssaal beisammen zu sitzen, um eine Entscheidung zu treffen.

Entsprechend mürrisch sah Rufus Scrimgeour aus, als er den für ihn vorgesehenen Platz auf einer Tribüne einnahm. Seit seinem Amtsantritt war die Miene des einstiges Aurors noch härter und verbitterter geworden, dabei war dieses Ereignis erst zwei Monate her. „Ich erkläre das Wizengamot für eröffnet", bestimmte er knapp, und gab seinem rothaarigen Sekretär einen auffordernden Wink. „Mr Weasley, kommen Sie zum ersten Punkt der Tagesordnung"
Der genannte Zauberer blinzelte nervös durch seine Hornbrille „Der erste Punkt der Tagesordnung: Das Zugeständnis von mehr Rechten für die Auroren im Kampf gegen die Todesser. Inhalt des Antrags: Der Gebrauch der Unverzeihliche Flüche."
Sofort brandete ein so wildes Stimmengewirr durch den Raum, dass man dem Sekretär nicht länger folgen konnte.
„Eine Unverschämtheit!", brüllte ein Zauberer. „Sollen wir uns denn auf Niveau von Sie-wissen-schon-wem herablassen?!"
Sofort sprang eine Hexe so heftig von ihrem Stuhl, dass sie dabei beinah ihren Hut verlor. „Wie dumm kann man eigentlich sein?! Es ist Krieg! Und im Krieg gibt es nun mal Tote! Wollen Sie die Todesser gewähren lassen, während wir nur mit Stupor um uns werfen?"
„Wir haben schon verloren, wenn wir uns moralisch auf die Stufe des Feindes begeben!"
„Moral könne wir uns nicht leisten, wenn wir gewinnen wollen!"
Lucius Malfoy räusperte sich gewichtig. „Meine Damen und Herren. Wollen wir den Ausführungen von Mr Weasley nicht zu Ihrem Ende lauschen, ehe wir unsere Entscheidung fällen?"
Percy Weasley warf Lucius Malfoy einen ungläubigen Blick zu. Dann, als könnte er sein Glück nicht fassen, begann er eilig die Gesetzesänderung zu verlesen.
„Den Auroren soll die Erlaubnis erteilt werden, im Kampf, und in Befragungen, Gebrauch von den Unverzeihlichen Flüchen zu machen. Das beinhaltet im einzelnen Handlungen zur Selbstverteidigung, aber auch Angriffe, sollte ein konkreter Verdacht bestehen, einem Feind gegenüberzustehen."
Erneut wuchs der Lärmpegel im Raum so weit an, dass kein Wort mehr zu verstehen war.
Sirius gab mit seinem Zauberstab einen so lauten Knall von sich, dass er das Stimmengewirr übertönte und die Hexen und Zauberer verwirrt in seine Richtung blickten. „Wenn wir uns hier gegenseitig in den Haaren liegen, hat Voldemort schon gewonnen! Er ist es, der davon profitiert, wenn wir so damit beschäftigt sind, uns zu streiten, dass wir nicht in der Lage sind, Entscheidungen zu fällen. Letztendlich schaden wir damit nur uns selbst."
Lucius Malfoy ergriff das Wort. „Alles Anwesenden hier ist sicherlich hinlänglich bekannt, dass Mr Black und ich nicht dieselben politischen Ansichten vertreten ... dennoch muss ich ihm in dieser Angelegenheit zustimmen. Wenn wir auf diese Weise fortfahren, ist das Ministerium nicht regierungsfähig und gleich welcher politischen Richtung wir angehören, von diesem Zustand profitiert hier niemand, außer jenen, die sich zum Dunklen Lord bekennen."
Schweigen folgte auf diese Worte. Voldemort hatte viele Unterstützer im Ministerium. Doch die wenigsten standen offen für ihn ein. Noch hatte Voldemort nicht die Macht im Ministerium übernommen, also würden sie technisch einen gesuchten Verbrecher unterstützen, ergriffen sie für ihn Partei. Aber einen ohnehin angebrochenen Streit aufzuheizen war nicht strafbar ... oder war es bisher nicht gewesen. Wenn man der Logik von Lucius Malfoy folgte, war jeder erneute Streitversuch, jede Beleidigung, ein offenes Bekenntnis zum Dunklen Lord. Und wenn es selbst Lucius Malfoy und Sirius Black gelingen konnte, ihre persönlichen Diskrepanzen zu begraben und zivil miteinander umzugehen, so war dies wohl ein Umgang, der von jedem Mitglied des Ministeriums verlangt werden konnte. Als das Schweigen fortfuhr, erschien um Scrimgeours Mundwinkel ein winziges Lächeln. „Mr Weasley, bitte fahren sie fort."
Am Ende des Tages erteilte das Wizengamot den Auroren eine Erlaubnis für die Unverzeihlichen Flüche, die sich ausschließlich auf nachzuweisende Selbstverteidigung bezog.
Es war die erste tatsächliche Entscheidung in einer langen Zeit.

XXX

„Ha, denen haben wir es gegeben!", rief Sirius vergnügt, während er Lucius voran den Flur von Grimmauldplatz Nr 12 betrat.
„Ich gebe zu, dass unsere Strategie besser funktioniert hat, als ich erwartet hätte", sagte der Vorstand des Hauses Malfoy gedehnt. Dann blieb er abrupt stehen und schaue sich verblüfft um. „Was ist denn hier passiert?"
Der alte Holzboden glänzte vor Sauberkeit und auch die Wände erstrahlten ohne Staub und frei von Spinnweben. Kreacher balancierte auf einem Regal und war damit beschäftigt, die Gegenstände, die sich darin befanden, akribisch abzustauben.
Sirius war nicht weniger verwirrt. „Nicht, dass ich mich beschweren wollte, ... aber seit wann machst du deine Arbeit?"
Der alte Hauself rümpfte beleidigt die Nase. „Die Muggelfrau hat angefangen aufzuräumen! Aber Kreacher ist besser, als ein wertloser Muggel! Kreacher wird es ihr zeigen!"
Neugierig blickte Sirius den Hauselfen an. „Lieferst du dir einen Putz-Wettstreit mit Petunia Dursley?"
Der Ausdruck des Hauselfen wurde noch ein wenig düsterer. „Kein Wettstreit! Kreacher weist diese schreckliche Frau in ihre Schranken!"
„Es ist also ein Wettstreit", bemerkte Lucius trocken. „Warum machst du dir überhaupt die Mühe?", fragte er überlegen. „Ohne Magie wird sie wohl kaum an deine Fertigkeiten in der Haushaltsführung heranreichen."
Darauf erwiderte Kreacher nichts. Mit fest zusammengepressten Lippen begann er damit, einen angelaufenen Kerzenständer abzustauben.
„Wenn ich gewusst hätte, dass es hilft, hätte ich ihm schon viel früher mit Konkurrenz gedroht", murmelte Sirius. Er betrat die Küche, um etwas zum Anstoßen aus dem Schrank zu holen und diesmal war er es, der innehielt. War der Flur schon sauber gewesen, funkelte die Küche wie aus der Werbung eines Hochglanzmagazins. Nirgendwo war auch nur das kleinste Körnchen Staub zu finden. Stattdessen roch seine Küche nach Zitrone, Putzmittel und etwas Leckerem, das im Ofen vor sich hin brutzelte. „Ah, da seid ihr ja", meinte Petunia mit einem Lächeln. „Ich habe den Salon eingedeckt. Ich hoffe, ihr habt Hunger?"
Mithilfe von Topflappen, von denen Sirius gar nicht gewusst hatte, dass er sie besaß, holte sie einen duftenden Braten aus dem Ofen, bei dessen Anblick ihm das Wasser im Mund zusammenlief.
„Ich glaube, du gewinnst", sagte Sirius voller Bewunderung.
„Verzeihung?", hakte Petunia nach.
„Den Wettbewerb gegen Kreacher", half er ihr auf die Sprünge.
Petunia runzelte die Stirn. „Welcher Wettbewerb? Ich liebe es einfach, Ordnung zu halten. Und diese ... Kreatur ist wirklich schlampig."
Irgendwo auf dem Flur ging etwas zu Bruch und Kreacher schimpfte lauthals vor sich hin.
„Wie haben Sie das gemacht? Ohne Reinigungszauber?", fragte Lucius. Sirius musste grinsen, als er der höflichen Maske ansichtig wurde, die der blonde Zauberer bei seinen Worten zur Schau trug.
Petunia lächelte arrogant. „Mein Haushalt war schon immer besser geführt, als der von Lily. Es scheint, dass die richtigen Putzmittel euren Zaubern um einiges überlegen sind."
Den Braten in Händen, trippelte sie voran in den Salon, der tatsächlich ebenfalls nicht nur sauber, sondern stilvoll eingedeckt vor ihnen lag.

Aber es gab eine weitere Änderung: Aus einem Winkel des Raumes hallten Stimmen und Geräusche. Hatten sie denn weitere Gäste? Sofort beschleunigte Sirius seine Schritte. Vernon Dursley saß auf einer Couch vor einem leuchtenden Bilderrahmen Und in diesem Bilderrahmen war ein Mann zu sehen, der in einigem Abstand zu einem brennenden Gebäude stand. Dann wechselte die Szene und Muggel in leuchtenden Anzügen wurden gezeigt, die Wasser aus langen Schläuchen auf die Flammen richteten.
„Was ist das?", fragte Lucius fasziniert.
Vernon blickte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. „Die Abendnachrichten", sagte er betont langsam. „Es gab in London ein Feuer mit ungeklärter Ursache." Seine kleinen Augen verengten sich. „Dahinter stecken doch nicht etwa Ihre Leute?"
Fassungslos starrte Lucius auf die Szene, die sich kristallklar vor ihnen abbildete. „Sie meinen, das hier passiert gerade wirklich? Sie sind ein Muggel! Sie sind nicht in der Lage, ein seherisches Artefakt zu nutzen." Sirius grinste. Noch dazu wäre es groß durch die Presse gegangen, wäre ein solches Artefakt für jedermann auf dem Markt erschienen. Es wäre eine regelrechte Sensation in der magischen Welt gewesen. Es wunderte ihn wenig, dass Lucius dieses Detail verschwieg. Dass der blonde Zauberer daran dachte, war ihm allerdings nur allzu deutlich an seiner ungläubigen Miene anzusehen.
Vernon musterte ihn sichtlich bestürzt. „Haben Sie noch nie einen Fernseher gesehen? Ich wusste ja, dass Ihre Leute den unsrigen hinterherhinken, aber Fernseher sind mittlerweile seit fast siebzig Jahren auf dem Markt."
Sirius interessierte eine andere Frage. „Wie haben Sie ihn zum Laufen gekriegt?" Fasziniert beobachtete er den Stecker, der sorgsam eingerollt hinter dem Gerät lag.
„Mrs Malfoy hat sich darum gekümmert", sagte Vernon mit mühsam unterdrückter Bewunderung. „Ich habe ihr erklärt, wie er funktioniert und sie hat dann dafür gesorgt, dass er anspringt, obwohl Sie offenbar keine Stromleitungen im Haus haben." Dann wurde seine Miene erneut anklagend. „Sind Ihre Leute nun dafür verantwortlich, oder nicht?"
Sirius zuckte mit den Schultern. „Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Der Tagesprophet erscheint jeden Morgen, aber die Hälfte der Nachrichten kann man ohnehin vergessen. Das ganze Blatt ist vom Ministerium gekauft."
Vernon blickte ernsthaft bestürzt. „Sie meinen, Sie stecken in einem Krieg und haben noch nicht mal vernünftige Nachrichten? Das ist finsteres Mittelalter!"
Lucius öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber es kam kein Wort heraus.
Sirius musste, trotz des ernstes Themas, grinsen. „Wie es aussieht, sind Sie uns, was das angeht, ziemlich überlegen."
Vernon nickte zufrieden, während Lucius Augen noch immer starr auf den Bildschirm gerichtet waren.
Sirius konnte es nicht lassen und stieß dem blonden Mann seinen Ellbogen in die Seite. „Damit hast du nicht gerechnet, was?"
Wortlos schüttelte Lucius den Kopf. „Wenn diese Art der Berichterstattung tatsächlich funktioniert -
„Natürlich funktioniert sie", fuhr Vernon erbost dazwischen. „Das sehen Sie doch!"
Lucius ignorierte ihn. „Dann würde das ein ganzes Kontinent an Möglichkeiten eröffnen."
Sirius grinste. „Erörtert der große Lucius Malfoy gerade Muggel-Technologie?"
Lucius warf ihm einen erbosten Blick zu.
Petunia hatte währenddessen begonnen, den Braten anzuschneiden. „Seid doch so gut und holt Dudley für mich, ja? Wenn unser Spatz in eines seiner Spiele vertieft ist, dann kann er ganz vergessen, dass wir Gäste haben."
Lucius nutzte die dargebotene Möglichkeit, um sich zu fangen. Mit all der Würde, die er noch aufbringen konnte, glitt er aus dem Raum und Sirius nahm grinsend die Verfolgung auf.

Im Flur waren seltsame Geräusche zu hören. Es dröhnte und knallte unheilverkündend. Dazwischen waren immer wieder die Schreie von Menschen zu hören. Zielstrebig schritt Sirius voran in Dudleys Zimmer. Auch der Jüngste der Dursleys saß vor einem dieser leuchtenden Bilderrahmen, die sich Fernseher nannten. Allerdings hielt er, im Gegensatz zu Vernon, einen runden Gegenstand in Händen, auf den er, wie besessen, eindrückte. Auf Dudleys Fernseher gingen Muggel mit Gewehren aufeinander los. Und der Blickwinkel war so eingestellt, als würde man selbst aus den Augen eines solchen Muggels sehen.
„Schwarze Magie", murmelte Lucius beeindruckt.
„Nee", sagte Dudley und schoss einen Soldaten vor sich zu Boden. „Counter-Strike."
Narzissa, die bis eben neben Dudley gesessen hatte, erhob sich, um die Neuankömmlinge zu begrüßen. „Wie schön, dass ihr zurück seid. Ich hoffe, es ist alles nach Plan verlaufen?"
Lucius schien zu abgelenkt, um auf die Worte seiner Frau einzugehen. „Passiert das gerade auch in Wirklichkeit?", fragte er.
„Nein", erwiderte Narzissa lächelnd. „Dies ist einfach eine Art, wie sich Muggel die Zeit vertreiben."
Sirius glaubte zu wissen, was Lucius durch den Kopf ging. Ein magisches Hilfsmittel dieser Größenordnung hatte noch keine Hexe und kein Zauberer hergestellt. Und Muggel besaßen es nicht nur, sondern sie benutzten es als Freizeitbeschäftigung.
„Woher weißt du das?", anklagend blickte Lucius seine Frau an.
Unbeeindruckt strich Narzissa ihr Kleid glatt. „Ich musste mich mit diesen Gerätschaften auseinandersetzen, damit ich sie dazu bringen konnte, hier im Grimmauldplatz zu funktionieren. Glücklicherweise weiß Mr Dursley recht genau, wie diese Geräte beschaffen sind. Sonst wäre ich sicherlich Tage beschäftigt gewesen."
Noch immer ratlos blickte Lucius seine Frau an. „Warum hast du ihnen überhaupt geholfen? Das sind immer noch Muggel, Narzisssa."
„Denkst du, das weiß ich nicht", erwiderte sie. Die stählerne Entschlossenheit in ihrer Stimme war nur allzu deutlich zu hören. „Aber mein Sohn ist Godric Gryffindor. Ich werde mein bestes tun, ihn zu verstehen,. Und ihre Technologie ist wirklich beeindruckend. Oder hast du vor, das zu bereiten?"
Lucius schwieg lange Zeit. „Nein, das habe ich nicht vor", sagte er schließlich durch zusammengepresste Zähne. Es wäre kindisch, sich gegen das Offensichtliche zu wehren.
Sirius grinste. „Dudley, eigentlich wollten wir dich nur zum Essen holen."
„Ich komme gleich", erwiderte Harrys Cousin, ohne vom Bildschirm aufzublicken. „Die Runde ist eh bald vorbei. Nach dem Essen könnt ihr übrigens mitmachen. Es gibt einen Mehrspielermodus."
Lucius blickte zu entsetzt, als das Sirius widerstehen konnte. „Klar machen wir mit!"

Es war deutlich später, als Sirius den Grimmauldplatz noch einmal verließ. Ihm war der Feuerwhiskey ausgegangen und nachdem, was er heute erlebt hatte, brauchte er ganz dringend etwas zu trinken, um auf Harrys Idee anzustoßen, die Dursleys bei ihm unterzubringen. Lucius Malfoy war zu sehr Slytherin um die Möglichkeiten der Muggeltechnologie nicht zu sehen, wo sie ihm so direkt präsentiert wurden. Und Narzissa erkundete diese Welt mit einer Entschlossenheit, die einem hätte Angst machen können, hätte er nicht den Grund dafür gekannt.

Natürlich hätte Sirius Kreachers schicken können, um sich mit Alkohol einzudecken, aber der Hauself war in seiner Mission, Petunia zu übertreffen, mittlerweile im zweiten Stock angelangt und Sirius hatte nicht vor, ihn zu bremsen. Wirklich, er wurde bekocht, sein Haus wurde aufgeräumt und er hatte sogar erstklassige Unterhaltung. Sirius hätte nie gedacht, dass er sich einmal in seinem Elternhaus so fühlen würde.

Außerdem hatte er endlich eine Aufgabe, die ihn ausfüllte. Niemals hätte Sirius erwartet, dass es ihn ausgerechnet in die Politik verschlagen würde. Bisher hatte das Ministerium für all das gestanden, gegen das er sich immer gewehrt hatte. Aber Harry hatte recht behalten. Der Name seiner Familie öffnete viele Türen und die, die vielleicht verschlossen geblieben wären, öffneten sich für den Mann, der das Rätsel der Dementoren gelüftet hatte. Die Leute hörten ihm zu, wenn er redete.

Mehr noch, er merkte, dass er gut darin war, was er tat. Er hatte schon immer natürliches Charisma besessen. Das, und seine flinke Zunge, kamen ihm hier mehr als gelegen. Und auch, wenn er es kaum für möglich gehalten hätte, manchmal war es effektiver, einen dieser Reinblutpuristen vor aller Augen an die Wand zu reden, als ihn in Grund und Boden zu fluchen.

Es tat gut, etwas zu bewegen. All die Jahre hatte er Reden geschwungen aber erst jetzt, wo er seine Rolle als Lord Black eingenommen hatte, war es ihm möglich, wirklich etwas zu ändern. Erst kürzlich hatte er für ein Gesetz gestimmt, dass Werwölfen außerhalb von Vollmond eine normale Beschäftigung ermöglichte. Viel früher hätte er so etwas für Remus tun können. Wenn er nur bereit gewesen wäre, etwas mehr Verantwortung zu übernehmen.

Sirius streckte die Schultern durch und blinzelte einem trüben Herbstabend entgegen. Die Vergangenheit konnte er nicht mehr ändern. Aber jetzt würde er alles tun, was in seiner Macht stand, um seinen Freunden und Verbündeten zu helfen. Und wer hätte gedacht, dass er dies nicht allein, sondern an der Seite von Salazar Slytherin und Lucius Malfoy tun würde?

„Hallo Sirius."

Der Angesprochene erstarrte. Um ihn her herrschte der übliche Londoner Betrieb. Passanten strömten über Straßen, auf denen Autos in dichten Reihen standen. Das Murmeln hunderter von Menschen mischte sich mit dem Dröhnen des Verkehrs. Dennoch hätte er diese Stimme überall erkannt.

Bellatrix lehnte im Schatten einen Hauses. Auf seinen Blick hin warf sie das Haar zurück und grinste ihn an. Die Geste hatte nichts erfreuliches an sich. Sirius Nackenhaare stellten sich auf. Die Hand in seiner Tasche umklammerte seinen Zauberstab.

„Ich habe eine Überraschung für dich", säuselte Bellatrix. Sie löste sich von der Wand des Hochhauses und trat in eine dunkle Gasse. Einladend winkte sie mit der Hand. „Willst du sie nicht sehen?"

Früher wäre ihr Sirius Hals über Kopf in die Gasse gefolgt. Die Hand, die den Zauberstab hielt, zuckte. Allzu gerne wollte er seine verhasste Cousine endlich zur Strecke bringen. Nie wieder sollte Bellatrix seinen Freunden Leid zufügen. Nie wieder sollte sie Angst und Tod im Namen Voldemorts verbreiten. Aber Harry hatte ihn vor einer solchen Situation gewarnt. Alles hier schrie nach einer Falle. Und wenn Sirius etwas passierte ... dann wäre Harry erpressbar. Sirius zwang sich weiterzugehen. Er würde nach Hause apparieren und Harry, sobald er konnte, von diesem Vorfall berichten. Dann konnten sie gemeinsam überlegen, was zu tun war. Das war die sinnvolle, die überlegte Variante. Er würde nicht tun, was Bellatrix forderte. Es war nie gut, seiner wahnsinnigen Cousine ihren Willen zu lassen.

„Sirius", raunte Bellatrix. „Du wirst mich doch nicht enttäuschen. Der kleine Harry ist so lange schon verschwunden. Aber ich, ich habe ihn gefunden. Willst du nicht mit ihm reden?"
Sirius erstarre. Er wusste, dass Harry nicht verschwunden war. Er war in Hogwarts und tyrannisierte Lehrer und Schüler als Salazar Slytherin. Es gab keine Möglichkeit, dass Bellatrix ihn gefangen gesetzt hatte.

Außer, es war etwas schief gelaufen und Voldemort hatte ihn enttarnt.

Nur zur Sicherheit warf er einen vorsichtigen Blick in die Gasse.

Da war er. Sirius hätte ihn überall wiedererkannt. Gehalten von drei Todessern stand er dort. Die grünen Augen blickten ihn eindringlich an. „Flieh, Sirius! Kümmere dich nicht um mich!"
„Schnauze!" brüllte einer der Todesser und hielt ihm einen Zauberstab an die Kehle.
Bellatrix grinste. Hecktisch blickte sich Sirius um. Die Muggel hatten nichts von dem Geschehen mitbekommen. Natürlich nicht. Die Todesser hatten vorgesorgt. Auch konnte Sirius keine Hexe und keinen Zauberer in der Menge entdecken. Er war allein. Mit einem lässigen Schwenken ihres Zauberstabs feuerte Bellatrix einen Fluch in Harrys Richtung. Obwohl ihn drei Todesser in Schach hielten, gelang es ihm, den Zauber zu blocken. Sirius zögerte. Ein gewöhnlicher Schüler hätte das nicht zuwege gebracht ... oder? Aber selbst wenn das hier nicht Harry war ... dann hatte irgendein armer Teufel seine Gestalt annehmen müssen. Der Junge in Harrys Gestalt hielt sich nur mühsam aufrecht. „Das ist eine Falle! Verschwinde!"
Diese Worte taten den Ausschlag. Sirius konnte niemanden zurücklassen, der so etwas von ihm verlangte. Er entwaffnete einen der Todesser und machte einen schnellen Schritt in die Gasse hinein. Harry drehte sich mit einer schnellen Bewegung herum und konnte sich halb aus der Umklammerung eines der Todesser lösen.
„Darauf habe ich schon so lange gewartet!", knurrte Bellatrix und richtete ihren Zauberstab auf Sirius. Der Animagus warf sich in einen Häusereingang und der Fluch verfehlte ihn knapp. Zu spät bemerkte er, dass er sich damit in einer mehr als ungünstigen Position befand. Alle drei Todesser und Bellatrix hatten ihn von hier im Blick. Und er hatte kaum Möglichkeiten, auszuweichen. Die Todesser wussten es auch und ein triumphierendes Funkeln glomm in ihren Augen. Als Bellatrix mit einem Grinsen zu einem weiteren Fluch ausholte, warf Sirius die Mülltonnen, die vor dem Haus aufgestellt waren, in Richtung der Todesser. Gerade gelang es seinen Gegnern, die auf sie zu schwebende Tonnen abzufangen, nicht jedoch den Inhalt. Dieser ergoss sich über seine Angreifer. Voller Ekel zuckten die Todesser zurück. Hastig sprang Sirius aus seiner Deckung und schnappte sich Harrys Arm. „Los!", murmelte er.
Aber Harry rannte nicht. Schraubstockartgig schloss sich seine Hand um Sirius Handgelenk. Harrys Gestalt veränderte sich. Die Finger wurden blass und länger und auf einmal waren es rote Augen, die ihn aus einem schlangenhaften Gesicht musterten.

Voldemort.

Hier in Muggelondon.

Doch nicht etwa ... wegen ihm?
Ein Stupor schoss von allen Seiten auf ihn zu. Doch gerade machte es keinen Unterschied. Er war ohnehin zur Bewegungslosigkeit erstarrt.
"Sirius Black", murmelte Voldemort. Langsam hob er seine zweite Hand und strich damit über Sirius Wange. „Ich gebe zu, du hast mir einiges zu denken gegeben. Scheinbar mühelos lüftest du das Geheimnis der Dementoren ... gerade rechtzeitig, um im Ministerium deine Stimme zu erheben. Schon lange war mir daran gelegen, einmal mit jemandem aus dem Orden ein längeres ... Gespräch zu führen."
Die Hand schob sich unter sein Kinn, sodass Sirius gezwungen war, dem Dunklen Lord in die Augen zu schauen.
Sirius wusste, was das bedeutete. Voldemort würde in seine Gedanken blicken. Auf keinen Fall durfte er erfahren, was er wusste. Sirius hatte sich als Kind nur halbherzig um den Okklumentikunterricht seiner Eltern bemüht. Aber Grünauge ... Harry ... hatte ihm eingeschärft, wie wichtig diese Kunst doch war. Viele Nächte hatten sie beisammen gesessen und geübt, bis ihm die Augen schwer geworden waren. Nun versuchte er all das, was er noch wusste, wieder hervorzukramen. Es ging darum, Wände zu errichten. Schutzwälle, die Eindringlinge fernhalten sollten ... Er würde all das wegsperren, was Voldemort nicht erfahren durfte. Niemals würde er zulassen, dass ...
Plötzlich war da eine Präsenz in seinem Geist. Dunkel und kalt fegte sie alle Mauern nieder, die Sirius errichtet hatte. Es gab keine Verstecke. Kein Geheimnis war vor Voldemort sicher. Er war überall. Sirius begann zu zittern. Verzweifelt versuchte er, den Augenkontakt zu lösen, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Es war ihm nicht einmal möglich, die Augen zu schließen. Voldemorts Geist beherrschte ihn mit einer Mühelosigkeit, als wäre er noch immer das kleine Kind, das unter der Anleitung eines Geistes lernte.
„Du hast nähere Bekanntschaft zu Salazar Slytherin?"
Voldemort hatte die Lippen nicht bewegt. Sirius hörte die kalte Stimme in seinen Gedanken. „Der Gründer meines Hauses hat sich mit meinen Feinden zusammen getan? Er gedenkt, mir eine Falle zu stellen, indem er mir in der Anderswelt auflauert?" Fast so etwas wie Bewunderung schwang in der Stimme des Dunklen Lords. Bewunderung ... die sich mehr und mehr in Wut verwandelte. „Was für eine List ... ich muss zugeben, dass er überzeugend war ... äußerst überzeugend. Doch letztendlich zeigt sich, dass Lord Voldemort seinem Ahnen überlegen ist. Ich bin es, der letztendlich triumphieren wird." Erneut legten sich die langen Finger an seine Wange. „Und du Sirius Black, wirst mir dabei helfen."
Nun teilten sich Voldemorts Lippen doch. Fast zärtlich entschlüpfte ihnen ein einziges Wort. „Imperio."

Harry Potter und die Legende der GründerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt