Eine Ansprache des Ministers

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„Was?", fragte Susan entsetzt. „Das kannst du nicht machen!"
Tränen schimmerten in Megans Augen. „Glaube mir, ich wünschte, es wäre anders."


Harry hasste den Eingang des Ministeriums. Der dunkle Marmor wirkte so bedrückend, als wollte er sich jeden Moment auf die Anwesenden herabstürzen. Der Prunk, all das Gold, waren geschmacklos und die größte Geschmacklosigkeit war der Springbrunnen in der Mitte des Raumes. Die Skulptur zeigte magische Wesen, die voller Unterwürfigkeit und Bewunderung zu einer schönen Hexe und einem gut gebauten Zauberer aufschauten.
An diesem Abend war der Raum in bunte Lichter getaucht. Hexen und Zauberer in teuren Roben spazierten über den blitzenden Boden, das Klirren von Gläsern mischte sich zu leisen Gesprächen und irgendwo spielte leise ein unsichtbares Orchester. Harry hielt sich an der Seite von Rufus Scrimgeour und schenkte dem Raum das leicht nervöse Lächeln, das die, die ihn ohne seine Erinnerungen kannten, von ihm erwarten würden.
„Ah, Minister", sagte eine mädchenhafte Stimme. „Was für eine Freude, Sie an diesem Abend zu sehen."
Harrys Lächeln wäre beinahe verrutscht. Er hatte Dolores Umbridge bereits alles andere als geschätzt, bevor sie Sirius beinah zurück nach Askaban befördert hätte. Scrimgeour hatte seine Hand nicht zur Begrüßung ausgestreckt, doch Umbridge griff dennoch danach und schüttelte sie herzlich. Ihr viel zu helles, künstliches Lachen rollte durch die Halle und verursachte Harry einen Anflug von Übelkeit. Dann warf sie Harry einen Blick zu und ihre Lippen verzogen sich zu einem süßlichen Lächeln. „Ah, Harry Potter, der Held der magischen Welt. Ich fürchte, wir hatten einen schlechten Start im letzten Schuljahr, aber ich bin mir sicher, dass wir wunderbare Freunde werden."
Harry war froh, in der Rolle eines Teenagers hier zu sein. Um nichts in der Welt hätte er die schlaffe Hand von Dolores Umbridge schütteln wollen. „Wir werden sehen, Mam", sagte er kalt.
Als hätte er etwas köstlich Unterhaltsames gesagt, brach sie erneut in ein Lachen aus. „Ich bin gespannt auf die Rede zu Ihrem Amtsantritt", sagte Umbridge an Scrimgeour gerichtet. „Ich bin mir sicher, wir können Großes von Ihnen erwarten."
„Danke, Dolores", sagte Scrimgeour steif. Harry sah mit Befriedigung, dass, was immer der neue Minister sonst noch alles sein mochte, er offenbar keine Sympathie für Schmeichler hegte.
„Bitte entschuldigen Sie mich", sagte Scrimgeour kurz angebunden. „Es gibt noch einige Bekannte, die ich begrüßen möchte."
„Aber selbstverständlich, Minister", flötete die in rosa gewandete Gestalt. „Ich begleite Sie liebend gern."
Harry verfluchte sein Schicksal. Er hatte sich nicht gerade auf einen unterhaltsamen Abend eingestellt. Aber eine Nacht an der Seite von Dolores Umbridge? Das war definitiv zu viel verlangt.
"Ah, Dolores", sagte eine warme Stimme. Albus Dumbledore war an sie heran getreten und betrachtete sie aus funkelnden Augen. "Darf ich Sie für einen Moment entführen? Ich bin in einem Strickbuch auf ein Motiv für Katzen gestoßen und wollte Sie nach Ihrer Meinung fragen ..."
Umbridges Lächeln wurde noch eine Spur gekünstelter. "Aber selbstverständlich, Schulleiter. Herr Minister, Mr Potter, bitte entschuldigen Sie mich einen Augenblick. Ich bin sicherlich gleich mit einem Getränk für Sie zurück."
Ein kaum merkliches Lächeln glitt über Dumbledores Züge. "Oh, aber ich fürchte, es ist eine längere Angelegenheit", sagte er bedauernd. Er zwinkerte Harry zu, bevor er sich an Umbridges Seite entfernte. Harry warf ihm ein dankbares Lächeln zu und selbst Scrimgeour wirkte erleichtert. Vielleicht würde der Abend doch noch erträglich werden.
Im nächsten Moment hatten sie sich zu einer Gruppe von Reinblütern gesellt. Harry bewahrte Haltung. Er kannte dieses Spiel. Er lächelte und schüttelte Hände. Scrimgeour legte ihm einen Arm um die Schulter, als wären sie beste Freunde und Harry behandelte ihn wie seinen Lieblingsonkel. Wenn es um Politik ging, war das wirklich, was man die Leute sehen ließ. Persönliche Gefühle spielten eine geringe Rolle.
Seine Freunde, die es sich nicht hatten nehmen lassen, ihn auf dieser Tortur zu begleiten, fingen seinen Blick auf. Ron griff sich an die Kehle und imitierte einen Würgereiz, während Megan eine Grimasse schnitt. Hermine versuchte, die anderen beiden streng anzublicken, konnte sich ein Lächeln jedoch selbst nicht ganz verkneifen. Harry spürte, wie er sich entspannte. Noch immer erinnerten sich seine Freunde nicht vollständig an die Vergangenheit. Aber sie wussten genug, um zu verstehen, was damals geschehen war. Und keiner von ihnen war von seiner Seite gewichen. Wenn überhaupt, dann hielten sie noch unerbittlicher zu ihm, als zuvor. Er würde niemals ausdrücken können, wie dankbar er ihnen dafür war.
Gerade wollte er sich anschicken, dem Minister zu folgen, als er die wohlvertraute Gestalt von Draco Malfoy in der Menge ausmachte. Der Slytherin reichte seiner Mutter ein Getränk und raunte ihr etwas zu, dass Narzissa lächeln ließ. Als Draco seinen Blick bemerkte, verengten sich die hellgrauen Augen des Jungen. Schon öffnete er den Mund, um, wie Harry annahm, eine Beleidigung in seine Richtung loszulassen, überlegte es sich im letzten Moment jedoch anders und strafte ihn stattdessen mit Missachtung. Harry lächelte in sich hinein. Scheinbar war es Malfoy zu riskant, zwischen all den einflussreichen Hexen und Zauberern einen Streit anzufangen. Kurzentschlossen schritt er auf die beiden zu und wirkte, mit einem dezenten Schlenker seines Zauberstabes, einen wortlosen Muffliato-Zauber.
Er deutete eine Verbeugung vor Narzissa Malfoy an. „Lady Malfoy. Mein Beileid zu dem Schicksalsschlag, den Ihre Familie jüngst hinnehmen musste. Ich bedaure den Ausgang des Kampfes im Ministerium und ich wünschte aufrichtig, dass es anders gekommen wäre." Langsam ließ er seinen Blick erst über Narzissas, dann über Dracos Züge wandern. „Sollten Sie jemals Unterstützung bedürfen, so zögern Sie nicht, mir eine Eule zu schicken."

Narzissas Augen weiteten sich, während sich Draco beinah an seiner Spucke verschluckte. Er öffnete und schloss den Mund, ohne das ein Wort hervorkam. Was war mit Potter geschehen? Seit wann wirkte er so höflich und ... souverän? „Was soll das werden, Potter?", zischte er schließlich.
Ernst erwiderte seine Nemesis seinen Blick. "Wenn es nicht zu viel verlangt ist, so würde ich Sie bitten, über die Zwistigkeiten zwischen uns hinwegzusehen." Er wandte sich explizit an Draco. "Ich bin bei Muggeln aufgewachsen. Wenn ich in den letzten Jahren gegen die Etikette der Reinblüter verstoßen habe, so war dieses Versäumnis nicht Ignoranz, sondern Unwissenheit geschuldet." Draco konnte nicht anders, als den schwarzhaarigen Jugendlichen anzustarren. Potter, von dem Draco geschworen hätte, dass er keine Manieren erkannt hätte, wenn sie ihm ins Gesicht gesprungen wären, entschuldigte sich für sein bisheriges Verhalten? Er verstand die Welt nicht mehr.
Narzissa musterte ihn durchdringend. "Sie bieten uns ein Bündnis an, Mr Potter?"
Potter lächelte gewinnend. "Fürs erste würde es mir bereits reichen, wenn wir unsere Feindschaft hinter uns lassen könnten. Doch ich will nicht leugnen, dass ich an einer Zusammenarbeit interessiert wäre."
Draco schnappte nach Luft. Was dachte sich Potter eigentlich? Dass sie so einfach aus den Fängen des Dunklen Lords entkommen und die Seiten wechseln könnten? Selbst wenn er mit Potter hätte zusammen arbeiten wollen - worauf er gerne verzichten konnte - wäre das Narzissas und sein Todesurteil.
„Du weißt nichts, Potter! Du bist nichts als ein arroganter ...!" Draco stoppte sich im letzten Moment. Beinah hätte er Potter als Gryffindor beschimpft. Aber in Anbetracht der letzten Ereignisse konnte er das nicht mehr tun, ohne sich dabei mehr als unwohl zu fühlen. Immerhin war er selbst ... er zwang den Gedanken nieder. Wessen Wiedergeburt er war und was diese Erkenntnis mit ihm machte, hatte keinen Platz auf dieser Feier. Er warf einen schnellen Blick in Godrics Richtung. Dieser schien seine Beleidigung jedoch kaum gehört zu haben. Seine gesamte Aufmerksamkeit war auf Harry gerichtet. Leider hatte Potter seine Worte verstanden, ohne dass er sie laut ausgesprochen hatte. Er würde nicht darüber nachdenken, was das über ihn selbst aussagte.
„Nichts als ein arroganter Gryffindor?", wiederholte Potter langsam. „Welches Haus verschaffte mir denn mehr Ressourcen, mehr Vertrauen und Bündnisse in dieser Zeit? Slytherin? Dessen Ruf als Brutstätte der dunklen Kunst ihm weit vorausseilt? Oder Gryffindor, das Haus von Heldenmut und Tapferkeit?"
Malfoy starrte ihn an. „Du willst sagen ..." Wollte ihm Potter, der Goldjunge von Gryffindor, gerade erklären, dass er in Wahrheit ein Slytherin war? Dass er Rot und Gold trug, weil es besser zu seinen Plänen passte? Bis zu diesem Gespräch hätte er jeden ausgelacht, der das auch nur angedeutet hätte. Aber nun ... Plötzlich war er sich gar nicht mehr so sicher. Hatte er seinen Kontrahenten bisher so falsch eingeschätzt? Oder spielte ihnen Potter gerade einen geschmacklosen Streich?
Aber Potter war nie ein guter Schauspieler gewesen. Oder irrte er sich auch da? So seltsam es auch war, als der Schwarzhaarige erneut das Wort an sie richtete, wirkte die Anteilnahme in seinen Augen echt. "Sollten Sie je das Bedürfnis entwickeln, seinem Kreis zu entkommen, verspreche ich Ihnen, das wir eine Lösung finden werden."
Dann schaute Potter beiläufig über seine Schulter. Draco folgte seinem Blick und bemerkte, dass Albus Dumbledore sie aus einigem Abstand beobachtete. Sofort sanken Pottters Schultern herab und er verwandelte sich wieder ganz und gar in den Jungen, den er kannte.
„Es war mir eine Ehre, Lady Malfoy, junger Lord Malfoy", raunte er ihnen zu. "Ich hoffe, Sie haben trotz allem Gelegenheit, diesen Abend zu genießen." Dann wandte er sich ab und schritt in Richtung des Ministers davon.
Für einen Moment starrte Draco Potter perplex nach. Dann warf er einen Blick zu Godric. Und was immer er zu dem Geist hatte sagen wollen, erstarb in diesem Moment in seiner Kehle. Godrics helle Augen hatten sich auf Potters Rücken geheftet. Seine Hand lag auf seinem Schwertknauf und seine ganze Haltung war wachsam und angespannt. „Was ist los?", raunte Draco alarmiert.
Keinen Moment ließ der Ritter Potter aus den Augen. Erkennen und Unglauben lag in seinen Augen. „Salazar", murmelte er.
Dieses eine Wort reichte aus, um Draco alle Luft aus den Lungen zu pressen. Er starrte auf Potters schwarzen Haarschopf, als sähe er ihn zum ersten Mal. In Godrics Erinnerungen hatte auch Salazar Slytherin schwarze Haare gehabt. Und die Augen des Gründers waren so grün gewesen wie die von Potter. Und das Verhalten, das Potter soeben gezeigt hatte ...
„Nein", murmelte er. Das konnte nicht sein! Niemals war es möglich, dass ausgerechnet Harry Potter ...
Potter war mittlerweile kaum noch in der Menge auszumachen. Aber Draco konnte es nicht darauf bewenden lassen. Nicht nachdem, was er soeben erfahren hatte. „Entschuldige mich, Mutter", murmelte er automatisch. Dann begann er, sich durch die Menge zu kämpfen.

Das war der Moment, in dem Sirius Black die Halle betrat. Sämtliche Gespräche verstummten und alle Blicke waren auf den Zauberer gerichtet. Die Anspannung im Raum war mit Händen zu greifen. Sirius fühlte sich sichtlich unwohl. Sein Grinsen wirkte aufgesetzt und er wusste offenbar nicht, wohin mit seinen Händen. Sirius mochte unschuldig sein. Die Besucher dieser Feier hatten die Verhandlungen mit Sicherheit verfolgt. Doch nun mussten sie einen Weg finden, erneut mit diesem Mann umzugehen. Harry entschied sich, es ihnen leicht zu machen. Er rannte auf seinen Paten zu und fiel ihm in die Arme. „Sirius!", rief er, während er seinen Kopf an die Schulter die größeren Mannes legte. „Schön, dass du es geschafft hast!"
Harry spürte, wie sich Sirius in der Umarmung verkrampfte. Aber sein Schützling war nicht dumm. Nach einem Moment des Zögerns, legte er die Arme um Harry. Aus den Augenwinkeln sah Harry, wie sich eine Hexe eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. Weiter entfernt kritzelten die magischen Federn der Journalisten wie wild auf Papier. Dazwischen meinte er, für einen Moment das Gesicht von Draco Malfoy zu erahnen. Der Slytherin versuchte, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen und wirkte dabei sichtlich mitgenommen. Das Blitzen von Kameras blendete ihn für einige Sekunden. Dann waren dutzende von Hexen und Zauberer heran, um ihm und Sirius zu gratulieren und er verlor Draco aus den Augen. „Ich bin so froh, dass Sie aus dieser Ungerechtigkeit befreit wurden!", sagte ein kleiner Zauberer euphorisch. „Es muss furchtbar für Sie gewesen sein, von Ihrem Patenkind getrennt zu sein", sagte eine ältere Hexe gerührt.
„All die Jahre konnte ich ihn nie richtig kennen lernen. Ich bin froh, jetzt die Gelegenheit dazu zu bekommen", sagte Harry und das Publikum seufzte gerührt.
Harry sah, wie Sirius Lächeln immer gequälter wurde. „Die Menschen lieben solche Geschichten", raunte er ihm zu. „Das hier wird dafür sorgen, dass du noch in dieser Nacht rehabilitiert wirst."
„Es ist eine Lüge", wehrte sich Sirius.
Harry warf ihm einen Blick zu. „Nein. Es ist eine Inszenierung der Wahrheit."
Nun war es an Sirius, Harry anzusehen. Der Mann musste nichts sagen. Der Ausdruck in seinem Blick genügte vollkommen.

Salazar Slytherin

Schon wollte Harry den Blick abwenden, als sich Sirius Lippen zu einem anerkennend Grinsen verzogen. Schalk tanzte in seinen Augen, als er die Beglückwünschungen einer jungen Hexe überschwänglich entgegen nahm. Und Harry spürte, wie sich auch auf seinen Lippen ein ehrliches Lächeln ausbreitete. Es schien, als hätte Sirius Black seine letzten Bedenken abgelegt.
„Meine Damen und Herren, darf ich kurz um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Der Minister möchte das Wort an Sie richten." Beinah hätte Harry das Gesicht verzogen, als Umbridges magisch verstärkte Stimme durch den Saal hallte. Er löste sich mit einem letzten freundschaftlichen Klapps von Sirius, um mit dem Minister zusammen die Bühne zu betreten. Aus den Augenwinkeln sah er, dass sich Draco Malfoy erneut bemühte, seinen Blick einzufangen. Die Dringlichkeit, die dabei in seinen Augen lag, ließ ihn an ein anderes silbergraues Augenpaar denken. Er stockte. War es möglich? Für einen Moment fühlte er sich um Jahre zurückversetzt. Erneut lag er auf dem Boden und Godric stand über ihm, das Schwert von Gryffindor auf seine Brust gerichtet. Er spürte, wie er zu zittern begann und er war fast dankbar, dass sich Scrimgeours Arm um ihn schlang und ihn zurück in die Gegenwart riss.
Begeisterter Applaus brandete auf, als ihn der Minister auf die Bühne bugsierte. Harry versuchte, sich zu fangen, während Scrimgeour mit einem gezwungenen Lächeln darauf wartete, dass Stille eintrat. „Ich danke Ihnen für den freundschaftlichen Empfang", sagte er kurz angebunden. „Es herrschen schwere Zeiten. Umso mehr freut es mich, dass ich in meiner kurzen Amtszeit bereits für ein wenig mehr Gerechtigkeit sorgen konnte. Sirius Black wurde die letzten zehn Jahre in Askaban festgehalten. Für ein Verbrechen, das er nie begangen hat. Auf das Bitten meines jungen Freundes, Harry Potter, bin ich der Sache nachgegangen und musste feststellen, dass es für den Mann nie eine Verhandlung gegeben hatte. Ein Versäumnis meines Vorgängers, der mutmaßliche Todesser in Kriegszeiten ohne entsprechende Verhandlung einsperren ließ. Ich bin froh, dieses Versäumnis wiedergutmachen zu können und freue mich, unserem Helden, Harry Potter, wieder mit seinem Patenonkel vereint zu sehen."
Erneut brandete Applaus auf. Sirius wirkte, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Aber es war nur natürlich, dass Scrimgeour sich Harrys Bitte als eigenen Verdienst auf die Fahnen schreiben würde. Scrimgeour spielte sich als eine Heldenfigur auf, und war in Wahrheit nur mit Mühen davon zu überzeugen gewesen, diese wichtigen Schritte einzuleiten. Und inwieweit er, mit Umbridge und Thicknesse in bedeutenden Positionen, für eine faire Verhandlung für Sirius gesorgt hatte, war wahrlich in Zweifel zu ziehen. Aber die Wirklichkeit der Politik war, was die Leute sahen. Harry hatte damit gerechnet. Und er war hier, um sich Scrimgeours Strategie zu nutzen zu machen.
Er bedeute dem Minister, dass er auch etwas sagen wollte. Mit einem gönnerhaften Lächeln verstärkte der Minister Harrys Stimme. Ernst und mit einer Spur von Aufregung in der Stimme, wandte sich der einstige Gründer Slytherins an sein Publikum. „Ich danke dem Minister für alles, was er für mich und Sirius getan hat. Ich bin mir sicher, dass er nun dafür sorgen wird, dass solche Ungerechtigkeit ein Ende hat und alle magischen Familien in Zukunft ein faires Verfahren bekommen werden."
Mit einem unschuldigen Blick schaute er zu dem Zauberer auf. Scrimgeours Lächeln war gezwungen. „Das war nicht abgesprochen", zischte er aus einem Mundwinkel.
„Wollten Sie als neuer Minister denn nicht für Gerechtigkeit sorgen?", fragte Harry überrascht, sich vollkommen bewusst darüber, dass seine Stimme noch immer magisch verstärkt war.
"Natürlich will ich das", murmelte Scrimgeour unwirsch. Harry wusste, dass sich der Minister in diesem Fall keine leeren Versprechen leisten konnte. Der Fall von Sirius hatte zu viel Aufmerksamkeit erregt, um es dabei bewenden zu lassen. Erneut suchte er silbergraue Augen in der Menschenmenge. Würde Godric verstehen, dass er sich geändert hatte? Würde er ihm eine weitere Chance geben, seine Freundschaft zu beweisen? Ihm fröstelte, als er daran dachte, wie etwas in Godrics Augen zerbrochen war, als er das Schwert von Gryffindor auf ihn hatte niederfahren lassen. Konnte eine Freundschaft eine solche Tat überstehen? Konnte sie Jahre der Lügen und Falschheit hinter sich lassen?
Scrimgeour wechselte möglichst schnell das Thema. Er sprach von Voldemort, den Todessern und wie entschlossenes Vorgehen sie alle gegen diese Bedrohung schützen würde. Bei seiner Rede wirkte der Minister wie der Veteran, der er war. Mit jedem Wort merkte man ihm an, dass er wusste, wovon er sprach. Dies war der Grund, warum er gewählt worden war. Harry stand an seiner Seite, nickte und strahlte Zuversicht aus. In diesen Belangen stimmte er mit dem Minister überein. Eine Panik würde ihnen nicht weiterhelfen. Und wenn er durch seine Anwesenheit die Menschen beruhigen konnte, dann würde er das tun.
Plötzlich brandeten Schreie durch die Halle. Durch die Eingänge des Flohnetzwerkes drängten dunkel gekleidete Gestalten. Von allen Seiten schossen Flüche auf die verunsicherte Menge. Grünes Licht blitzte auf und zielte auf die Bühne. Sofort stellte sich Harry vor den Minister. Mit seiner Magie griff er nach einem Tisch voller Getränke. Gläser fielen klirrend zu Boden und Flüssigkeit schwappte über den dunkel glänzenden Boden. Er ließ den Tisch vor ihnen emporschweben und blockte so den verheerenden Angriff. Sofort ließ er den Tisch auf einen der Todesser zu segeln. Das Holz begrub die schwarzgewandete Gestalt unter sich und sie blieb reglos liegen. Mittlerweile hatten die Auroren einen schützenden Ring um ihn und den Minister gebildet, der sich langsam in Richtung eines Fahrstuhls zurückzog. Aber Harry wollte nicht gehen. Es ging nicht nur um den Minister. Unschuldige waren in diesem Raum. Sein Pate war hier. Seine Freunde hatten ihn hierher begleitet. Und womöglich befand sich sogar Godric in diesem Raum. Er schlüpfte durch die Auroren hindurch und schleuderte Flüche auf die Angreifer. Der Boden war feucht und schlüpfrig. Jemand hatte den Rand des Springbrunnens erwischt und langsam aber sicher schwappte Wasser in den Raum hinein. Der Saal, der ohnehin mit Getränken und Glassplittern bedeckt war, wurde so zu einem regelrechten Hindernislauf. Harry sah sich drei weiteren Gestalten gegenüber. Zwei Angriffe konnte er blocken, aus der Reichweite des dritten zog ihn eine sehnige Hand hinaus. Für einen Moment traf er Sirius Blick, dann standen sie Rücken an Rücken, während Flüche durch den Raum gellten.
„Harry, da bist du ja!" Er sah sich Hermines erschrecktem Gesicht gegenüber.
„War nicht leicht, zu dir durchzukommen!", murmelte Ron und ging neben ihm in Stellung.
Megan grinste kämpferisch. „Dabei bist du ohne uns doch vollkommen aufgeschmissen!"
Harry warf ihnen ein dankbares Lächeln zu, bevor er sich erneut ihren Angreifern zuwandte. Vielleicht hatte Megan mit ihrer Bemerkung gar nicht so unrecht.

Dracos Mutter blutete. Einer der ersten Angriffe hatte die Gläser zerschellen lassen und Glassplitter durch den Raum gejagt. Nun hing ihre Robe an ihrer Schulter in Fetzen und Blut sprudelte aus der Wunde hervor. Gehetzt blickte sich Draco nach einer Fluchtmöglichkeit um. Überall um sie wurde gekämpft. Er und seine Mutter waren kein Ziel für die Todesser, doch inmitten der Kämpfe schien es beinah unmöglich, sich durch die Kontrahenten zu drängen, ohne von einem Fluch getroffen zu werden. Auf der anderen Seite der Halle hatte Potter mit seinen Freunden eine Linie gebildet. Etwas weiter entfernt, verteidigte Dumbledore entschlossen eine Schar von älteren Hexen und Zauberern. Und dann waren da noch die Auroren, die den Minister umringten. Angesichts der Flüche, die um sie ausgetauscht wurden, schienen all diese Ziele unerreichbar. Niemals würden sie es unversehrt bis dorthin schaffen. Hilfesuchend blickte er in Godrics Richtung. „Tu etwas!"
„Ich bin ein Geist, Draco", antwortete der Gründer. „Ich kann nichts tun." Für einen Moment begegneten die perlweißen Augen den seinen. „Das kannst nur du."
Draco wusste, was ihm Godric sagen wollte. Ein Fluch schnellte über seinen Kopf hinweg. Hastig warf er sich auf den Boden und zog Narzissa mit sich. Vielleicht hatte Draco nicht die Möglichkeiten, seine Mutter hier herauszubringen. Aber Godric besaß diese Macht. Alles, was er tun musste, war, die Erinnerung des Geistes anzunehmen. Narzissa errichtete einen Schutzschild um sie, gerade rechtzeitig, um den nächsten verirrten Fluch abzuwehren. Aber ihre Zauberstabhand zitterte. Sie verlor viel zu schnell Blut. Dracos Hand war rot von dem Versuch, sie auf den Boden zu ziehen. Als der nächste Fluch auf sie zuraste, zerbarst Narzissas Schild unter dem Angriff. Sie wurden zu Boden geworfen und Draco spürte, wie sich Glassplitter in seine Knie bohrten. Wenn sich nicht bald etwas änderte, würden sie zwischen den kämpfenden Fronten zermalmt werden. Er fasste einen Entschluss. „Was muss ich tun?", fragte er an Godric gewandt. In einer mittlerweile vertrauten Bewegung streckte der Geist eine Hand in seine Richtung. Draco ließ zu, dass der Herr der Löwen eine Hand an seine Schläfe legte. Erinnerungen füllten seinen Geist. Vor seinem inneren Auge sah Draco zahlreiche Schlachten, er hörte die Analysen von Strategen und die Worte längst vergangener Lehrmeister. Was zuvor ein unüberwindbares Hindernis gewesen war, war nun nicht mehr als eine Abfolge von Angriffen und Paraden mit all den Lücken und Schwächen, die er gelernt hatte, für sich zu nutzen. Und während sich sein Geist mit den Erinnerungen eines Lebens füllte, begann die perlweiße Gestalt neben ihm immer weiter zu verblassen. Schon waren Godrics – seine Züge - nur noch zu erahnen, als schaute er durch beschlagenes Glas. Doch in diesem Moment weiteten sich die Augen des Geistes und sein Mund öffnete sich zu einem unhörbaren Warnruf. Draco fuhr herum. Gerade rechtzeitig, um den Todesfluch zu sehen, der auf seine Mutter zuschnellte.

Ein kreischendes Lachen ließ Harry den Blick heben. Bellatrix Lestrange war auch mit ihrer Maske gut zu erkennen. Da war etwas Unbeschwertes, beinah Heiteres in ihrem Gang, als würde sie das, was um sie herum geschah, genießen. Kein anderer Todesser hatte diese Art von Ausstrahlung. Etwas Wildes trat in Sirius Blick und er richtete seinen Zauberstab auf sie. Aber sein Pate war nicht in Form und Bellatrix war schneller. „Diesmal bringe ich es zu Ende", kreischte die Todesserin und ein Strahl aus grünem Licht schoss auf seinen Schützling zu. Harry zog den größeren Mann aus der Reichweite des Angriffs und der grüne Lichtblitz verfehlte sie knapp. Erleichtert wollte er aufatmen, als er hinter sich ein erschrecktes Keuschen hörte. Er fuhr herum. Das Grüne Licht hatte Sirius verfehlt. Doch seine Macht war nicht gebrochen. Der Zauber strebte weiter in den Raum hinein, dorthin, wo sich Narzissa und Draco Malfoy zurückgezogen hatten.
„Nein", keuchte Bellatrix überrascht. Denn der Fluch, der Sirius Black hatte töten sollen, strebte nun auf ihre Schwester zu. Narzissa Malfoy stand wie erstarrt, die Augen in ungläubigen Staunen auf das tödliche Licht gerichtet.
„Nein!", ertönte eine weitere Stimme. Und im Bruchteil einer Sekunde hatte sich Draco vor seine Mutter geworfen. Und der Fluch, der um ein Haar seine Mutter getötet hätte, traf ihn mitten in die Brust.
Einen Moment stand Narzissa wie erstarrt. Dann brach sie neben ihrem Sohn zusammen. Bellatrix Lestrange stand mit geweiteten Augen da und beobachtete, wie ihre Schwester um ihren Sohn trauerte. Sirius Fluch traf sie unvorbereitet. Beinahe lautlos brach sie zusammen. Gleich nach dem Zusammenbruch der Todesserin, stürmte eine Flut von Heilern und noch mehr Auroren den Raum. Die verbliebenen Todesser zogen sich durch das Flohnetzwerk zurück. Auf dem Weg wurden nicht wenige von ihnen von Flüchen niedergestreckt. Langsam geriet die Lage im Ministerium wieder unter Kontrolle.

Nur für Draco Malfoy war es zu spät gewesen.

Harry tat einige langsame Schritte in Richtung Narzissas, die wie leblos neben Draco auf dem Boden kauerte. Einer der Heiler sprach einen Zauber, um ihre verletzte Schulter zu verarzten, doch sie nahm keine Notiz davon. Warum hatte er die beiden nicht gesehen? Warum hatte er Sirius nicht in eine andere Richtung gezogen? Dann wäre der Todesfluch in die Wand gefahren, wo er niemanden geschadet hätte. Nun lag Malfoy, einer seiner Slytherin, blass und reglos auf dem Boden. Still kniete sich Harry neben Narzissa. Es gab nichts was er sagen, keinen Trost, den er spenden konnte. Aber er konnte da sein. Der Tod seiner Schlangen ging ihm immer nah. Selbst dann, wenn er Malfoy in seinem Leben als Harry Potter gehasst hatte. Aber das war nicht alles. Zu gut erinnerte er sich an den eindringlichen Blick aus silbergrauen Augen, den Draco ihm zugeworfen hatte. Der junge Mann hatte ihn sprechen wollen, bevor all das hier begonnen hatte. Die furchtbare Vermutung durchflutete ihn erneut. Er griff mit seiner Magie nach dem Toten und spürte, wie ein Rest einer roten und goldenen Aura in die Luft entwich. Er erstarrte vor Entsetzen. „Godric", hauchte er.
Megan hatte seinen Blick bemerkt. Im nächsten Moment war sie vorgestürmt und kniete sich neben ihn und Narzissa. Sie strich Draco das Haar aus der Stirn und ihre Augen weiteten sich. „Oh Merlin, er ist es."
Sie warf einen hilflosen Blick in Hermines Richtung. Die junge Frau sah die Verzweiflung in den Augen ihrer Freunde und schlug eine Hand vor den Mund. Nur Ron sah verwirrt von einem zum anderen. „Was ist plötzlich -"
Aber er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden. Denn in dem Moment stieß Narzissa einen markerschütternden Schrei aus, der von so bodenloser Verzweiflung erfüllt war, dass alle Worte dagegen verblassten.
Harrys ganzes Sein erzitterte. Seine Hände krallten sich um Dracos Hand, während die Welt um ihn her all ihr Licht verlor.

Draco Malfoy war tot.

Und Godric Gryffindor war mit ihm gestorben.

Harry Potter und die Legende der GründerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt